FPÖ-Chef Herbert Kickl hat am Sonntag ausführlich seine Haltung zum russischen Krieg gegen die Ukraine verteidigt. Er warf der Regierung vor, die Neutralität zu verletzen, stellte sich gegen die EU-Sanktionen und Waffenlieferungen, plädierte für Verständnis für beide Seiten, die Beendigung der „Eskalationsspirale“ und eine Verhandlungslösung. Auch seine scharfe Corona-Linie verteidigte Kickl, parteiinterne Unstimmigkeiten dementierte er.
Sehr klare Worte fand der FPÖ-Chef zum Jahrestag der Kapitulation Nazi-Deutschlands und des Endes des Zweiten Weltkriegs: „Natürlich“ sei das ein Freudentag, sagte Kickl in der ORF-„Pressestunde“. Der 8. Mai habe die Befreiung von einem „Albdruck“ gebracht, das Ende millionenfachen sinnlosen Sterbens - und „auch eines verbrecherischen Regimes, das industrialisierte Massenvernichtung“ betrieben habe. An der Gedenkveranstaltung nahm er dennoch nicht teil - weil er den Muttertag mit seiner Mutter verbringen wolle. Und: „Es ändert nichts, ob ich dabeisitze oder nicht dabeisitze.“
Die politische Botschaft des 8. Mai ist aus Kickls Sicht, dass es im Ukraine-Krieg gelte, aus der „Spirale der Eskalation herauszukommen“ - und nicht mit Ölembargo oder Lieferung schwerer Waffen weiter daran zu drehen. Er befürchte, dass Russland damit eher auf die Idee kommen könnte, von seinen „Vernichtungswaffen“ Gebrauch zu machen - und glaube nicht, dass die Ukraine den Krieg gewinnen könne. Zudem würden Öl- und Gasembargo die Wirtschaft Europas „um Jahrzehnte zurückkatapultieren“.
Kickl: Russland soll „gesichtswahrend aus Konflikt herauskommen"
„Das ist aus meiner Sicht hochgradig verantwortungslos“, kritisierte Kickl die Linie der EU und der Regierung. Er forderte, „anzuerkennen, dass Friedenspolitik Realpolitik ist“ - und zu versuchen, „eine Lösung zu finden, wo auch Russland einigermaßen gesichtswahrend aus diesem Konflikt herauskommt“. Ein Ansatz wäre die Neutralität der Ukraine - und der Verzicht auf die Krim. Denn: „Glauben Sie wirklich, dass die Russen jemals auf die Krim verzichten werden?“
FPÖ-Chef: „Ich stehe hier nicht auf der Seite Russlands“
Mehrfach verlangte Kickl „Verständnis“ auch für Russland und kritisierte - mit Hinweis auf Militäraktivitäten der USA - „die Einseitigkeit“ der Debatte sowie eine mangelnde Verurteilung der USA. Ein Naheverhältnis der FPÖ zu Russland und Wladimir Putin stellte er aber in Abrede: „Ich stehe hier nicht auf der Seite Russlands, das weise ich entschieden zurück“, sagte Kickl - und beantwortete mit knappen „Nein“ die Frage, ob die FPÖ jemals Geld aus Russland bekommen habe. Den „Freundschaftsvertrag“ mit Putins Partei „Einiges Russland“ erklärte er als Absichtserklärung ohne Rechtsfolgen, eigentlich nur „ein totes Stück Papier“.
Von der Regierung verlangte Kickl raschere Hilfen gegen die Teuerung. Der von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) vorgebrachten Idee, Krisengewinne von überproportional profitierenden Firmen steuerlich abzuschöpfen, kann er durchaus etwas abgewinnen - wobei eine solche Sondersteuer aus seiner Sicht aber für alle und nicht nur für Unternehmen mit Staatsbeteiligung gelten müsste. Kickl bekräftigte auch die Forderung, Steuern in lebensnotwendigen Bereichen zu streichen und das mit den hohen Mehrwertsteuereinnahmen gewonnene restliche Geld für Einmalzahlungen zu verwenden.
Kickl verurteilte NS-verharmlosende Vorkommnisse bei Demos nicht
Sein scharfes Auftreten - auch bei Demos - gegen die Corona-Schutzmaßnahmen verteidigte Kickl ziemlich leidenschaftlich. Es sei ein Kampf für die Freiheit gewesen, denn in der Pandemie seien „Grund- und Freiheitsrechte mit Füßen getreten“ worden. NS-verharmlosende Vorkommnisse bei den Demos (Tragen von Judensternen, Parolen wie „Impfen macht frei“) wollte Kickl nicht verurteilen. Er meinte, man müsse „mit diesen Leuten selber reden, was ihre Motivlage ist“. Vorwürfe der NS-Verharmlosung gegen ihn nannte er „absoluten Blödsinn“.
Dass es parteiinterne Kritik oder Widerstände gegen seine Linie in Sachen Russland oder Corona gibt, bestritt Kickl. Er sei gerade auf Bundesländer-Tour und habe da feststellen können: „Die Partei ist geschlossen wie ein Mann.“ Dass etwa der oberösterreichische Landeschef Manfred Haimbuchner oder der Wiener Dominik Nepp gegen ihn stünden, sei „Wunschdenken“ seiner Kritiker, meinte Kickl - und kommentierte die nicht allzu glänzenden Umfragewerte mit „Wir werden vorne um den Spitzenplatz mitmischen“ bei der Wahl.
Beendet ist laut Kickl die Überarbeitung der als Reaktion auf die Ibiza- und die Spesen-Affäre - ursprünglich schon für Ende 2020 - angekündigten Compliance-Regeln. Die Arbeitsgruppe unter Federführung Haimbuchners habe ihre Tätigkeit vor einigen Wochen beendet, jetzt werde noch der „politische Feinschilff vorgenommen“.
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