GUTEN MORGEN

„Bella figura“ | Traumjob Minister?

Auf dem falschen Fuß erwischt hat Elisabeth Köstinger Bundeskanzler Karl Nehammer mit ihrer Rückzugsankündigung nur fünf Tage vor dem ÖVP-Parteitag, bei dem er zum Kurz-Nachfolger als Parteichef gewählt wird. Nachdem man der Kärntner Bauerstochter weder Gspür noch Schläue absprechen kann, gehen Parteifreunde von einem nagelgespickten Abschiedsgeschenk an Nehammer aus. Einerseits zwar freiwilliger Rückzug - aber andererseits zum unangenehmsten Zeitpunkt. Manche interpretieren das Timing gar als „Bösartigkeit der Kurz-Partie“. Die Rücktrittsankündigung brachte Nehammer denn auch ins Schwimmen. Zunächst musste er die Langzeit-ablösereife Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck dazu bewegen, sich ebenfalls „freiwillig“ zurückzuziehen. Und dann Führungsstärke demonstrieren - mittels umgehender Nachbesetzung der vakanten Ministerposten. Dafür bekam er quasi die Freischwimmer-Auszeichnung: (relativ) freie Hand, um sich schnell freischwimmen zu können. Und diese Gelegenheit nützte Nehammer, indem er den bisherigen Arbeitsminister Martin Kocher zum Superminister adelte - er bekommt das Wirtschaftsressort dazu. In der Partei gibt es dafür viel Applaus, denn Kocher macht in der Öffentlichkeit, aber auch in den Parteigremien „bella figura“ - dabei ist er nicht einmal Parteimitglied! Vorschusslorbeeren setzt es auch für den neuen Landwirtschaftsminister, den Osttiroler Norbert Totschnig, bisher Direktor des Bauernbundes. Er soll wieder ein „echter“ Bauernminister sein - Köstinger warf man zuletzt intern wiederholt vor, sie hätte mit der Landwirtschaft nicht mehr viel am Hut haben wollen. Weniger parteiinterne Begeisterung lösen die beiden neuen Staatssekretäre aus. Zu Tourismus-Staatssekretärin Kraus-Winkler ist zu hören: „Schon wieder eine aus dem Osten.“ Und zu Digitalisierungs-Staatssekretär Tursky: „Es musste halt ein Tiroler sein.“ Die angestrebte Parteitags-Harmonie will man sich deshalb aber nicht stören lassen. 

Traumjob Minister? Die Politik in Österreich entscheidend prägen dürfen, wichtige Weichen stellen, etwas bewegen können. Dafür müssten sich doch die Besten der Besten finden lassen… Die Realität - sie sieht anders aus. Gleich zweimal ging Bundeskanzler Karl Nehammer gestern bei seiner Pressekonferenz zur Regierungsumbildung darauf ein, wie sehr die beiden zurückgetretenen Ministerinnen Köstinger und Schramböck „Anfeindungen, Häme und Spott“ ausgesetzt gewesen seien. Es sei sichtbar geworden, „wie heftig und untergriffig der Job als Minister, die Berufung, als Minister dienen zu dürfen, jetzt mittlerweile auch in Österreich sein kann“. Tatsächlich zielt die Kritik an Politikern, besonders an Regierungsmitgliedern, in den sozialen Medien oft weit unter die Gürtellinie. Dazu kommt viel Schelte aus den Medien sowie aus den Reihen der politischen Mitbewerber. Und - am schmerzhaftesten - von den sogenannten „Parteifreunden“. Kein Wunder also, wenn sich immer öfter qualifiziertes Personal „Minister? - nein danke!“ denkt und sagt. Längst ist so ein Teufelskreis entstanden: Für die Regierung finden sich immer häufiger nur zweit- oder drittklassige Besetzungen. Auf diese Ministerinnen und Minister ergießt sich sodann oft berechtigte Kritik. Das wiederum schreckt potenzielle Minister-Kandidaten erst recht ab. Dabei würden wir die Besten der Besten benötigen. Gerade in Krisenzeiten wie diesen.

Einen schönen Mittwoch!

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