Live im Gasometer

Pet Shop Boys lieferten beeindruckende Hit-Revue

Wien
13.05.2022 05:00

Mehr als 3000 Fans bejubelten Donnerstagabend im quasi randvollen Gasometer eine bombastische und völlig zeitgemäße Show der kultigen Electro- und Synthie-Pop-Briten Pet Shop Boys. Neil Tennant und Chris Lowe begeisterten nicht nur mit visuellen Effekten und großen Hits von damals, sondern bewiesen eindrucksvoll, dass auch das neue Material hohen Hitcharakter aufweist. Rundum perfekt war das kunterbunte Treiben aber nicht.

Pet-Shop-Boys-Konzerte sind hierzulande per se eine Seltenheit. Wenn dann auch noch ein lästiges Virus reingrätscht, sind schnell einmal acht Jahre um. Im Sommer 2014 waren Neil Tennant und Chris Lowe im Zuge des (heuer übrigens wieder abgesagten) „Jazz Fest Wien“ als Stargäste geladen und brachten die altehrwürdigen Gemäuer der Staatsoper zum Rütteln. Ein Auftritt, der selbst einem routinierten Musiker wie Tennant Respekt abrang, wie er der „Krone“ Anfang 2020 im Interview zum aktuellen Album „Hotspot“ steckte: „Die Location war wirklich unglaublich. Solche Konzerte spielen wir nicht jeden Tag.“ Das Gasometer mag nicht mit Glanz und Gloria der Oper aufwarten, für eine knapp zweistündige Hit-Revue an einem hitzigen Donnerstagabend ist die Arena-Location aber allemal tauglich.

(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)

Startschwierigkeiten
Für die Pet Shop Boys ist dies erst die zweite Tourstation, nachdem die gelungene Premiere zwei Tage vorher in Mailand stattfand. So richtig eingegroovt ist das Duo vor allem im ersten Drittel noch nicht. Mit „Suburbia“, „Can You Forgive Her“ und dem elektronisch-pathetischen U2-Cover „Where The Streets Have No Name“, das humorig mit „Can’t Take My Eyes Off You“ vermengt wird, ist der Start am Papier gelungen, in der Praxis sind aber Abzüge in der B-Note zu vermerken. Der Sound ist anfangs viel zu leise abgemischt, Tennants Bewegungen wirken etwas hölzern, die Stimme bleibt zu sehr im Hintergrund. Die an Hasenohren erinnernden Brillen und Tennants bodenlanger, schlohweißer Mantel beweisen dafür früh, dass eine Show der Londoner immer auch eine mutig-kreative Moderevue darstellt.

(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)

Die Mischung dieser zwei grundverschiedenen Typen ist ein erklecklicher Teil des mittlerweile mehr als 40-jährigen Erfolgsrezepts. Da der exponierte, stets mit dem Publikum schäkernde und die Szenerie völlig im Griff habende Tennant, dort der hinter seinem Computerschirm mit Basecap und Sonnenbrille versteckte Klangtüftler Chris Lowe, der sich bei den Pet-Shop-Boys-Sets zumeist noch nicht einmal zu einem schnöden „Dankeschön“ hinreißen lässt. Mit ihrer reichhaltigen und vielfach preisgekrönten Vita erschaffen sie aber mühelos einen Wirbelsturm voller Hits, bei denen es niemanden ruhig auf der Stelle hält. „Rent“, „Left To My Own Devices“, „Domino Dancing“ oder das flotte „Monkey Business“ - im Stakkatotakt prallen die Hymnen auf die Fans ein, die Tennant mit seinem markant-hohen Timbre und der Souveränität eines Dompteurs veredelt.

(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)

Visuelle Gustostückerl
Ist der anfangs quer über die Bühne laufende Videoscreen schon ein optisches Gustostückerl, fahren die beiden nach dem ersten Songblock erst die richtigen Geschütze auf. Unterstützt von einer dreiköpfigen und multiinstrumentalen Band vermischen sich die zwei Hauptdarsteller immer wieder mit den Videoprojektionen, lassen Bewegtbild durchlaufen und sparen keinesfalls an kunterbunten Lichteffekten. Mit den visuellen Effekten steigt auch die Soundqualität und spätestens vor Mitte des Sets sind Musiker und Publikum endgültig beieinander angekommen. Tennant, wie Kollege Lowe immer gerne und oft in Berlin unterwegs, begrüßt die Anwesenden in gewohnt perfektem Deutsch und tanzt um die LED-bestückten Straßenlaternen, die als Gimmick die Bühne flankieren und verstellbar sind.

(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)

Schon früh am Abend überzeugt das kultige „New York City Boy“, bevor die Band etwas später „Losing My Mind“ und den von Elvis Presley bekannten Gassenhauer „Always On My Mind“ genial vermischt und in rein feuriges Crescendeo aufgehen lässt. In diesem Moment hat Musik-Mastermind Lowe das Heft in der Hand und trägt den Abend, dazwischen bleibt aber auch Zeit für ruhige Seiten. Bei „Drunk“ schnappt sich Tennant die Akustikgitarre und gibt der grellen Show für knapp drei Minuten ein fragiles Gefühl der Zartheit und Verletzbarkeit. Ein etwas überraschender, aber umso gelungenerer Plot-Twist, der vor allem beweist, dass sich die Genialität der Pet Shop Boys nicht zwingend hinter Maschinen verstecken muss. „Losing My Mind“ und manch andere Tracks (etwa „You Only Tell Me You Love Me When You’re Drunk“) hat man übrigens extra für die „Diamonds“-Tour aus der Dachbodenkiste gezogen und entstaubt.

(Bild: Andreas Graf)
(Bild: Andreas Graf)

Kein Nostalgieprojekt
Stoiker Low und Dandy Tennant werfen sich die Bälle hin und her. Letzterer überzeugt wie gewohnt mit einer schrillen Kostümparade, die vom Glitzersakko über eine Art Bäckershaube bis hin zum edlen Anzug in der Schlussphase reicht. Besonders gelungen: die Pet Shop Boys sind auch im hohen Alter zeitgemäß und unpeinlich. Das mit dem boomenden Jung-Musiker Years & Years aufgenommene „Dreamland“ läuft nicht umsonst bei uns im Radio auf und ab - ein solches Songkaliber hätte auch zwischen den großen Klassikern vor drei Dekaden seinen Platz gehabt. Das Village-People-Cover „Go West“ und „It’s A Sin“ wären das ideale Ende gewesen, denn die Zugaben gemahnen leider wieder an den Beginn. Bei „West End Girls“ ist Tennants Mikro plötzlich total abgedreht, das herzhafte „Being Boring“ beschließt einen insgesamt wirklich sehr gelungenen Abend aber würdevoll. Und jetzt bitte nicht wieder für weitere acht Jahre entschwinden…

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