Ein Pädagoge eines städtischen Kindergartens in Wien-Penzing soll sich an seinen Schützlingen vergangen haben. Die Eltern wurden erst 13 Monate später informiert und zum Stillschweigen aufgefordert. Jetzt sollen sie über einen auf sexuelle Gewalt spezialisierten Verein testen lassen, ob ihr Liebling womöglich ebenso Opfer des Kindergärtners geworden ist. Die Betroffenen sind schockiert. Der Mitarbeiter wurde abgezogen und versetzt.
Es gehört zum Allerschlimmsten, was man einer jungen Seele antun kann. Ein Erwachsener vergeht sich an kleinen Kindern, in einer Einrichtung, die eigentlich Schutz und Geborgenheit bieten sollte. Ein Pädagoge eines städtischen Kindergartens in Penzing steht im dringenden Tatverdacht, zumindest ein Mädchen beim Wickeln und Schlafen unsittlich berührt zu haben.
Elternvertreter berichten in einem offiziellen Schreiben sogar von „schwerem sexuellem Missbrauch in mehreren Fällen“. Demnach sollen Mädchen und Buben unterschiedlichsten Alters betroffen sein. Das alleine ist schon schockierend genug, es geht aber weiter: Seit März 2021 (!) weiß die Kindergartenleitung davon. Der Mann wurde danach intern versetzt (weg von allen Kindern), der Fall liege bei der Staatsanwaltschaft Wien, bestätigt die Chefin der MA 10, Daniela Cochlár, der „Krone“.
Eltern sollen testen lassen, ob ihr Kind ein Opfer ist
Jene Eltern aber, deren Sprösslinge in Sammelgruppen vom besagten Pädagogen betreut worden sind, wurden erst jetzt - 13 Monate später - im Rahmen eines Infoabends in Kenntnis gesetzt. Und fielen aus allen Wolken. Mehr noch: Sie sollen sich nun an einen auf sexuelle Gewalt spezialisierten und von der Stadt Wien finanzierten Verein wenden, um testen zu lassen, ob ihr Liebling ebenfalls ein Opfer des Verdächtigen geworden ist.
Eine Gruppe von Eltern wurde gestern Abend zu einem Elternabend geladen. Dort wurden schockierende Infos bekannt gegeben. Es geht um ein Strafverfahren bzgl. (schwerem) sexuellen Missbrauchs in mehreren Fällen. Mädchen/Buben unterschiedlichsten Alters sind betroffen.
Auszug aus den Schreiben der Elternvetreter an Betroffene
Wieso hat Behörde nicht sofort Hilfe angeboten?
Warum hat die Behörde nicht sofort Hilfe und Unterstützung angeboten, sondern so viel Zeit verstreichen lassen? Cochlár ergeht sich hier in Bürokraten-Floskeln und spricht von einem „standardisierten Verfahren“. Auch auf die Frage der „Krone“, wie viele mögliche Opfer es gibt und wieso gerade jetzt zum Infoabend geladen worden sei, geht die MA-10-Leiterin nicht ein. Möglicherweise, weil Anklage erhoben wird? Cochlár sagt dazu nur soviel: „Die Stadt Wien als Dienstgeberin hat im April 2022 bei Gericht betreffend des Verfahrensstandes um Auskunft ersucht, es wurde mitgeteilt, dass ein Sachverständigengutachten noch aussteht und am 18. Mai 2022 wieder nachgefragt werden soll.“
Vom Kindergarten wurden die Eltern bisher nicht informiert. Daher wurde den Betroffenen die Möglichkeit der psychologischen Unterstützung genommen.
Auszug aus Schreiben der Elternvertreter
„Maulkorb“, um nicht mit den Medien zu reden
Die Angelegenheit sollte wohl unter den Teppich gekehrt werden und nie an die Öffentlichkeit gelangen. Die Eltern sind schriftlich angehalten worden, ja nicht mit Medien zu reden, um eine Berichterstattung zu vermeiden. Begründung: Das wäre nicht im Sinne der Kinder und Eltern, heißt es in einem Schreiben an die Betroffenen. Und: „Es passiert gerade sehr viel in der MA 10. Es gibt eine Krisensitzung und es wird an einer offiziellen Stellungnahme gearbeitet.“
Der Mitarbeiter war ab dem Zeitpunkt des Vorwurfs nicht mehr in der Betreuung von Kindern tätig. Die von uns gesetzten Maßnahmen sind ausreichend. Aktuell liegt die Angelegenheit bei der Staatsanwaltschaft Wien.
Daniela Cochlár, Leiterin der MA 10 (Kindergärten)
Stadtrat: „Wissen selbst erst seit zwei Tagen davon“
Selbst den für die Kindergärten zuständigen Stadtrat ließ die „eigene“ Magistratsdienststelle völlig im Dunkeln tappen. „Wir wissen erst seit zwei Tagen davon. Da gibt es bei der MA 10 einiges an Erklärungsbedarf“, gibt sich ein Sprecher von Christoph Wiederkehr (NEOS) gegenüber der „Krone“ zerknirscht.
Von einem Mega-Skandal spricht Top-Anwalt Johannes Bügler, der ein Elternpaar vertritt. „Unsere Rechtsordnung schützt vor allem unsere Kinder als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft. Wir werden mit den Eltern gemeinsam aufklären, warum dieser Schutz nicht funktioniert hat“, so der Prozessspezialist.
Als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft verdienen Kinder besonderen Schutz. Wir werden rechtlich alles tun, um gemeinsam mit den Eltern aufzuklären, warum dieser Schutz nicht funktioniert hat.
Rechtsanwalt Johannes Bügler vertritt Eltern
Dein Stein ins Rollen brachte ein Vorfall im Vorjahr. „Im März 2021 suchte eine Familie das Gespräch mit der Kindergartenleitung, da ihre Tochter von intimen Berührungen eines Kindergartenpädagogen erzählte“, so Cochlár. Die Familie holte sich psychologische Betreuung, die MA 10 zog den Mitarbeiter in den Innendienst ab, bis neue Erkenntnisse der Strafermittler vorliegen. Vor seiner Einstellung sei (wie bei allen Mitarbeitern) ein Strafregisterauszug sowie eine Sonderauskunft zu Sexualstraftaten eingeholt worden, heißt es.
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