Das Interview beginnt mit einer seltsamen Forderung aus dem Büro des neuen Landwirtschaftsministers. Norbert Totschnig (ÖVP) über arme Schweine, ein Hilfspaket für Bauern, Neuwahlen und Klimakrise.
„Krone“: Herr Minister, ursprünglich hätte die Chefredaktion der „Krone“ unsere Tierexpertin Maggie Entenfellner als Interviewerin für dieses Gespräch nominiert, das wurde von Ihrer Pressesprecherin allerdings abgelehnt. Machen wir mit ihr nicht, war die Aussage. Jetzt können sich Politiker bei uns nicht einfach Journalisten aussuchen, wie auf dem Basar, ich bin aber trotzdem statt ihr hier, weil ich neugierig bin: Was haben Sie gegen Maggie Entenfellner?
Norbert Totschnig: Gar nichts habe ich gegen Maggie Entenfellner.
(Nun mengt sich die „fassungslose“ Pressesprecherin ein. „Wieso werfen Sie dem Minister Dinge vor, die ich gemacht habe?“, sagt sie. Es entsteht eine Diskussion über den Sinn und die Bedeutung einer Pressesprecherin und die Pressefreiheit).
Mit welchen Worten hat Sie Karl Nehammer zu diesem Job überredet, oder war es nach drei Bundeskanzlern, drei Gesundheitsministern und insgesamt 14 Umbildungen seit Beginn von Türkis-Grün die politische Stabilität, die Sie überzeugt hat?
Karl Nehammer hat mich gefragt, ob ich dieses Amt übernehme. Und ich bin gewohnt, anzupacken.
Ihre erste Angelobung ist geplatzt, weil Sie an Corona erkrankt sind. In der gleichen Woche sagt Bundeskanzler Karl Nehammer auf dem ÖVP-Parteitag: „So viele Viren in einem Raum. Aber jetzt kümmert es uns nicht mehr.“ Was haben Sie sich dabei gedacht?
Ich habe das erst im Nachhinein gehört, und der Bundeskanzler hat sich dazu geäußert. Damit ist für mich die Sache erledigt.
Sie haben sich den Parteitag gar nicht per Stream angesehen?
Ich habe mir Teile von daheim aus angesehen, aber ich habe nicht den gesamten Parteitag gesehen.
Reden wir über Ihre zukünftige Arbeit. Bei Vollspaltenböden leben die Schweine bis zu ihrer Tötung auf steinharten Böden mit Kotritzen. 92 Prozent der Tiere haben laut Tierschützern entzündete Gelenke. Die Todesrate ist angeblich bis zu dreimal höher als bei Tieren, die auf Stroh leben. Die Augen sind durch den Ammoniakgestank gerötet, die Lungen entzündet. Vor Langeweile beißen sich die Schweine gegenseitig in die Ohren oder Schwänze. Das klingt für mich nach Folter.
In diesem Bereich hat sich die Bundesregierung geeinigt, dass es eine Weiterentwicklung geben wird. Die Zahlen, die Sie jetzt bringen, liegen mir nicht vor. Mein Anliegen ist es einfach, dass wir an den Tierwohlstandards arbeiten, aber immer in der Gesamtschau. Es braucht Lebensmittel, es braucht Versorgungssicherheit auf der einen Seite, und auf der anderen Seite auch den Konsumenten, der die Produkte kauft.
Was heißt Weiterentwicklung? Können Sie sich ein Verbot von Vollspaltenböden in allen Betrieben vorstellen?
Ich glaube, der Kompromiss, der auf dem Tisch liegt, ist ein sehr guter. Und der sieht eben vor, dass bei Um- und Neubauten ab 2023 dieser herkömmliche Vollspaltenboden nicht mehr möglich ist.
Sie waren Direktor des mächtigen Bauernbundes, und einst sogar für die Jungbauernkalender zuständig. Im Archiv habe ich dieses Foto (siehe unten) gefunden. Eine Frau in knappem Höschen, umringt von kleinen Schweinen. Die Frage „Warum liegt hier Stroh?“ stellt sich nicht, denn es gibt keines. Sieht eher nach Vollspaltenboden aus. Welche Ästhetik soll dieses Foto Ihrer Meinung nach ausstrahlen?
Für den Jungbauernkalender war ich vor 17 Jahren das letzte Mal zuständig. Damals gab es die Initiative, eine moderne Seite in der Landwirtschaft zu zeigen.
Warum ist in Österreich Ferkelkastration ohne Betäubung noch erlaubt? Gibt es keine Alternativen?
Da gibt es mit der Bauernschaft zuletzt eine Einigung, wie man da in Hinkunft vorgeht. Das ist der Stand, den wir derzeit haben, und für mich ist er so zur Kenntnis zu nehmen.
Aber Sie sind in die Politik gegangen, um den Status Quo zu verändern, oder nicht?
Sie wissen, die Tierschutzagenden sind bei Bundesminister Johannes Rauch angesiedelt. Ich bin jetzt zwei Tage im Amt. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich in erster Linie um meine wirklichen Kernbereiche kümmere. Das sind Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Regionen. Damit fange ich an.
Tierwohl also momentan nicht so wichtig?
Tierwohl ist immer wichtig, aber Tierwohl ist im Zuständigkeitsbereich des Herrn Gesundheitsministers. Wir werden konstruktiv zusammenarbeiten, und ich konzentriere mich auf die Landwirtschaft.
Dann kommen wir zur aktuell wohl dringendsten Baustelle: Alles wird teurer, auch für die Bauern. Futter- und Betriebsmittelpreise stiegen um bis zu 50 Prozent, Düngerpreise sogar um bis zu 300 Prozent. Wann kommt ein Hilfspaket für die Landwirte, und wie schwer wird es sein?
Das Hilfspaket ist schon sehr weit ausgearbeitet. In den nächsten zwei oder drei Wochen werden wir es den Medien vorstellen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bei Ihrer Angelobung auch die Klimakrise angesprochen. Vom Fichtensterben über den austrocknenden Neusiedler See bis zu den Trauben, die auf Weinstöcken verbrennen. Nennen Sie mir bitte die drei für Sie wichtigsten Maßnahmen, um die Landwirtschaft langfristig zu retten und kurzfristig zu unterstützen.
Beim Klimawandel ist die Land- und Forstwirtschaft der erste Betroffene. Wir wollen unseren Beitrag leisten für den Klimaschutz. Etwa durch verstärkten Einsatz von erneuerbaren Energien. Zweitens klimafitte Wälder, also Wälder mit anderen Baumzusammensetzungen, die hitzeresistenter sind und dies besser aushalten. Der Bodenschutz muss weiterentwickelt werden, eine große Hoffnung liegt da im Bereich der Digitalisierung. So kann ressourcenschonender und -sparender gearbeitet werden.
Ihre Vorgängerin Elisabeth Köstinger attackierte im Vorjahr die Handelsriesen: Landwirtschaft und Lieferanten, so Köstinger, hätten gegen die Einkäufer von Billa, Spar und Hofer „keine Chance“, und sprach von „erpresserischen Zuständen“. Bei den Bauern bleibt viel zu wenig Geld. Sehen Sie das auch so?
Es ist in den letzten zwei Monaten einiges passiert, und das ist ein wichtiger Meilenstein in der Frage fairer Umgang mit den Handelsketten. Das ist die Einsetzung des Fairness-Büros, das seine Arbeit aufgenommen hat, und es wird sich gezielt beschäftigen mit dem ganzen Themenbereich „unfaire Geschäftspraktiken“. Ich kenne fast alle der verantwortlichen Chefs der Handelsketten. Mein Zugang ist ein intensiver Dialog.
Kommen wir zu anderen Themen. Ich habe es schon erwähnt. Drei Bundeskanzler, ständig neue Minister und Rochaden, Angelobungen wie am Fließband. Wären Neuwahlen gegenüber den Österreichern nicht am fairsten?
Wir haben ein sehr gutes Koalitionsklima mit den Grünen. Mein erster Eindruck war, da gibt es den Willen, etwas weiterzubringen. Und mein Job jetzt als frisch angelobter Minister ist es, mich konstruktiv einzubringen.
Aber finden Sie nicht auch, dass man da ein bisschen den Überblick verliert? Beim Betreten des Ministeriums habe ich die Dame in der Portiersloge gefragt, wer denn aktuell der Landwirtschaftsminister ist. Den Nachnamen hat sie gewusst, weil ich ihn ihr gesagt habe, beim Vornamen hatte sie keine Ahnung. Nicht einmal die Mitarbeiter dieses Hauses wissen, wer Sie sind.
Ich kenne die Damen, ich bin immer sehr freundlich. Jetzt werde ich mich reinhauen und bin zuversichtlich, was die Steigerung meiner Bekanntheit betrifft.
Während andere Länder angesichts von Putins Kriegstreiberei der NATO beitreten oder zumindest darüber beraten, diskutieren wir darüber, ob man über die Neutralität überhaupt diskutieren darf. Darf man?
Die Neutralität ist Teil der Identität Österreichs, und ich sehe das auch so. Österreich ist ein neutrales Land, wir sind militärisch neutral, aber gleichzeitig ein Land, das Tradition hat als Brückenbauer, und so sehe ich auch diese Thematik.
Ich glaube, Ihrer Pressesprecherin war im Vorfeld wichtig, dass ich auch persönliche Fragen stelle, um Ihre Persönlichkeit zu beleuchten. Also bitte: Was ist Ihre Lieblingsfarbe?
Grün.
Danke für das Gespräch.
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