Der neue Kinder- und Jugendanwalt für Vorarlberg, Christian Netzer, warnt: „Die Rekordinflation verschärft die bereits brisante Lage vieler Familien. Die Zahl der armutsgefährdeten Familien wird zunehmen!“
Christian Netzer hat seine erste Arbeitswoche im neuen Büro in der Schießstätte 12 in Feldkirch hinter sich. Einarbeitung steht aktuell groß auf seiner To-Do-Liste. Ohne Schonfrist, wie er betont. Bereits als Leiter der Kinder- und Jugendhilfe in der Bezirkshauptmannschaft Bludenz hat er die vielseitigen Herausforderungen, mit denen Familien konfrontiert sind, kennengelernt. Als neuer Kinder- und Jugendanwalt kommt nun die geballte Ladung an Problemen auf ihn zu. Derzeit belastet vor allem die Teuerung viele Familien - mit gravierenden Folgen.
20.000 Kinder und Jugendliche in Vorarlberg gelten als armutsgefährdet. Deren Chancen sind zum Teil massiv eingeschränkt. Durch die Preisexplosion drohen noch mehr Kinder ins Abseits gedrängt zu werden. „Die aktuelle Inflationsrate von über sieben Prozent in Verbindung mit den enorm hohen Wohnungs- und Mietpreisen verschärft die wirtschaftliche Lage vieler Familien“, warnt Netzer. Einkommensschwache Familien müssten deshalb stärker unterstützt werden.
„Man muss sich bewusst machen, dass es durch Armut oftmals zu sozialer Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen kommt, dass dadurch auch die Bildungschancen minimiert werden und dass letztlich sogar Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung oder Unterkunft nicht mehr in vollem Umfang gestillt werden können.“ Ein weiteres Problem sei die wachsende Gewalt in den Familien. Durch zusätzliche Belastungen steigt das Aggressionspotenzial - und so dreht sich Spirale immer weiter nach unten.
Psychische Probleme häufen sich
Durch Ausgrenzung und Gewalt entstehen psychische Probleme. Angepackt und therapiert werden diese allerdings nur zu einem kleinen Teil. Denn die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist längst am Anschlag, bereits vor der Pandemie fehlte es an Ressourcen. Abermals tut sich ein gefährliches Missverhältnis auf: Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden unter psychischen Problemen, die Versorgung ist allerdings mangelhaft. „Mein Vorgänger Michael Rauch hat über die Jahre zigfach den Bedarf aufgezeigt und das Thema an die Politik herangetragen. Es ist also keineswegs so, als wären die Probleme über Nacht aufgetreten. Ganz im Gegenteil: Das Dilemma ist seit Langem bekannt!“
Vor allem fehlt es in Vorarlberg an kurzfristig verfügbaren Psychotherapieplätzen im ambulanten Bereich. Zugleich betont Netzer die Dringlichkeit eines ganzheitlichen Ansatzes: „An einem Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie führt kein Weg vorbei. Allerdings muss man sich auch die Frage stellen, weshalb die psychischen Probleme und Erkrankungen so stark zunehmen und wie man gegensteuern kann.“
„Es ist mir auch ein persönliches Anliegen“
Die Kinder- und Jugendanwaltschaft ist aber nicht nur zum Aufzeigen von Missständen und Verbesserungsmöglichkeiten da. In Einzelfällen vermittelt sie auch bei Problemen und berät Kinder und Jugendliche. Und nicht zuletzt gibt die Anwaltschaft Kindern und Jugendlichen bei Rechtsetzungsprozessen eine Stimme und lobbyiert für deren Anliegen bei der Landesregierung.
An einem Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie führt kein Weg vorbei. Allerdings muss man sich auch die Frage stellen, weshalb die psychischen Probleme und Erkrankungen so stark zunehmen.
Christian Netzer
Die Tage der Amtsübergabe will Netzer intensiv dafür nutzen, so viele Erfahrungswerte wie möglich von seinem Vorgänger mitzunehmen. Eine große Unterstützung in dieser Zeit sei ihm das fachlich sehr gut aufgestellte Team der Kinder- und Jugendanwaltschaft. „Die Sicherung des Wohls von Kindern und Jugendlichen war bereits in meinem bisherigen Tätigkeitsbereich eine zentrale Aufgabe und ist mir auch ein persönliches Anliegen“, erklärt Netzer seine Beweggründe, warum er sich um die Stelle beworben hat.
Er weiß, was auf ihn zukommt: „Michael Rauch hat die Interessen der Kinder und Jugendlichen hervorragend vertreten. An seine Arbeit möchte ich anknüpfen. Natürlich ist das breite Aufgabengebiet eine große Herausforderung, allerdings eröffnet sich dadurch auch die Chance, die Interessen der Kinder und Jugendlichen auf breiter Front zu vertreten und so deren Wohl zu sichern.“
Und was wünscht er sich für seine Amtszeit? „Ein offenes Ohr der Politik und dass Kinder und Jugendliche von uns noch stärker als Vermittlungs- und Beratungsstelle profitieren. Und vor allem wünsche ich mir eine intensivere Auseinandersetzung mit den Themen Kinderrechte und Kinderschutz.“
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