Zivilist getötet

Lebenslange Haft für russischen Soldaten (21)

Ausland
23.05.2022 12:15

Im ersten Kriegsverbrecherprozess in der Ukraine ist ein 21 Jahre alter russischer Soldat am Montag zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Wadim S. hatte als Kriegsgefangener gestanden, am 28. Februar in dem Dorf Tschupachiwka im Gebiet Sumy im Nordosten der Ukraine einen 62 Jahre alten Zivilisten getötet zu haben. Der aus Sibirien stammende Beschuldigte hat nun 30 Tage Zeit, um Berufung einzulegen. 

Das Gericht in Kiew sah es nach dem Geständnis des Mannes als erwiesen an, dass der Panzersoldat nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine den Zivilisten erschoss. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Nach dem weltweiten Entsetzen über russische Gräueltaten in der Ukraine war dies der erste Fall, der vor Gericht verhandelt wurde.

Mann auf Fahrrad erschossen
Ende Februar war Alexander Schelipow mit dem Fahrrad unterwegs, als Wadim S. laut Beweisaufnahme mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr auf ihn schoss. Katerina Schelipowa fand ihren Mann leblos auf der Straße - mit einem Schuss im Kopf, wie sie vor Gericht sagte. „Er war für mich alles. Er war mein Beschützer.“ Das alles habe sich wenige Meter von ihrem Wohnhaus entfernt ereignet.

Soldat: „Ich bedauere es“
Der Soldat zeigte in seinem Schlusswort in der vergangenen Woche Reue: „Ich bedauere es. Ich bereue es sehr. Ich habe mich nicht geweigert, und ich bin bereit, alle Maßnahmen zu akzeptieren, die verhängt werden.“ Sein Verteidiger Viktor Owsjannikow forderte Freispruch. „Er hat einen Befehl ausgeführt, wenngleich es ein verbrecherischer Befehl war“, sagte sein Anwalt. Aber die Staatsanwaltschaft ließ dies nicht gelten.

Wadim S., der aus der Region Irkutsk in Sibirien stammt, schilderte, dass er und seine Panzerkolonne nach Russlands Einmarsch in die Ukraine unter Beschuss geraten seien. Sie hätten dann ein Auto gestohlen, um zu fliehen. Und der ältere Mann sei Zeuge gewesen. Nachdem er sich zuerst geweigert hatte, habe er einen kurzen Feuerstoß abgegeben. Ein anderer russischer Soldat, inzwischen gefallen, hatte die Version vor längerer Zeit bestätigt.

(Bild: AP)

Soldat begab sich in Gefangenschaft
Später dann habe sich Wadim S. selbst in Gefangenschaft begeben, denn er habe leben und „nicht kämpfen“ wollen. „Ich streite meine Schuld nicht ab.“ Die Witwe des Todesopfers forderte lebenslängliche Haft für den Soldaten. „Doch wenn er gegen einen von unseren Mariupoler Verteidigern ausgetauscht wird, dann bin ich nicht dagegen“, sagte sie.

Fakten

Russland ist am 24. Februar in das Nachbarland Ukraine einmarschiert. Die Vereinten Nationen haben seitdem mehr als 3800 getötete Zivilisten registriert. Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher sein. Zu erwarten ist eine ganze Welle an Prozessen in der Ukraine und in Russland. Am Ende könnten sich die Seiten dabei einmal mehr auf Gefangenenaustausche einigen. Für die Ukraine aber ist das erst der Anfang der Aufarbeitung zahlloser Kriegsverbrechen seit Beginn der russischen Invasion vor drei Monaten.

Kriegsverbrechen in Butscha sorgten für weltweites Entsetzen
Aus den nordöstlichen Gebieten Kiew, Tschernihiw und Sumy haben sich die russischen Truppen mittlerweile zurückgezogen. Nach ihrem Abzug lösten Berichte über Gräueltaten weltweit Entsetzen aus. Mehr als 400 Tote wurden allein in dem Kiewer Vorort Butscha gefunden. Journalist Wolodymyr Solkin, der Wadim S. traf und bereits viele Interviews mit Gefangenen und auch Müttern toter russischer Soldaten geführt hat, zeigte sich entsetzt, dass kaum jemand Bescheid wisse, was Russland in der Ukraine treibe.

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