„Krone“-Reportage

„Alte Medizin“: Henker, Hexer, Gliedabschneider

Steiermark
28.05.2022 11:00

Bevor die Grazer Uniklinik den heutigen Standard erlangte, hatten im „Krankenhauswesen“ Henker, Bader und Gliedmaßenabschneider das Sagen.

Früher, nämlich sehr viel früher, da waren an viele Hausecken der Grazer Innenstadt Äxte gelehnt. Nicht, um Mördern gleich das Werkzeug zu stellen. Sondern damit im Falle einer Feuerbrunst, die größte Angst aller Städter, Haustüren aufgebrochen werden konnten. Albin Sampel hat eine stilisierte Axt daher bei sich, wenn er seine Nachtwächtertouren durch Graz macht. Was er mit viel Wissen und Herzblut tut.

Diesmal führt uns der versierte Tourguide in ein Kapitel der Grazer Geschichte, in dem Medizin noch oft genug eine barbarische Rolle spielte. Als noch Medicus, Bader, Barbiere, Kurpfuscher, Henker, Hexen und Zauberer ihre Hände bei der „Gesundung“ im Spiel hatten.

(Bild: zVg)

„Kräuter und Eingeweide, Blut und Kot von Tieren wurden gerne zur Heilung verwendet“, berichtet Sampel. „Und der Medicus verschrieb oft fragwürdige Rezepte.“ Die vermeintliche Heilung wurde oft von der Kirche „garniert“, sie sah „in Krankheiten eine Besessenheit durch Dämonen und führte Exorzismus durch“. Wollten Kräuterfrauen aber mit ihren Tinkturen helfen, waren Folter oder Scheiterhaufen nicht selten die Konsequenz dafür.

Henker waren gefürchtet

Henker waren gefürchtet, „aber man hat von ihnen auch abgetrennte Körperteile wie Finger gekauft - das war als Schutzsymbol und angebliche Gesundheitsvorsorge beliebt.“

Sampel kennt einige „Heilungen“ von früher: „So musste im Jahr 1194 der Knappe mit dem Beil dreimal zuschlagen, bis endlich das zerquetschte Bein seines Herrn abgetrennt war! Herzog Leopold der Fünfte war vom Pferd gefallen.“ Er starb trotzdem Tage später. Oder: Dort, wo heute das Orpheum ist, waren früher Friedhof und Totenkammer. Und Anatom Joseph Wimmer lehrte die Zergliederungskunst an Toten.

Die Aussätzigen mussten an den Stadtrand

An Seuchen Erkrankte, Menschen mit Lepra, Miselsucht oder Aussatz wurden ans Ende der Stadt verbannt. „Jedes Siechenhaus bestand aus Holzhütten und einer Kapelle. Aber es lag nahe an Straßen, damit die Aussätzigen um Essen bitten konnten“, erzählt Sampel. „Dafür schlugen sie mit ihren Näpfen - was gleichzeitig Betteln war und die Warnung für Gesunde, dass man es hier mit Aussätzigen zu tun hatte.“ Im Mittelalter wurde Lepra auch Lazarus-Krankheit genannt, das Wort Lazarett oder Lazarettgasse zeugen heute noch von den Siechenhäusern am Rand der Stadt.

(Bild: Christian Jauschowetz)

Wo sich auch Findelhäuser fanden; denn viele ledige Mütter mussten ihre Kinder weggeben, weil sie bitterlich arm waren. Tragisch: Um 1780 wurden Kanalgitter erfunden. „Aus einem Grund: Damit verzweifelte Mütter ihre Neugeborenen nicht hineinwarfen“, kennt Norbert Weiss vom Landesarchiv geschichtliche Fakten.

Wie auch, dass die Grazer Uniklinik bis in die 60er-Jahre ebenso landwirtschaftlicher Betrieb war, mit Feldern dort, wo heute die Kinderklinik steht. Und mit dessen krankenhauseigenen Schweinen und Gemüse das Essen für Patienten gleich vor Ort produziert wurde. „Lediglich in den Kriegszeiten waren die Lebensmittel sehr knapp, da wurde sogar die Milch fürs LKH rationiert. Und Verwandte vom Land, welche den Patienten Essen brachten, wurden gern gesehen“, so der Geschichtsexperte. In der Vergangenheit war die Klinik tatsächlich eine Stadt in der Stadt, „sogar mit einem Zaun herum, mit eigener Infrastruktur. Man wollte potenziell Infektiöses wegsperren so gut es ging“, so Weiss. Übrigens gab es eine eigene geschlossene (!) Abteilung für Frauen mit Geschlechtskrankheiten.

Sogar ein eigenes LKH-Postamt war vor Ort, und viele Ansichtskarten vom Gelände. Weiss: „Darauf markierten Patienten ihr Zimmer und schickten das an die Familie.“

Ein weiter Weg - zum Standard von heute. . .

Informationen zu den Sampel-Führungen wie auch den Touren durch das frühere Scherbenviertel in Graz finden Sie im Internet unter www.kulturfuchs.at

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