Wifo-Chef Felbermayr:

Noch höhere Inflation, im Herbst droht Gas-Chaos

Wirtschaft
29.05.2022 12:36

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, warnt vor einem Chaos im Herbst in Österreich, wenn nicht jetzt von der Bundesregierung festgelegt wird, wie im Fall eines Lieferstopps Russlands Gas rationiert und verteilt werden soll. Zudem erhöht das Wifo seine Inflationsprognose von 5,8 auf 6,5 Prozent. Sozialleistungen gehören aus Sicht des Experten automatisch an die hohe Teuerung angepasst.

„Wir könnten besser informiert sein“, sagte der Ökonom am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ auf eine Frage, was er von den Plänen der türkis-grünen Bundesregierung zu einer womöglich notwendigen Gas-Rationierung und -Verteilung wisse. „Wir wissen auch nicht wirklich Bescheid über Details.“ 

Ruf nach Gas-Rationierungsplänen
Es sei aber dringend und jetzt festzulegen, wie eine Energielenkung vorgenommen werden könnte. Laut Felbermayr sollen prioritäre Sektoren - zuallererst und ohne Einschränkungen Haushalte, aber auch der Stromsektor und die Lebensmittelproduktion - festgelegt werden und innerhalb dieser Sektoren müsse dann weiter festgelegt werden, wie dort verteilt wird. Hier könne etwa mit Auktionen vorgegangen werden.

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Wenn man glaubt, in der Hitze des Gefechtes die Verteilung demokratisch festzulegen, dann wird man sich wundern.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr

„Wenn man glaubt, in der Hitze des Gefechtes die Verteilung demokratisch festzulegen, dann wird man sich wundern“, sagte Felbermayr. „Wer soll denn dann abgedreht werden in welcher Branche?“, fragt er in Richtung Regierung. Zu sagen, „jeder kriegt 30 Prozent weniger, wäre volkswirtschaftlich gar nicht gut. Die Kosten werden viel höher, wenn die Rationierung des Gases im Chaos endet“, warnte er und mahnte sofortige Vorbereitungen ein.

Österreich nicht auf russisches Öl angewiesen
Beim Öl bekräftigte Felbermayr den Wifo-Standpunkt, der besagt, dass anstatt eines Embargos besser mit Importzöllen für Neugeschäfte vorgegangen werden solle. An russischem Rohöl hänge man in Österreich nur indirekt über Produkte, die aus Deutschland in die Alpenrepublik gegangen. Viel wichtiger für Österreich ist Rohöl aus Kasachstan. Solange dieses hierher gelange, seien die Auswirkungen eines Ölembargos gering, so Felbermayr. Aber: Das kommt über das Territorium Russlands. „Und wenn die Russen das nicht mehr zulassen aufgrund eines Embargos, dann hätten wir in Österreich ein Problem.“ Ein Ölembargo gegen Russland würde die Teuerung jedenfalls um weitere 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte steigen lassen, so der Ökonom.

Im Falle eines Gas-Lieferstopps müsse man zuallererst die Haushalte versorgen, mahnt der Wifo-Chef. Ein Rationierungsplan müsse jetzt erstellt werden. (Bild: AP)
Im Falle eines Gas-Lieferstopps müsse man zuallererst die Haushalte versorgen, mahnt der Wifo-Chef. Ein Rationierungsplan müsse jetzt erstellt werden.

Wifo-Chef rät, Sozialleistungen öfter anzupassen
Aufgrund der hohen Inflation müsse darüber nachgedacht werden, Sozialleistungen auch unterjährig anzupassen. Überhaupt sprach sich Felbermayr dafür aus, Sozialleistungen wie Familienbeihilfe, Mindestsicherung und Pflegegeld zu indexieren und automatisch an die Inflation anzupassen, da „wir nicht wieder zurückkommen zu den niedrigen Raten, die wir gewohnt waren“. Gegenfinanzierung könne eine Erbschaftssteuer sein, die in Österreich als „heilige Kuh“ behandelt werde.

Herbstlohnrunde „wird sicher schwierig“
„Es wird sicher schwierig“, so der Wifo-Chef zur Herbstlohnrunde. Denn die hohe Inflation sei nicht hausgemacht. Wenn man jetzt darüber spreche, dass zwölf Milliarden Euro Kaufkraft in Österreich im Verschwinden begriffen sind, dann geht die Summe nicht an österreichische Unternehmen, sondern fast zur Gänze ins Ausland, „in die Kassen der Ölscheichs und so weiter“. Also gehöre mit einem Aus oder Absenken der kalten Progression geholfen und insgesamt der Faktor Arbeit entlastet.

Während eher arbeitgebernahe Wirtschaftswissenschaftler wie etwa IV-Chefökonom Christian Helmenstein bei aus ihrer Sicht zu hohen Gehaltsabschlüssen zuletzt vor einer Lohn-Preis-Spirale warnten, sprechen arbeitnehmernähere vom Gegenteil. Erst am Sonntag bekräftigte AK-Chefökonom Markus Marterbauer im „Kurier“: „Wenn schon, müsste es Preis-Lohn-Spirale heißen.“ So argumentiert wird auch seitens der Gewerkschaft. PRO-GE-Chef Rainer Wimmer (SPÖ) sagt zu den Lohnverhandlungen zudem, dass die Unternehmen die Teuerung an ihre Kunden weitergeben könnten, Arbeitnehmer aber nichts von der Inflation weitergeben könnten. Freilich sagen auch die Betriebe, dass Preissteigerungen nur schwer eins zu eins und auch nur zeitverzögert weitergereicht werden können.

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