„Wenn Sie keine Sitzplatzreservierung haben, steigen Sie bitte aus“ - ein Satz, den Passagiere in ÖBB-Zügen zu hören bekommen. Ärger bei den Fahrgästen und Überforderung bei den Mitarbeitern scheinen zuletzt nicht die Ausnahme gewesen zu sein. Dabei ist das bundesweite Maskengebot (gilt bis 1.6.) noch nicht einmal gefallen. Konkurrent Westbahn hat bereits Lunte gerochen.
Geschehen am vergangenen Donnerstag in einem Railjet der Bundesbahnen in Wien-Meidling: „Wir fahren nicht ab, solange Passagiere in den Gängen stehen - dieser Zug hat keine Stehplätze! Wenn Sie keine Reservierung haben, steigen Sie bitte aus.“ Mehrfach muss der Schaffner die Aufforderung wiederholen, bis sich die letzten Nachzügler grummelnd aus dem Waggon trotzen. Einige bleiben selbst in der ersten Klasse übereinander sitzen, ehe der Zug mit Verspätung abfährt.
„Nehmen Sie den nächsten Zug, Sie erhalten einen Gutschein über 25 Euro am Schalter, wir danken für Ihr Verständnis“, heißt es höflich, aber bestimmt aus dem Lautsprecher. Viel Verständnis scheint es nicht zu geben.
Ungewöhnlich hoher Kundenandrang
Dass am Tag des Rammstein-Konzerts in Klagenfurt und unmittelbar vor einem Fenstertag nicht gerade wenig los sein wird, war zu erwarten. Dennoch verzeichnet die Bahn derzeit einen ungewöhnlich großen Kundenandrang. Klimaticket, horrende Spritpreise, aber auch die Reiselust nach dem Abflachen der Corona-Pandemie dürften dabei die Hauptbeweggründe sein.
In den letzten Wochen wurden die Auslastungszahlen der „Vor-Corona-Zeit“ auch bereits deutlich überschritten, um bis zu zehn Prozent, heißt es. Grenzüberschreitender Fernverkehr und besonders Süd- und Weststrecke seien sehr gefragt, bestätigt ÖBB-Sprecher Bernhard Rieder auf krone.at-Anfrage. „Umweltfreundliches Reisen liegt voll im Trend!“, freut er sich.
„Verteilt über den Tag ausreichend Platz“
Die Kapazitäten zu Spitzenzeiten seien ausgeschöpft, „aber über den gesamten Tag verteilt haben wir auf allen Strecken ausreichend Platz“. Überfüllte Züge seien also die Ausnahme. Gerade zu den Feiertagen bieten wir zusätzliche Züge an und bitten rechtzeitig einen Sitzplatz für die geplante Reise zu reservieren (so eine Reservierung kostet den Passagier zusätzliche drei Euro, Anm.).
„Mit Fokus auf die freiwillige Reservierung ist derzeit Lenkung noch möglich. Wenn die Auslastung weiter steigt, muss man sich weitere Lenkungsmaßnahmen überlegen. Eine allgemeine Reservierungspflicht ist aktuell nicht angedacht“, sagt Rieder.
Munkeln um neue Maßnahmen
Über eine mögliche Reservierungspflicht war zuletzt gemunkelt worden, auch könnten Kurzstreckenreisende von Fern- in Nahverkehrszüge überstellt werden, um Kapazitäten freizumachen, heißt es inoffiziell. Echtzeit-Information über die Belegung von Zügen dürfte jedenfalls ausgebaut werden. Die Bundesbahnen wollen offenbar demnächst genauer auf geplante Maßnahmen eingehen - derweil heißt es weiter: „Bitte reservieren!“
„Keine Raketenwissenschaft“
Vor dem kommenden Pfingstwochenende wittert derweil der einzige ÖBB-Konkurrent, die Westbahn, seine Chance und lästert bereits über die negativen ÖBB-Schlagzeilen: „Vorauszusehen, dass mit dem vorläufigen Abklingen von Corona und dem günstigen Klimaticket die Nachfrage spürbar steigen wird, das war nun wahrlich keine Raketenwissenschaft. Darum verdichten wir unseren Fahrplan am 12. Juni auch noch ein weiteres Mal“, sagt Geschäftsführer Thomas Posch.
Die Doppelstockgarnituren der Westbahn seien auch rund um das vergangene lange Wochenende weit davon entfernt gewesen, überlastet zu sein. Posch: „Wir appellieren einmal mehr an die verantwortlichen Stellen, unser Gesprächsangebot über eine wechselweise Ticket-Anerkenntnis zwischen Westbahn und ÖBB rasch anzunehmen, bevor das Vertrauen der Reisenden in das Bahnsystem weiter erschüttert wird.“
„Auch Tangente ist am Freitag immer zu“
Bei den ÖBB sieht man wohl nicht zuletzt den Passagier selbst in die Pflicht: „Ehrlicherweise muss man sagen, dass es mehr ein Lenkungsthema als ein Kapazitätsthema ist“, hatte die APA bereits vor einer Woche einen ÖBB-Insider zitiert. „Auch die Tangente ist am Freitagnachmittag immer zu, egal wie viele Spuren man baut.“
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