Einigung spätnachts
EU-Staaten verhängen Öl-Embargo gegen Russland
Die EU hat sich auf ein sechstes Sanktionspaket einschließlich des seit Wochen umstrittenen Öl-Embargos gegen Russland verständigt. Das teilte Ratspräsident Charles Michel in der Nacht auf Dienstag nach Beratungen beim EU-Sondergipfel in Brüssel auf Twitter mit. „Einigkeit. Einigung auf ein Verbot des Exports von russischem Öl in die EU“, schrieb Michel. Es würden „sofort“ zwei Drittel aller Ölimporte gekappt. Vor Journalisten sprach er später sogar von 75 Prozent.
Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigten sich bei einer Pressekonferenz nach dem ersten Gipfeltag erleichtert über die Einigung. „Wir haben einige Wochen gebraucht, um diese Entscheidung zu erzielen, und es gab schon Spekulationen, dass es uns an Einigkeit mangelt“, räumte Michel ein. „Wir brauchen politische Führungsstärke in diesen außerordentlichen Zeiten.“
„Maximaler Druck auf Russland“
Mit dem Embargo-Beschluss verliere Russland eine „riesige Finanzquelle für seine Kriegsmaschinerie“, betonte Michel. Tatsächlich geben die EU-Staaten nach Expertenberechnungen jeden Tag Hunderte Millionen Euro für russisches Öl aus. Man übe „maximalen Druck“ auf das Land aus, „den Krieg zu beenden“.
Ausnahme für Pipeline-Öl als Entgegenkommen für Ungarn
Die politische Einigung soll bereits am Donnerstag von den EU-Botschaftern in Rechtsform gegossen werden. Michel verteidigte zugleich die Ausnahme für Pipeline-Öl. Es gehe nämlich darum, auch die Interessen von Binnenstaaten wie Ungarn zu schützen. Von der Leyen erklärte, dass der Embargo-Beschluss die russischen Ölimporte bis Jahresende um 90 Prozent reduzieren werde. Sie verwies darauf, dass Deutschland und Polen freiwillig auf Pipeline-Öl verzichten wollen. Damit blieben nur noch Importe im Umfang von zehn bis elf Prozent, die über eine russische Pipeline nach Ungarn liefen. Österreich hat sich eigenen Angaben zufolge schon im März gänzlich von russischen Ölimporten verabschiedet.
Teil des Sanktionspakets ist auch der Ausschluss der staatlichen russischen Sberbank aus dem Bankenkommunikationssystem SWIFT. Von der Leyen wertete diesen Beschluss als bedeutend, da die Bank einen Marktanteil von 35 Prozent habe. Wichtig sei auch das Verbot von drei weiteren russischen Staatssendern, die Desinformation betrieben.
Ungarn als großer Bremser
Der Einigung ging ein zähes Ringen der Mitgliedsländer zuvor. Zwar hieß es bereits im entsprechenden Entwurf, dass das sechste Sanktionspaket gegen Russland so schnell wie möglich beschlossen und umgesetzt werden solle. Doch neben der Slowakei und Tschechien gab sich insbesondere Ungarn als massiver Bremser - alle drei Länder werden vor allem über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl versorgt. Durch den Ausbau einer kroatischen Pipeline, von dem Ministerpräsident Andrej Plenkovic berichtet habe, könne Ungarn „sich wirklich von russischem Öl entkoppeln“, betonte von der Leyen.
Neun Milliarden für die Ukraine
Die Kommissionspräsidentin und Michel gaben zudem eine Geldspritze in Höhe von neun Milliarden Euro für die Ukraine bekannt, damit Pensionen, Löhne und grundlegende staatliche Dienstleistungen finanziert werden können. Außerdem wolle man gemeinsam mit Partnern eine Plattform für den Wiederaufbau der Ukraine ins Leben rufen. Dabei sei aber „klar, dass die Investitionen an Reformen geknüpft sind“, forderte die Kommissionspräsidentin von der Ukraine weitere Bemühungen im Kampf gegen die Korruption.
Selenskyj forderte Einigkeit
Im Vorfeld hatte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj Druck auf die EU-Mitgliedsstaaten gemacht. In einer Videoschaltung zum EU-Gipfel forderte er die Staats- und Regierungschefs dazu auf, einheitlich gegen Russland vorzugehen. „Interne Streitigkeiten führen nur dazu, dass Russland den Druck auf Europa erhöht“, sagte Selenskyj.
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