Massiv verengte Atemwege, Fehlbildungen an Skelett und Gebiss, chronische Entzündungen an Haut und Augen: Der Preis, den die französische Bulldogge „Vigo“ für ihre „niedliche“ Optik zahlt, ist hoch. „Vigo“ ist das Ergebnis einer sogenannten Qualzucht. Obwohl diese in Österreich verboten ist, werden jedes Jahr Hunderte kranke Tiere gezüchtet und um viel Geld verkauft - und das ganz offiziell. Ein Schlupfloch im Tierschutzgesetz macht es möglich. „Dieses Leid muss endlich beendet werden“, fordern der Wiener Tierschutzstadtrat Jürgen Czernohorszky und Tierschutzombudsfrau Eva Persy.
„Im neuen Tierschutzpaket der Bundesregierung darf es keine Ausnahmen mehr vom Qualzucht-Verbot geben.“ Das Tierschutzpaket ist bis zum 1. Juni in Begutachtung. Und es gibt nicht nur Kritik an den Gesetzen betreffend unserer sogenannten Nutztiere. Wer Züchtungen vornimmt, bei denen vorhersehbar ist, dass sie für das Tier oder dessen Nachkommen mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Angst verbunden sind, verstößt gegen das im österreichischen Tierschutzgesetz festgeschriebene Verbot der Tierquälerei (§ 5). Das Problem: In den Schlussbestimmungen des Gesetzes wird dieses Verbot aufgeweicht.
So liegt laut § 44 Abs. 17 Tierschutzgesetz kein Verstoß vor, „wenn durch eine laufende Dokumentation nachgewiesen werden kann, dass durch züchterische Maßnahmen oder Maßnahmenprogramme die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Nachkommen reduziert und in Folge beseitigt werden“.
In der Praxis kann derzeit jeder mit kranken Tiere (weiter-)züchten.
Eva Persy, Tierschutzombudsfrau Wien
Der zivilrechtlichen Klage des Ehepaar Hohls nach Schadenersatz wurde übrigens nicht stattgegeben. Der Grund: Die Züchterin konnte Unterlagen vorlegen, die als Evaluierung ihrer Zuchtbemühungen nach § 44 Abs. 17 anerkannt wurden. „Das waren ein DIN A 4-Blatt mit der Ahnentafel der Elterntiere und die Aussage, dass sie ohnehin versucht habe, den Nachkommen einen längeren Rücken anzuzüchten“, erinnert sich das Paar.
10.000 Euro Behandlungskosten nach „Kaszettl“
„Dass solch ein ‘Kaszettl‘ vom Sachverständigen als Evaluierung anerkannt wurde, hat selbst das Gericht erstaunt.“ Rund 10.000 Euro hat das Ehepaar bislang für Operationen, Behandlungen und Medikamente von Hund „Vigo“ ausgegeben. Dazu kommen die Prozesskosten.
Immerhin: Die Klage der Hohls auf Gewährleistung war erfolgreich, einer Preisminderung für die „defekte Ware“ Rassehund wurde stattgegeben. Länder-Beschluss gegen Qualzucht liegt vor Bereits bei ihrer letzten Konferenz in Wien im Oktober 2021 hatten die Tierschutzreferenten der neun Bundesländer den zuständigen Gesundheitsminister einstimmig aufgefordert, „aktiv an Maßnahmen für einen einheitlichen Vollzug des Qualzuchtverbotes mitzuwirken und neue Leitlinien zu einem bundesweiten einheitlichen Vollzug zu erstellen“.
Angekündigte Verbesserung wurde „vergessen“
„Der damalige Minister Wolfgang Mückstein hat versichert, dass sein Ressort bereits intensiv an einer besseren Regelung für den strikten Vollzug arbeite“, so Tierschutzstadrat Czernohorszky. „Dass davon im aktuellen Gesetzesentwurf nun überhaupt nichts umgesetzt wurde, ist unverständlich und inakzeptabel.“
Für „Vigo“ kommt jegliche Änderung zu spät: Die zweijährige französische Bulldogge wird ihr Leben lang mit den Folgen der Qualzucht zu kämpfen haben. Zum zweiten Mal mussten vor einigen Wochen das Gaumensegel gekürzt und die Nasenlöcher erweitert werden, um ihm das Atmen zu ermöglichen. Mit einem offenen Brief haben sich Andrea und Walter Hohl nun an Tierschutzminister Johannes Rauch und die Nationalratsabgeordneten gewandt, um eine Streichung des § 44 Abs. 17 zu fordern.
Falls Sie Interesse an einem Rassehund haben, dann informieren Sie sich bitte unbedingt vorab über mögliche Qualzuchtrassen und deren gesundheitliche Einschränkungen!
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