Die Vorschusslorbeeren nach ihrem hoch gefeierten Debütalbum waren groß, davon musste sich Bridie Monds-Watson aka Soak erst einmal erholen. Auf dem Drittwerk „If I Never Know You Like This Again“ wird tief im Inneren gegraben und zwischen Nostalgie und Gegenwart gependelt. Im „Krone“-Gespräch ging es auch um die Liebe zur irischen Heimat, die Liebe zu ehrlicher, brutaler Musik und die Liebe zu sich selbst.
Bridie Monds-Watson, frische 26 Jahre jung, gehört mit Gewissheit zu den angenehmsten und entspanntesten Personen der britischen Musikszene. Der Künstlername Soak verbindet die beiden bevorzugten Musikstile Soul und Folk, doch auf dem Drittwerk „If I Never Know You Like This Again“ hat Monds-Watson längst kräftig in Richtung Indie-Rock ausgeschert. Freilich, ohne auf die ruhigen und leisen Momente zu verzichten, die 2015 auf dem Mercury-Prize-nominierten Debüt „Before We Forgot How To Dream“ begonnen und 2019 auf „Grim Town“ fortgesetzt wurden.
In den Attica Studios im beschaulich-irischen Donegal arbeitete Bridie mit ihrem Kreativpartner Tommy McLaughlin an den Songs, die Vergangenheit und Nostalgie beschwören, ohne von einer ausufernden Vintage-Schwere erschlagen zu werden. Teils erlebt, aber immer sehr persönliche Themen weiß Soak meist mit einer Prise Humor und Leichtigkeit zu erzählen, die auf dem Drittwerk so ausgereift, mutig und vor allem selbstsicher klingt wie nie zuvor. Ein Coming-Of-Age-Werk voller Höhen und Tiefen, Freuden und Leiden und mit einem Überfluss an Heimatliebe, ohne dem Patriotismus zu verfallen. Ein zartes Meisterwerk, dass uns Soak im Gespräch genauer erklärt.
„Krone“: Bridie, dein neues Album „If I Never Know You Like This Again“ hast du im malerischen Brighton aufgenommen oder?
Soak: Ich habe zwei Jahre in Brighton gelebt und hatte in der Pandemie viel Zeit, daran zu arbeiten. Mit Tommy McLaughlin habe ich aber auch eine Stunde entfernt von meiner Heimat Derry in Donegal daran gewerkt. Es gab ein paar Plätze für das Album.
Ist die richtige Umgebung für dich wichtig und entscheidend, um kreativ zu sein?
Ich brauche auf jeden Fall extrem viel Ruhe, um wirklich viel Lärm zu machen. Ich muss mich von den Leuten und der Welt entkoppeln und habe am liebsten niemanden um mich, wenn ich arbeite. Ich bin niemand, der unbedingt in der Nacht anfängt an Songs zu arbeiten, nur weil es da ruhig ist. Ich arbeite gerne tagsüber und daher brauche ich so viel Ruhe, wie ich nur kriegen kann.
Kannst du die Kreativität erzwingen? Manchmal ist das ja einfach harte Arbeit.
Ich schreibe die ganze Zeit irgendwelche Wörter oder Phrasen in mein Handy oder meine Notizbücher. Lyrisch gibt es da wenig Probleme, das muss ich nur ordnen. Mit der Musik ist es anders, da brauche ich mehr Ruhe und Konzentration. Im Studio muss ich mich in aller Ruhe hinsetzen, um die beiden Welten zu kombinieren und alles zusammenzustückeln. Musik machen ist wie puzzlen. Alleine zu arbeiten macht die Dinge etwas unberechenbarer und man ist schneller abgelenkt, aber die Diskussion innerhalb einer Band würde mich wahrscheinlich noch weiter zurückwerfen. Mir reicht Tommy, um kreatives Ping-Pong zu spielen.
Eine Band ist demokratisch aufgebaut. Da müsstest du deine Ergüsse, Wünsche und Ideen zurückschrauben und könntest dich nicht so einfach durchsetzen, wie es nur bei dir und Tommy der Fall ist.
Eine Band romantisiere ich in der Tat sehr oft, aber in der Realität würde sie mich wahrscheinlich frustrieren. (lacht) Man will doch immer das, was man gerade nicht hat.
Was macht deine Zusammenarbeit mit Tommy so speziell? Wo liegt die Magie zwischen euch beiden?
Es ist etwas sehr Besonderes. Wir kennen uns extrem lange, haben viele Songs geschrieben und reisen auch immer gemeinsam. Wir haben eine großartige Freundschaft und verstehen uns blind. Es gibt keine Beurteilung, wenn wir an Musik arbeiten. Alles ist sehr frei und ungezwungen. Es ist sehr einfach mit ihm zusammenzuarbeiten und wir sprechen musikalisch dieselbe Sprache. Er hört mir zu, analysiert mich und es herrscht sehr viel Respekt zwischen uns. Es ist so einfach miteinander zu arbeiten, wir haben auch irrsinnig viel Spaß. Das würde mit niemandem sonst so klappen.
Ich bin ein großer Fan von ausufernden Pressinfos zu neuen Alben. In deinem steht, dieses Album würde dich so präzise wie kein anders zuvor widerspiegeln. Heißt das dann, die anderen waren nicht echt und authentisch?
Natürlich waren die anderen Alben auch sehr authentisch, aber eben zu anderen Zeitpunkten in meinem Leben. Ich bin heute an einem Punkt angelangt, wo ich genau weiß, was ich tue und dieses Gefühl war mir in der Musik bislang nicht bekannt. (lacht) Ich versuche immer das Beste zu machen, aber ich wollte nicht so poetisch und kryptisch sein wie früher. Ich klinge einfach wie ich und erzähle meine Geschichten aus meiner Welt. Ohne Umschweife. Ich habe das Gefühl, dass ich meine ganze bisherige Karriere auf dieses Album gewartet habe und nun ist es da und fertig. Ich bin sehr stolz darauf.
Ist es das erste Album, auf dem du das Gefühl hast, dass du wirklich das gemacht hast, was du tief in dir drinnen machen wolltest?
Ja, das kann man wohl so sagen. Ich habe Wege gefunden um mich auszudrücken, nach denen ich sehr lange gesucht habe. Ich fühlte mich früher oft beschämt, wenn ich zu ehrlich war, aber heute bin ich wesentlich selbstsicherer. Ich liebe Musik, in der Künstlerinnen ihre Seele nach außen kehren. Das will ich auch schaffen. Ich will die Beobachtungen der Menschen erfahren. Die schlimmen Zeiten, durch die sie gehen mussten oder die Momente, in denen sie sich unsicher fühlten. Wenn ich Musik höre, will ich im Gehirn des Musikers sein. Seine Worte und Töne erfassen. Dieses Album ist ohne Zweifel jenes, wo ich selbst diesem Anspruch am nächsten komme und es hat überraschend viel Spaß gemacht, diesen Weg zu beschreiten.
„If I Never Know You Like This Again“ ist ein sehr nostalgischer Titel. Gehst du gerne zurück und rekapitulierst du Dinge aus deinem Leben?
Es geht nicht so sehr um Vergleiche von früher zu heute, die machen mir eher Angst. Wer will schon wissen, was hätte sein können? Das macht einen doch verrückt. Ich führe ein sehr glückliches Leben, kann mit der Musik meinen Lebensunterhalt bestreiten und sehe dadurch die Welt. Das ist ein großes Geschenk und ich versuche dieses Geschenk in der Musik festzuhalten. Sollte ich einmal Kinder haben, können sie meine Alben anhören und ihre Mutter in dem Moment verstehen, in dem sie sich gerade befand. Das ist für mich ein schöner Gedanke. Gleichzeitig ist es immer Kunst und steht für sich selbst. Songs zu schreiben ist ein ziemlich simpler Weg, bestimmte Momente des Lebens für immer festzuhalten.
Wie wichtig ist denn der Anteil der Musik daran, dass du mit deinem Leben im Reinen bist und dich derzeit einfach sehr gut fühlst?
Mich macht an der Musik alles glücklich. Auch die Videos oder das Artwork, denn im Großen und Ganzen will man die Leute mit einem Album doch in seine Welt ziehen. Da gehört mehr dazu als nur die bloße Musik.
Auf dem Artwork hat man das Gefühl, dass jemand vor etwas weglaufen oder flüchten möchte…
(lacht) Wir waren in Donegal und haben gerade Promofotos gemacht. Es hat geregnet, ich war klatschnass und habe gefroren. Dann waren da diese Autos und wir hatten die Idee, ein verschwommenes Foto davon zu machen, während ich ihnen nachlaufe oder mich zu ihnen bewege. In dem Bild steckt eine bestimmte Form der Sehnsucht, die man nur schwer beschreiben kann. Man weiß nicht, warum hier eine Bewegung herrscht, aber gefühlsmäßig hat das Bild perfekt zu den Songs und zum Albumtitel gepasst. Wir waren nur 15 Minuten vom Studio entfernt. Das Artwork hat eine irische Farbe und fühlt sich sehr familiär an. Ich liebe Irland und dass man fühlt, dass das Foto von dort kommt und die Geschichten am Album gut widerspiegelt. Zudem fahr ich die ganze Zeit mit dem Auto herum. Sehr viele Momente in den Songs beziehen sich auf das Fahren oder Autos im Generellen. Speziell der Song „Neptune“. Der ist eine Kollektion von Momenten mit guten Freunden, wo das Fahren eine wichtige Rolle spielt. Früher sind wir am Land mit dem Auto herumgefahren, haben alle Fenster geöffnet und „Gimme Shelter“ auf Anschlag gedreht. Damit sind wir auf Hügeln gefahren und haben die Zeit genossen. Das Foto am Cover erinnert mich so sehr daran. Es ist ein wundervolles Gefühl von früher.
Geboren bist du im nordirischen Derry, einer Stadt mit einer sehr harten Geschichte. Du hast immer betont, dass du sehr beschaulich und friedlich aufgewachsen bist. Was machen Nordirland und Irland für dich aus. Welche Beziehung hast du zu deiner Heimat?
Die Heimat ist für mich ein magischer Platz. Ich weiß nicht, ob du jemals „Derry Girls“ auf „Netflix“ gesehen hast, aber damit verbinden die meisten Menschen meine Heimatstadt. Die Leute hier sind unglaublich nett. Das gilt für ganz Irland. Selbst wenn sie nicht nett wirken, sind sie unheimlich lieb zueinander. Das ist ganz speziell und ich schätze das sehr. Die Leute achten aufeinander. Irische Frauen sind wie Mütter. Sie wollen dir immer was zu essen geben und passen auf, dass dir nie kalt ist. (lacht) Es gibt viel Liebe und Gemeinschaft, das ist nicht selbstverständlich und auch die Kulturszene ist sehr stark. Etwa die Hälfte der Einwohner betätigt sich im künstlerischen Bereich. Wir haben grandiose Folk-Musik und märchenhafte Geschichten und Sagen. Es ist einfach cool hier und ich bin sehr stolz darauf, von hier zu sein.
Willst du diese Warmherzigkeit, Liebe und Gemeinschaftlichkeit in deiner Musik weiter hinaustragen? Die Traditionen deiner Heimat quasi auf deine Art und Weise weitergeben?
Durchaus. Ich bin sicher kein Vorbild und will es auch gar nicht sein, aber ich will meine Erfahrungen teilen und anderen zugänglich machen. Die Musikwelt ist schon verrückt. Du kannst ein persönliches Album in den USA machen und irgendjemand in Neuseeland wird es hören und für sich perfekt verstehen. Das ist so schräg, aber auch wahnsinnig cool. Ich liebe es, Musik zu hören und mich darin zu finden. Wenn das anderen bei mir auch so geht, umso schöner. Es geht ja im Endeffekt darum, dass wir uns alle verbinden und Verständnis füreinander aufweisen.
Im Song „Guts“ gibt es die Zeile „I’ll be the best version of myself“. Hast du dein allerbestes Selbst denn mittlerweile gefunden oder suchst du verzweifelt danach, weil man diese Version ohnehin nie finden kann?
Es ist wohl ziemlich unmöglich, das optimale Level eines Selbst zu finden. Man versucht ja nicht nur zwingend für sich, sondern vielleicht auch für jemand anderen die beste Version von sich selbst zu sein. Es muss sehr ermüdend sein, wenn man immer wieder versucht, für alle bestmöglich dazustehen, aber manchmal muss es sein. Man muss im Leben einfach damit klarkommen, wer man ist. Es gibt sehr beschissene und verdammt gute Tage. Für gewöhnlich wechseln sie sich ab und je eher man damit klarkommt, umso leichter tut man sich im Alltag. Es geht in dem Song weniger darum, dass ich das beste Ich sein möchte, sondern wie ich am besten aussehen, sprechen und wirken könnte - für andere und auf andere. Dieser Zwang, dem wir alle im Leben oft erliegen.
„Purgatory“ ist ein Song, der auch sehr viel Nostalgie mitschwappen lässt und sich vielleicht ein bisschen an deine Kindheit anlehnt. Hast du dich früher einmal so gefühlt, als würdest du gerade im Fegefeuer brennen?
(lacht) Der Lockdown hat sich manchmal wie das Fegefeuer angefühlt, weil jeder Tag derselbe war. Montag, Mittwoch oder Sonntag - es gab überhaupt keine Unterschiede mehr und man konnte sich an nichts orientieren. Ich hatte schon immer ein gutes Gespür für die Zeit und versuche sie in jedem Moment so gut wie möglich zu nutzen. Ich habe aufrichtig Angst davor, einmal alt zu werden und viele Dinge verpasst zu haben. Das spukt mir immer im Kopf herum und dazu vermischt sich die Frustration, erzwungen daheim festzusitzen und diese wertvolle Lebenszeit zu vergeuden. Die Zeit rann mir aus den Fingern und das machte mich unsicher.
Ich habe viel über mich und mein Leben nachgedacht, sehr viel reflektiert. Bin ich glücklich? Was macht mich glücklich? Wie verbringe ich mein Leben am besten? Manchmal braucht man diese Gedanken als Ausgleich und als Ruhepol. Wir sind in dieser digitalen Welt umgeben von gespielter Perfektion, die uns unheimlich viel Druck macht. Die Lockdowns hatten so gar nichts von einer Perfektion und die Leute wurden zurückgeworfen auf das Elementarste. Ich will echte Menschen sehen, die Echtes erleben und fühlen. Und nicht das geschönte Zeug, das uns aus allen Richtungen im Internet entgegenströmt.
Können wir heute eigentlich noch etwas gegen den Internetperfektionismus machen oder haben wir diesen Kampf längst verloren?
Wenn die Leute Spaß daran haben, ist das auch okay. Es ist toll, dass wir heute so viele Optionen haben und die Leute wählen können, wie und wo sie sich präsentieren. Andererseits hasse ich die Tatsache, dass die Kids heute aufwachsen und ihnen vorgelebt wird, wie sie aussehen sollen und zu sein haben. Sie unterliegen einem kollektiven Druck, dem sie sich kaum entziehen können. Das wird sich wahrscheinlich nicht mehr ändern und ich weiß auch nicht, wie man aus dieser Spirale rauskommt. Es kommt sehr viel auf die Erziehung an. Man muss Kindern von Anfang an klarmachen, dass wir absolut nichts online über die Menschen wissen. Du kannst dich als jeder ausgeben, alles posten und nichts davon muss stimmen. Daran muss man die Menschen immer wieder erinnern. Ich würde mir wünschen, dass man Social Media Restriktionen unterziehen und für Sinnvolles verpflichtet. Die Sucht, die daraus entsteht, ist wirklich furchtbar. Die Algorithmen arbeiten so geschickt, dass du niemals aufhörst zu scrollen. Das ist das wahre Böse.
Vielleicht lacht die übernächste Generation darüber und kann es gar nicht fassen, wie viel Zeit wir im digitalen Orbit verschwendet haben…
Auch das ist eine Variante. Wir brauchen mehr Schutz auf den Online-Plattformen. Es gehört einfach alles viel besser überwacht.
Du hast vorher die Rolle des Vorbilds angeschnitten. Fühlst du dich unwohl, wenn du daran denkst? Willst du anderen nicht als Inspiration dienen?
Man entscheidet selbst nicht, ob man für andere Vorbildwirkung hat oder nicht. Wenn man mir diese Marke umhängt, würde ich das sonderbar finden, denn als ich anfing Musik zu machen, war es nie mein Ziel, dass jemand auf mich aufschaut. Ich wollte mich niemals darum sorgen, wie jemand meinen Song versteht oder dass ich eine Art Elternteil bin. (lacht) Ich liebe Musik, die roh und echt ist. Wo die Menschen kompromisslos aus ihren Leben erzählen, auch wenn das manchmal harte Geschichten sind. Ich würde niemals auf etwas in meinen Texten verzichten, nur weil jemand es anders auffassen könnte. Dieser Gedanke liegt mir völlig fern.
Dein Album dreht sich um Nostalgie, Isolation, Beziehungen und Erfahrungen deines Lebens. Lässt sich da eigentlich ein roter Faden ausmachen?
Ich weiß nicht, ob es wirklich einen roten Faden gibt. Es geht um mich und meine Gefühle, Erfahrungen und Erlebnisse. Alles passiert in meinen Worten und meinen Tönen. Ich versuchte so sehr ich zu sein, wie es nur möglich war. Mich darauf zu stempeln. Das klingt jetzt sehr egoistisch, aber der rote Faden bin ich selbst. (lacht)
2015 hast du mit deinem Debütalbum „Before We Forgot How To Dream“ schon großen Erfolg gehabt und wurdest in der Indie-Szene über Nacht berühmt. Ging das nicht ein bisschen sehr schnell?
Das Album hat mich in eine Identitätskrise getrieben. Ich war damals so jung und fühlte mich extrem unter Druck gesetzt. Ich habe das nicht erwartet, dass plötzlich so viele Menschen sich Gedanken über meine Musik und Texte machen. Das hat mich doch stark aus dem Tritt gebracht. Für eine Zeit lang habe ich viel zu sehr darauf geachtet, wie die Leute mich sehen oder was sie sich von mir erwarten. Ich musste erst wieder lernen, wer ich eigentlich bin und was ich ausstrahlen möchte - ohne zu sehr an andere zu denken. Dieser Prozess ist jetzt hoffentlich abgeschlossen.
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