„Es ist verrückt“
Schanghai hebt nach zwei Monaten Lockdown auf
Nach zwei Monaten hat die ostchinesische Millionenmetropole Schanghai ihren chaotischen Corona-Lockdown weitgehend aufgehoben. Die meisten der 26 Millionen Einwohner durften ihre Wohnungen am 1. Juni endlich wieder verlassen. Auch Geschäfte öffneten, der öffentliche und private Verkehr wurde mit Einschränkungen wieder aufgenommen. Ausgenommen sind nur noch Nachbarschaften, die wegen Infektionen als Risikogebiete abgeriegelt sind. Rund 200.000 Menschen sind noch in Quarantäne. Kindergärten, Volks- und Mittelschulen bleiben geschlossen, getestet wird weiterhin.
„Es ist wirklich verrückt“, sagte eine 43-jährige Deutsche, die erstmals wieder vor die Tür kam und es kaum fassen konnte: „Es herrscht ein geschäftiges Treiben. Als wenn nichts gewesen wäre.“ Viele Geschäfte hätten geöffnet. Es werde geputzt, ein wenig verkauft. „Es ist alles wieder zurück auf Start“, meinte die Deutsche: „Es herrscht eine gewisse Euphorie.“ In der Nacht sei gefeiert worden.
„Habe mich schrittweise daran gewöhnt"
Zhou steckte sogar zweieinhalb Monate in seiner Wohnung fest. „Erst war ich genervt, unwillig, verwirrt und besorgt, doch dann habe ich mich schrittweise daran gewöhnt“, sagte der 40-jährige Techniker. „Heute fühle ich mich, als wenn ich eine Ewigkeit abgeschnitten gewesen wäre.“ Als Erstes habe er einen Zehn-Kilometer-Lauf gemacht. Auch wenn es weitere Ausbrüche geben werde, sollte es nie wieder zu einem derart langen Lockdown kommen. „Die Regierung sollte die Lehren daraus ziehen und künftige Maßnahmen verbessern.“
Während der Rest der Welt inzwischen versucht, mit dem Virus zu leben, hält das bevölkerungsreichste Land beharrlich an seiner rigorosen Null-Covid-Strategie fest. Mit der Ankunft der Omikron-Variante kämpft China seit März aber gegen die größte Corona-Welle seit Ausbruch der Pandemie vor mehr als zwei Jahren. Chinesische Wissenschaftler warnten, dass eine Lockerung ohne Beschränkungen zu 1,5 Millionen Toten in sechs Monaten führen könnte, da in China viele alte Menschen unzureichend geimpft sind.
Fakten
Der Lockdown in dem Wirtschafts- und Finanzzentrum der zweitgrößten Volkswirtschaft war Ende März zunächst für fünf Tage über die Pudong-Seite östlich des Huangpu-Flusses verhängt worden. Doch wurden die Beschränkungen wegen der steigenden Infektionszahlen ausgedehnt und dauerten am Ende zwei Monate. Wegen unzureichender Lieferungen von Lebensmitteln, schlechter medizinischer Versorgung und teils chaotischer Verhältnisse hatte es heftige Kritik gegeben. Auf dem Höhepunkt der Welle zählte Schanghai im April 27.000 neue Infektionen an einem Tag. Am Dienstag meldete die Metropole nur noch 15 neue Fälle.
Chinas Wirtschaft stark abgebremst
Die Lockdowns und Quarantäne-Maßnahmen in vielen Metropolen und Regionen haben Chinas Wirtschaft stark abgebremst und globale Lieferketten unterbrochen. Die Schanghaier Regierung beteuerte, auf eine komplette Erholung hinarbeiten zu wollen und sich zu bemühen, „die Zeit und Verluste durch die Epidemie wiedergutzumachen“. Viele Unternehmen in Schanghai und der Nachbarprovinz Jiangsu wollen bis Mitte Juni die Produktion wieder voll hochfahren.
Regelmäßige Corona-Tests werden weiter zum Alltag gehören, auch Abstandsregeln. Kindergärten, Volks- und Mittelschulen bleiben in Schanghai geschlossen. Geschäfte müssen die Zahl der Kunden auf 75 Prozent der maximalen Kapazität beschränken. Vor der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder auch beim Zutritt zu Geschäften oder Einkaufszentren in der Hafenstadt muss mit einem Code auf dem Handy ein negativer Test innerhalb der letzten 72 Stunden nachgewiesen werden.
Regeln bleiben auch in Peking erhalten
Ähnliche Regeln gelten auch in Peking, wo meist ein negativer Test in den vergangenen 48 Stunden nachgewiesen werden muss. Die 21 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt, die eher einen Soft-Lockdown verfolgt hatte, hob im größten Stadtteil Chaoyang sowie in Daxing die Homeoffice-Pflicht auf und erlaubte zunächst Geschäften, wieder zu öffnen. Restaurants blieben geschlossen. Am Dienstag wurden in Peking 14 neue Corona-Fälle bekannt.
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