Wenn schon Aufstehen anstrengend ist: Unter Symptomen wie Erschöpfung leiden Menschen, die nach einer Corona-Infektion an Long Covid erkrankt sind. Über die Krankheit ist immer noch sehr wenig bekannt, die Diagnose ist schwierig. Wie viele Fälle es in Österreich tatsächlich gibt, ist aber schwer festzustellen. Dokumentiert sind bisher 15.000 Krankenstände, es dürften aber viel mehr Fälle sein. Ärzte sollen nun Instrumente bekommen, die den Behandlungsweg erleichtern.
„Information über diese neuartige Erkrankung ist der Schlüssel“, erklärte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Mittwoch vor Journalisten. Ein neues Web-Tool soll daher Hausärzten, die die erste Anlaufstelle für Betroffene sind, unterstützen und ihnen die Diagnose erleichtern. Denn „die Forschungslage ist im Wachsen begriffen, aber dürftig“, so Minister Rauch. Bisher wisse man, dass etwa drei bis fünf Prozent der Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren, auch unter Long Covid leiden. Es könnten aber bis zu 40 Prozent sein, eine „alarmierende Zahl“. Das Phänomen werde daher auch in die Planung für den erwarteten Corona-Herbst einfließen. Man komme jetzt darauf, dass „wesentlich mehr dahintersteckt“ erklärte er.
Ein generelles Problem bei Long Covid ist, dass die Abgrenzung zu anderen Krankheiten schwierig ist. Daher sei das Krankheitsbild „unglaublich vage“, erklärte Susanne Rabady von der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems. Long Covid äußert sich sehr unterschiedlich, etwa durch Müdigkeit und Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Muskelschmerzen, Schlafstörungen, aber auch psychische Beschwerden wie Depressionen.
Es geht nicht, dass Menschen, die etwa am Erschöpfungssysndrom leiden, im Kreis geschickt werden.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)
„Überforderung bei Ärzten verhindern“
Diese Symptome sind aber mehrdeutig, können also auch andere Ursachen haben. So kann Müdigkeit etwa ein Zeichen von Diabetes sein, führte Rabady ein Beispiel an. Die Symptome sollen daher sorgfältig beim Hausarzt abgeklärt werden. Weil Long Covid noch immer ein schlecht erforschtes Phänomen ist, soll das vom Gesundheitsministerium geförderte Tool helfen. Es soll „Überforderung im hausärztlichen Bereich verhindern“, so Johannes Steinhart, designierter Ärztekammer-Präsident. Die Website richtet sich in erster Linie an die behandelnden Ärzte, stellt aber auch zusätzliche Informationen, etwa zu Arbeitsrecht, gebündelt zur Verfügung. Das soll auch Unternehmern zugutekommen.
Für Patienten sei wichtig, dass man sie „nicht unnötig in der Gegend herumschickt“, betonte Rabady, sie warnte daher vor Überdiagnostik, etwa weil Hausärzte ihre Patienten weiter zu Fachkollegen verweisen. „Unser System muss lernen, mit Long-Covid-Betroffenen umzugehen“, sagte dazu Minister Rauch. Wenn Menschen im Kreis geschickt würden, führe das zu „nachvollziehbarem Frust“.
Individuelle Therapie wichtig
Sobald man andere Krankheiten ausschließen könne und die Diagnose feststehe, müsse man die Therapie aufgrund der unterschiedlichen Symptome individuell ansetzen, betonte Rabady. So gebe es viele Long-Covid-Patienten, die auch nach langer Zeit keine Anzeichen von Erholung zeigen - manche leiden über ein Jahr an den Symptomen. Hier sei es problematisch, dass manche zu früh in den Arbeitsalltag zurückkehren würden. „Die vernichten sich, wenn sie sich überlasten“, warnte Rabady. Schwierig sei der lange Krankenstand wegen Long Covid in Familien, bei denen es finanziell knapp ist. Hier gebe es bei Arbeitsunfähigkeit oft das Gefühl: „Ich bin nichts wert“, erklärte die Ärztin.
Man wolle Patienten eine optimale Versorgung anbieten, gleichzeitig haben man „aber auch gesehen, dass das Gesundheitssystem bei Long Covid mit Schwierigkeiten zu kämpften hat“, so Johannes Steinhart von der Ärztekammer. So gebe es etwa durch die ganzheitliche Betreuung durch verschiedene Fachkräfte, etwa Orthopäden und Logopäden, Probleme bei der Verrechnung - denn in gewissen Bereichen ist noch gedeckelt, was die Krankenkasse übernimmt. Hier brauche es eine systematische Herangehensweise, betonte Steinhart.
„Braucht neue Formen der Finanzierung“
Gesundheitsminister Rauch deutete an, dass es bald mehr Geld für die Behandlung von Long Covid geben solle, ohne konkreter zu werden. Er verwies auf Gespräche mit den Sozialversicherungsträgern sowie den Bundesländern. „Es braucht neue Formen der Finanzierung. Wir haben Geld aufgewendet, um die Pandemie zu bewältigen und werden mehr Geld aufwenden müssen, um die Folgen zu bewältigen. Nur fortzuschreiben, was wir haben, wird nicht ausreichen“, bekräftigte er. Er sprach außerdem an, dass die von Experten kritisierte dürftige Datenlage zu Long Covid verbessert werden soll.
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