Schneedecke schmilzt

Klimawandel in Alpen bereits vom All aus sichtbar

Wissenschaft
02.06.2022 20:00

Schon länger steht fest, dass unsere Alpen wohl zu den größten betroffenen Regionen durch die Klimakrise gehören. Satellitenbilder zeigen nun, wie weit der Prozess schon fortgeschritten ist: 77 Prozent der Fläche des Alpenbogens über der Baumgrenze erscheinen darauf bereits grüner als noch im Jahr 1984. Insbesondere das Ausmaß des Ergrünens hat die Forscher dabei überrascht. Dazu kommt auch noch ein bereits messbares Minus bei der Schneebedeckung.

Sie habe sich zwar gedacht, „dass wir einen Effekt finden, aber dass er so deutlich und großflächig zutage tritt, hat sich glaube ich keiner von uns so erwartet“, so die an der Universität Basel tätige österreichische Ökologin Sabine Rumpf.

Höhere Temperaturen schlagen in die Berge durch
Eine durch den Klimawandel beförderte starke Vegetationszunahme ist bereits für arktische Regionen dokumentiert. Für Gebirge gab es bereits einige Studien, die den Effekt belegten, eine derart umfassende Analyse der gesamten von Frankreich bis nach Österreich reichenden Alpenregion gab es aber noch nicht, heißt es in einer Aussendung.

Die Satellitenbilder zeigen einen klaren Trend - die Alpen werden immer grüner. (Bild: AFP/JEAN-PIERRE CLATOT)
Die Satellitenbilder zeigen einen klaren Trend - die Alpen werden immer grüner.

Der bisherige Fokus bei Untersuchungen in unseren Breiten lag eher auf den Veränderungen in der Artenzusammensetzung und -vielfalt durch die in den Berggebieten stark durchschlagenden Temperaturerhöhungen.

Wandel geht vielen Arten zu schnell
Gerade dort sind viele Pflanzen besonders stark an die sich bietenden ökologischen Nischen im kargen Hochgebirge angepasst. Das macht viele anfällig, da sie mit Veränderungen der Umgebung nur schwer zurande kommen. Zudem geht vielen an die höchsten Gefilde des Hochgebirges angepassten Arten durch das Vorrücken des milderen Klimas der Platz zum Ausweichen weiter hinauf aus. „Die einzigartige Artenvielfalt der Alpen steht also unter hohem Druck“, so Rumpf.

Wie hoch dieser ist, hat die damals noch an der Universität Wien forschende Wissenschaftlerin im Jahr 2019 in einer Studie im Fachmagazin „Nature Communications“ gezeigt. Demnach halten sich vor allem in hohen Lagen einige Arten noch, obwohl die Bedingungen für sie schon sehr ungünstig sind - sie stehen in der „Aussterbeschuld“, konstatierten die Wissenschaftler damals.

Österreich keine Ausnahme
In der nun im Fachblatt „Science“ erschienenen Arbeit zeigt sich, dass mittlerweile viele neue Gebiete bewachsen werden. Außerdem wird die Vegetation dichter und wächst höher, so die Auswertung der Satellitendaten. Den 77 Prozent Fläche mit einem Wachstumsplus steht weniger als ein Prozent der Alpen-Fläche oberhalb von 1700 Metern gegenüber, wo die Vegetation auf Rückzug ist. Diese Entwicklungen sehe man im gesamten Alpenbogen, der österreichische Teil steche hier weder im Positiven noch im Negativen heraus, so Rumpf.

Mehr Grün nicht zwangsläufig besser
Zwar kann durch ein Plus beim Pflanzenwachstum etwas mehr CO2 dort eingelagert werden, was dem Temperaturanstieg ein Stück weit entgegenwirkt. Die insgesamt negativen Effekte der Erwärmung im Alpenraum lassen sich damit aber nicht ausgleichen.

Weniger Schnee doppelt ungünstig
Abseits von Gletschern erschien zudem die Schneefläche oberhalb der Baumgrenze in der Studie dagegen gegenüber 1984 deutlich weniger verändert. Auf knapp zehn Prozent der untersuchten Fläche nahm die Schneedecke deutlich ab. Das sei trotz allem besorgniserregend und passe zu vielen Beobachtungen, denen zufolge die Schneefläche in tieferen Alpen-Lagen vielfach abnimmt bzw. ganz verschwunden ist.

Wenn insgesamt über den Jahresverlauf hinweg länger schneefreie Flächen zunehmen, sei das für die Klimaentwicklung doppelt ungünstig. „Eine grünere Bergwelt reflektiert weniger Sonnenlicht und führt somit zu einer weiteren Klimaerwärmung - und daher zum weiteren Schwinden reflektierender Schneeflächen“, so Rumpf. Diese Entwicklungen bringen das alpine System durcheinander, was die Wahrscheinlichkeiten von Bergrutschungen und Murenabgängen erhöhe und die von Schnee und Eis in hohen Lagen abhängige Trinkwasserversorgung oder den Tourismus negativ beeinflusse.

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