Harte Regierungskritik

Rechnungshof ortet Versagen im ersten Corona-Jahr

Politik
03.06.2022 12:52

Der Rechnungshof übt heftige Kritik am Management der Corona-Pandemie durch die Behörden im ersten Jahr der Pandemie. Faktisch stellt der am Freitag veröffentlichte Bericht ein Versagen fest: „Der Bund hatte die im Pandemiefall notwendigen organisatorischen Strukturen und personellen Grundvoraussetzungen nicht sichergestellt“, heißt es darin. Kritisiert werden Doppelgleisigkeiten, unkoordiniertes Handeln zwischen Bund und Ländern und viel zu späte Postenbesetzungen. Gefordert wird ein neuer Pandemieplan, um für künftige Seuchen gerüstet zu sein.

Zusammenfassend hält der Rechnungshof (RH) fest, „dass die Herausforderungen des Krisenmanagements in der COVID-19-Pandemie bislang ungelöst waren.“ Man habe die seit Ausbruch der Pandemie gemachten Erfahrungen zu wenig genutzt, um aus Fehlern zu lernen, heißt es sinngemäß in dem Bericht.

Theoretisch sei das Pandemiemanagement klar geregelt, erläutern die Prüfer: Der Gesundheitsminister habe bundesweit zu koordinieren, die Landeshauptleute sind für den Vollzug der Verordnungen und Weisungen des Ministeriums durch die Bezirksverwaltungsbehörden verantwortlich. „Dennoch blieb zwischen Bund und Ländern im laufenden Krisenmanagement oftmals unklar, wer wofür verantwortlich war, wer in der Praxis welche Entscheidungen zu treffen und wer diese umzusetzen hatte. Deshalb kam es auch zu Doppelgleisigkeiten“, kritisiert der RH.

Weil Maßnahmen wie Lockdowns zu spät verkündet wurden, hätten sie länger dauern müssen, bemängelt der Rechnungshofbericht. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Weil Maßnahmen wie Lockdowns zu spät verkündet wurden, hätten sie länger dauern müssen, bemängelt der Rechnungshofbericht.

Wegen Wirrwarr Entscheidungen verzögert
So gab es das Epidemiologische Meldesystem (EMS) des Bundes, die Länder führten aber ein eigenes System ein, um Infektionen zu erfassen. Dadurch seien Entscheidungen „häufig verzögert getroffen“ worden, was dann härtere Maßnahmen nötig gemacht habe, die auch länger dauern mussten, „um die erforderliche Schutzwirkung zu entfalten“, heißt es im Bericht zu den georteten Doppelgleisigkeiten. 

Zu „unkoordiniertem Handeln“ kam es laut Rechnungshof aber auch zwischen dem grün-geführten Gesundheitsministerium und dem von der ÖVP besetzten Innenministerium. Obwohl für das Pandemiemanagement ausschließlich der Gesundheitsminister und sein Krisenstab zuständig waren, erhob auch das Innenministerium gemeinsam mit den Ländern täglich die Zahlen zur pandemischen Lage. Die vom Innenministerium veröffentlichten Kennzahlen wichen jedoch von jenen des Gesundheitsministeriums ab. Das habe das Handeln der Behörden erschwert und die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen untergraben, lautet eine weitere Kritik.

Dem seit März amtierenden Gesundheitsminister Johannes Rauch empfiehlt der Rechnungshof, seine Führungsrolle stärker wahrzunehmen. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Dem seit März amtierenden Gesundheitsminister Johannes Rauch empfiehlt der Rechnungshof, seine Führungsrolle stärker wahrzunehmen.

Gesundheitsminister soll aktiver leiten
Der Rechnungshof empfiehlt, den Schutz der öffentlichen Gesundheit bundeseinheitlich zu gewährleisten. Der Gesundheitsminister müsse dafür seine Rolle aktiv wahrnehmen und Maßnahmen wie Impfungen und Tests stärker koordinieren. „Bei mangelnder Wirksamkeit der Maßnahmen sollte der Gesundheitsminister eingreifen und gegensteuern“, heißt es im Bericht.

Kritisch merkt der Rechnungshof auch an, dass zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Pandemie nur ein veralteter nationaler Pandemieplan vorhanden war und empfiehlt, aus den bisherigen Erfahrungen der Corona-Pandemie einen neuen Plan zu entwickeln. Damit sollten im Fall einer neuen Pandemie Gesundheitsbehörden, Krankenversicherungen und Spitäler besser zusammenarbeiten können. Außerdem wird dem Gesundheitsministerium empfohlen, das Epidemiegesetz zu modernisieren, damit die Zusammenarbeit der Behörden klarer geregelt wird. 

Als Problem machen die Prüfer auch aus, dass wesentliche Schlüsselfunktionen unbesetzt waren. So wurde der unter Türkis-Blau abgeschaffte Posten der Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit erst Ende 2020 nachbesetzt. Der Oberste Sanitätsrat wurde erst im März 2021 neu bestellt. Zusätzlich zum Personalmangel in wichtigen Fachabteilungen habe das die Handlungsfähigkeit des Gesundheitsministeriums eingeschränkt, so der Rechnungshof.

Opposition fühlt sich bestätigt
Die FPÖ fühlte sich angesichts des Berichts in ihrer Kritik an der Regierung bestätigt. Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak befürchtet in einer Aussendung aber, dass die Regierung diesen Bericht ignorieren werde und die „Wurschtelei mit sinnlosen und bürgerfeindlichen Maßnahmen“ weitergehen werde. 
Auch die NEOS sehen ihre Kritik am Pandemiemanagement im Bericht widergespiegelt. Die Koalition aus ÖVP und Grünen seien „von Beginn an mehr blind als sehend durch die Pandemie gestolpert“, so Pandemiesprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. Er forderte die Regierung auf, die Kritik des Rechnungshofs ernst zu nehmen, um in Zukunft besser vorbereitet zu sein.

Angesichts der deutlichen Kritik im Bericht gelobt Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) Besserung. „Wir nehmen die Kritik des Rechnungshofs ernst, der Bericht wird uns wertvollen Input liefern, um unsere Strukturen und Prozesse weiter zu verbessern“, erklärte er in einem Statement. Einige Schwachstellen sieht das Gesundheitsministerium allerdings bereits behoben. So habe man die Abstimmung zwischen Bund und Ländern intensiviert, auch sei Personal aufgestockt worden.

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