Militärhistoriker:
Putin wird bald eine Feuerpause anbieten
Der Militärhistoriker Phillips O‘Brien ist überzeugt, dass Russland bald eine Feuerpause verkünden wird. Der Schotte, den die Kämpfe zwischen der russischen und ukrainischen Armee teilweise an den Panzerkrieg im Ersten Weltkrieg erinnern, bei dem Offensiven nur sehr langsam vorangekommen waren, glaubt, dass der Kreml nun möglichst viele Gebiete noch im Osten der Ukraine besetzen möchte. Anschließend werde Präsident Wladimir Putin einen „Sieg im Donbass“ verkünden, prophezeite der 58-Jährige im Gespräch mit der Schweizer „Sonntagszeitung“.
Allgemein könne man beobachten, dass die Kampftätigkeit der Ukraine nachlasse und die Verluste auf der russischen Seite keinen langen Krieg mehr zuließen. Die These des Schotten: Sollten aus Sicht Moskaus ausreichend Geländegewinne im Osten erreicht worden sein, könnte man die Kampfhandlungen beenden, Friedensverhandlungen wieder aufnehmen und so möglicherweise einige Sanktionen des Westens wieder loswerden.
Allerdings weigert sich die Führung in Kiew, Gebietsverluste nach dem Einmarsch am 24. Februar dieses Jahres auch nur im Entferntesten zu akzeptieren. Also würde wohl eine Feuerpause von Präsident Wolodymyr Selenskyj und seiner Regierung nicht akzeptiert. „Die Ukrainer würden ja 20 Prozent ihres Landes verlieren“, so O‘Brien.
Russische Pässe verteilt: Angst vor Annexion
Knapp 60 Prozent der südostukrainischen Region seien seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar inzwischen von Moskaus Truppen besetzt worden, hat der Militärgouverneur des Gebiets Saporischschja, Olexander Staruch, am Sonntag bei dem Gespräch mit Präsident Selenskyj in der Großstadt Saporischschja bekannt gegeben. Der ukrainische Staatschef hatte zuletzt immer wieder schwere Waffen vom Westen gefordert, um nicht nur den russischen Vormarsch aufzuhalten, sondern auch besetzte Gebiete zurückzuerobern. Zum Ärger der ukrainischen Führung hatte Moskau außerdem damit begonnen, in der Region Saporischschja russische Pässe zu verteilen.
Nach Angaben der Regionalverwaltung brachte die ukrainische Armee unterdessen die Hälfte der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk im Osten des Landes wieder unter ihre Kontrolle. Die Streitkräfte hätten die Hälfte der Industriestadt „von russischen Truppen gesäubert“, teilte der ukrainische Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, am Sonntag in Internetbotschaften mit. Allerdings werde für die kommenden Tage ein größerer russischer Gegenangriff erwartet. Nachdem sie durch eine russische Offensive auf die Stadt zurückgedrängt worden waren, hatten die ukrainischen Truppen dort in den vergangenen Wochen stetig an Boden zurückgewonnen.
Das Ziel Moskaus
Sjewjerodonezk ist die letzte größere Stadt der Region Luhansk, die Russland noch nicht erobert hat. Erklärtes Ziel der russischen Streitkräfte ist es, die gesamte Donbass-Region, zu der noch die Region Donezk gehört, einzunehmen. Teile des Donbass wurden seit 2014 bereits von pro-russischen Separatisten kontrolliert.
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