Seit Jahresbeginn wurden in Österreich etwa 16.000 Asylanträge gestellt. Das ist mehr als in den Jahren 2018 bis 2020. Für Laura Sachslehner, Generalsekretärin der ÖVP, ist das „ein Warnsignal, dass wir wachsam sein müssen“. Auf Twitter schrieb sie, dass Österreich unter den vielen Asylanträgen leiden würde und erntete dafür selbst vom eigenen Koalitionspartner Kritik.
Wie berichtet, stellen Menschen aus Afghanistan und Syrien die meisten Anträge. Flüchtlinge aus der Ukraine sind derzeit nur auf dem achten Platz, was als Hinweis dafür gewertet wird, dass die meisten von ihnen auf eine Rückkehr hoffen. Laut Laura Sachslehner, Generalsekretärin der ÖVP, muss zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen auch unterschieden werden. Die EU dürfe sich von der notwendigen Nachbarschaftshilfe für die Ukraine nicht dazu verleiten lassen, die Grenzen für alle Migranten zu öffnen.
Es brauche einen effektiven Schutz der Außengrenzen. „An den EU-Außengrenzen sind lückenlose Kontrollen notwendig. Das heißt auch, dass Frontex weiter konsequent seine Arbeit machen muss, denn eine starke Grenzschutzagentur ist heute notwendiger denn je. Das zeigt die Zahl der illegalen Grenzübertritte, die einen deutlichen Anstieg verzeichnen“, sagte Sachslehner am Sonntag in einer Aussendung. Auch der Kampf gegen Schlepperei müsse konsequent geführt werden.
Vorwurf von Rassismus
Kritik erntete die 27-Jährige aber vor allem aufgrund ihres Postings, dass Österreich „an der pro Kopf zweithöchsten Belastung durch Asylanträge in der EU“ leiden würde. Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen, wirft ihr etwa „rassistische Polemik“ vor. Die Wiener Gemeinderätin Viktoria Spielmann (Grüne) meint, dass Sachslehner selbst eine Belastung in Österreich wäre.
Kritik hagelte es zudem von der ehemaligen Reporterin und Lebensgefährtin des ehemaligen Gesundheitsministers Rudi Anschober, Petra Ramsauer, und Daniel Landau, der im Bildungsbereich aktiv ist. Auch Kunstschaffende wie die Linzer Hip-Hop Band Texta und Stimmen aus der Bevölkerung zeigten sich mit Sachslehners Aussage alles andere als einverstanden. Ramsauer verlangte etwa eine Definition von „leiden“, Texta erinnerten an Kriege in Syrien und Afghanistan, nachdem Sachslehner diese Menschen als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet hatte.
Der ÖVP-Generalsekretärin folgen mehr als 5000 Personen auf Twitter. Erst kürzlich schrieb sie dort, dass der Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft nicht vereinfacht werden dürfe. Zuwanderer und Zuwanderinnen müssten sich zuvor etwa in Österreich integrieren und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Nur hier zu leben, könne nicht reichen.
„Krone“-Kommentar: Wer leidet?
Die „Frau fürs Grobe“ macht ihrem Ruf wieder einmal alle Ehre: ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner meint zu den 16.000 Asylansuchen, die heuer bereits gestellt wurden, dass Österreich darunter „leide“. Sachslehner ist jene Politikerin, der es niemals die Sprache verschlägt. Die 27-Jährige kann über praktisch jedes Stichwort ohne Punkt und Komma reden. Als ich ihr zuletzt im „Club 3“ zuhörte, war ich sprachlos. Und jetzt bin ich es wieder.
Denn so wie Vizekanzler Werner Kogler mit seinem Sager, die Medien würden beim Thema Teuerung „eine Hysterie anzünden“, nicht die nötige Sensibilität an den Tag legte, vergreift sich auch Sachslehner bei der Asyldebatte im Ton.
Leiden. Was für ein starkes Wort. Hunderte Millionen Menschen leiden an Hunger. Kinder leiden, wenn Eltern nicht für sie da sind. Patienten leiden an schweren Krankheiten. Flüchtlinge aus der Ukraine leiden, wenn sie ihre Heimat verlassen müssen. Aber wer leidet, wenn 16.000 Asylwerber in Österreich einen Antrag stellen? Die Fluchtbewegungen im Zuge von Kriegen und Klimakrise bringen Staaten und Gesellschaften immer wieder an den Rand ihrer Kapazitäten. Aber deswegen leidet niemand - außer die Ärmsten der Armen, die gar nicht flüchten können.
Klar und doch mit der nötigen Sensibilität hat Caritas-Direktor Michael Landau die Situation im „Krone“-Pfingstinterview zusammengefasst: „Es ist genug für alle da. Wir werden nur teilen müssen.“
Teilen, nicht leiden.
Conny Bischofberger
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