Für Anbieter von Raten- und Finanzkaufverträgen im Internet könnten angesichts steigender Zinsen, weniger Konsumausgaben und schärferer Kreditbedingungen schwere Zeiten anbrechen. Das Modell „Kauf jetzt, zahl später“ (BNPL) erwies sich während der Covid-Krise als beliebt vor allem unter jungen Verbrauchern beim Online-Shoppen. Allein im vergangenen Jahr entfielen laut GlobalData im Online-Handel von je hundert ausgegebenen Dollar etwa zwei Dollar auf BNPL-Transaktionen.
Doch der Goldrausch in der Branche könnte zu Ende gehen. Denn höhere Zinsen und sich stärker zurückhaltende Verbraucher treiben die Finanzierungskosten von BNPL-Unternehmen hoch. „Im Augenblick herrscht mehr Vorsicht und es gibt weniger Interesse seitens Investoren an BNPL-Firmen wegen der finanziellen Risiken, die auftreten könnten, wenn wir uns in einer Phase der Konjunkturabschwächung oder in einer möglichen Rezession befinden“, meint etwa Bryan Keane, Zahlungsverkehr-Analyst bei der Deutschen Bank.
Klarna kündigte 700 Mitarbeiter
Die schwedische BNPL-Firma Klarna, eines der Flaggschiffe der Branche in Europa, deren Wert vor einem Jahr nach einer Finanzierungsrunde auf 46 Milliarden US-Dollar (42,8 Milliarden Euro) taxiert wurde, kündigte kürzlich 700 Mitarbeiter, immerhin zehn Prozent der Belegschaft. Als Gründe nannte Klarna unter anderem eine veränderte Verbraucherstimmung, die Inflation und den Krieg in der Ukraine.
Die meisten Anbieter von ‘Jetzt kaufen, später bezahlen‘-Lösungen haben keinen Zugang zu Einlagen, sie sind im Allgemeinen keine Finanzinstitute.
Jordan McKee, Analyst bei 451 Research
Für kleinere Firmen, darunter viele noch junge Start-ups, wird der Zugang zu Finanzmitteln möglicherweise schwerer. „Die meisten Anbieter von ‘Jetzt kaufen, später bezahlen‘-Lösungen haben keinen Zugang zu Einlagen, sie sind im Allgemeinen keine Finanzinstitute“, sagt etwa Jordan McKee, leitender Analyst bei 451 Research. Es gebe zwar Ausnahmen. Doch generell müssten sie diese Mittel selbst aufnehmen, um sie zu verleihen. Da jetzt aber die mit der Kreditaufnahme verbundenen Zinssätze stiegen, werde das Geschäft für sie teurer. „Und das drückt auf ihre Margen“, meint McKee.
Branche erlebte enormes Wachstum
Laut GlobalData haben BNPL-Firmen in den vergangenen Jahren eines der am schnellsten wachsenden Segmente in der Konsumfinanzierung geschaffen. 2021 kam die Branche auf ein Transaktionsvolumen von 120 Milliarden US-Dollar. Vor der Pandemie im Jahr 2019 waren es lediglich 33 Milliarden US-Dollar gewesen. Begünstigt wurde das Geschäftsmodell durch das lange Zeit sehr niedrige Zinsumfeld. Dies ermöglichte es BNPL-Firmen, sich zu relativ niedrigen Kosten Kapital zu beschaffen und Kunden im Internet auf Online-Shopping-Seiten Point-of-Sale-Darlehen anzubieten. Verbraucher bezahlen ihre Einkäufe dann in Raten über einen gewissen Zeitraum und in der Regel zinsfrei. BNPL-Unternehmen berechnen den Online-Händlern Gebühren für jede Transaktion. Laut 451 Research gibt es derzeit weltweit mehr als 100 BNPL-Unternehmen.
Apple-Einstieg wird Konkurrenzdruck verschärfen
Die jüngste Ankündigung von Apple, einen eigenen Ratenzahlungsdienst aufzusetzen, dürfte den Wettbewerb weiter verschärfen. Die Aktienkurse von börsennotierten BNPL-Unternehmen kamen nach der Ankündigung unter Druck. Kurseinbußen verzeichneten unter anderem der US-Branchenprimus Affirm Holdings und der US-Wettbewerber Block. Aber auch Aktienkurse australischen Firmen wie Zip und Sezzle mussten Federn lassen. Die Branche taucht zudem auch immer mehr auf dem Radar der Aufsichtsbehörden auf. So hat etwa das britische Finanzministerium Konsultationen dazu eingeleitet, wie BNPL-Firmen künftig reguliert werden sollten. Und in Australien drängen Mitglieder der Regierung darauf, BNPL-Anbieter über Kreditgesetze zu regulieren.
Kunden werden künftig genauer durchleuchtet
Tim Waterman, Handelsvorstand der britischen Start-Up-Firma Zopa, erwartet, dass künftige Vorschriften insbesondere strengere Kontrollen beinhalten werden, dass Kunden ihre Zahlungen auch leisten können. „Die Prüfungen werden für mehr Reibung im Kundenerlebnis sorgen und potenziell für die Händler ausschlaggebend seien“, sagte er. Aktuell sei BNPL sehr effizient, aber das könne sich womöglich ein wenig ändern. Dem Deutsche-Bank-Analysten Keane zufolge werden Händler möglicherweise höhere Gebühren in Kauf nehmen, wenn BNPL-Firmen mehr Kunden auf ihre Webseiten bringen. Nach seiner Einschätzung wird dies vor allem große Unternehmen begünstigen. Keane rechnet mit mehr Übernahmen und Fusionen in der Branche. Andere Experten gehen außerdem davon aus, dass auch große Finanzinstitute an Übernahmegelegenheiten in der Branche interessiert sein könnten.
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