Träume in Trümmern

Zerstörte Schule als Mahnmal für russisches Fiasko

Ausland
12.06.2022 08:06

Immer wieder gibt es Stimmen, die über eine schlecht operierende und insbesondere falsch informierte russische Armee berichten. In der ostukrainischen Stadt Charkiw nahe der russischen Grenze kam es in den ersten Kriegstagen zu einem Vorfall, der genau dieses Narrativ bestätigt. Die heute komplett zerstörte Schule Nr. 134 dient als Mahnmal für das russische Militärfiasko in der mehrheitlich russischsprachigen Region.

Tausende Soldaten hatten sich vor dem 24. Februar nahe Belgorod versammelt, einer fast 400.000 Einwohner zählenden Stadt rund 70 Kilometer von Charkiw entfernt. Als der Krieg in der Früh des erwähnten Tages begann, marschierten die Russen Richtung Südwesten bis nach Charkiw.

Soldaten offenbar schlecht informiert
Dass sie dabei keineswegs wussten, in jene große Schlacht zu ziehen, die es infolge tatsächlich werden sollte, beweist die Geschichte hinter einem zerstörten Bildungsgebäude: Die Schule Nr. 134 trägt ihren wenig einfallsreichen Namen aus sowjetischer Tradition heraus, damals wurden oft einfach Zahlen statt scharfsinniger Namensgebungen eingesetzt. Die Schule selbst wurde 1936 gegründet, seit 1961 lag der Schwerpunkt am erweiterten Deutschunterricht, später wurde sie eine PASCH- und DSD-Schule.

Das weiß-gelbe Gebäude ist kaum mehr wiederzuerkennen, als Menschen aus der Nachbarschaft Fotos vom Vorjahr zeigen. Hunderte Löcher von Patronen und Granatsplittern sind in jener Fassade zu sehen, die noch nicht eingestürzt ist.

„Das wurde ihnen zu Hause so eingetrichtert“
Die Geschichte wird ringsum von Menschen in der Nachbarschaft gerne erzählt, weil sie sinnbildlich ist. Was geschah hier? Sechs russische Panzer kamen laut übereinstimmender Erzählung der Menschen hierher. Sie sollen jedoch nicht mit dem Plan gekommen sein, als blutrünstige Okkupanten einzumarschieren. Viel mehr glaubten sie, als Befreier zu kommen: „Das wurde ihnen zu Hause so eingetrichtert, sie saßen der eigenen russischen Propaganda auf. Dass sie hier zu größten Teilen unerwünscht sein würden, war ihnen nicht klar“, erzählt ein Mann mittleren Alters, der wenige hundert Meter entfernt wohnt.

Die Soldaten fragten nach Essen und angeblich sogar in der lokalen Polizeistation nach Treibstoff für die Panzer.

Soldaten waren nicht willkommen
Laut der stellvertretenden Schuldirektorin Lilia Dwernjuk begann alles am 27. Februar um 7.30 Uhr. „Die Russen hofften, mit Blumen empfangen zu werden.“ Das war jedoch nicht der Fall und so sprengten sie die Türe, verjagten die Wächterin und brachen ins Gebäude ein. Die rund 20 Soldaten verbarrikadierten sich im Inneren, bald begann der Angriff der ukrainischen Armee.

Dwernjuk schildert: „Um etwa 13.00 Uhr kam es zu heftigen Explosionen, weil die Schule mit Panzern und Granatwerfern beschossen wurde, schließlich kam es zu einem Großbrand.“ Die Feuerwehr hätte nicht eingreifen können, da die Schlacht weiter andauerte und die Russen bis zum letzten Soldaten zurückschlugen.

Gegend immer noch Hochrisikogebiet
Das Ergebnis sieht man in den Ruinen. Ein Windstoß treibt den Stiefel eines russischen Soldaten auf die Laufbahn, an der früher Kinder ihre körperliche Leistungsfähigkeit unter Beweis stellten. Immer wieder sieht man noch persönliche Gegenstände der Toten. Die „Aufräumarbeiten“ konnten hier nicht so sorgfältig durchgeführt werden, wie in anderen Regionen. Die Gegend zählt noch immer als Hochrisikogebiet.

Krieg lässt Zukunftsträume zerplatzen
Nicht der einzige Umstand, der die Vizedirektorin wehmütig macht: „Hier lernten mehr als 600 Schülerinnen und Schüler unter 54 Lehrkräften, zwölf davon waren Deutschlehrer. Unsere Lernenden machten Prüfungen fürs Deutsches Sprachdiplom, studierten erfolgreich in der Ukraine und im Ausland - viele unserer Absolventen arbeiten erfolgreich in Deutschland und Österreich.“

An der Fassade des Gebäudes konnte man vor der Schlacht den Spruch „Erfolg im Lernen - Erfolg im Leben“ lesen. „Und das war wirklich so, bis die russische Welt in die Ukraine kam und unsere Schule zerstört“, seufzt Dwernjuk.

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