Jeder Smartphone-Nutzer kennt das Phänomen: Nach einigen Jahren täglicher Nutzung verhilft der Akku dem Gerät nicht mehr zu so langen Laufzeiten wie zu Beginn, er verschleißt mit der Zeit. Das muss allerdings nicht sein: Forscher arbeiten an Akkus, die bei einer Lebensdauer von 100 Jahren bloß 20 Prozent Leistung verlieren sollen. Schlüssel dazu ist ein tieferes Verständnis der chemischen Prozesse im Inneren.
Das berichtet das IT-Portal Golem.de in einer Analyse zum Thema Akku-Lebensdauer. Dabei bezieht man sich auf Forschungen des Akku-Pioniers Jeff Dahn, der seit Ende der Siebziger zum Thema forscht und unter anderem den Elektroauto-Pionier Tesla berät. Dahn hat in jahrelanger Arbeit Faktoren identifiziert, die kritisch für die Lebensdauer von Akkus sind. Diese umfassen unter anderem die genutzten Materialien, die Energiedichte, die Umgebungstemperatur und die Ladeleistung.
Erklärvideo: Aufbau und Funktionsweise von Lithium-Ionen-Akkus
In jahrelangen Testreihen hat Dahn die Stabilität verschiedener Werkstoffe erforscht. Bereits 2019 hat er einen Material-Mix namens NMC532 (50 Prozent Nickel, 30 Prozent Mangan, 20 Prozent Kobalt) erprobt, der zwar rohstoffintensiver ist als heutige, als besonders stabil geltende Lithium-Eisenphosphat-Akkus (LFP), aber auch langlebiger. Dahns NMC532-Akku eignet sich durch den hohen Materialeinsatz zwar weniger für Elektroautos oder Handy-Akkus, könnte aber beispielsweise bei stationären Strom-Zwischenspeichern Einsatz finden.
Weniger Ladespannung, höhere Lebensdauer
Wie lang ein Akku tatsächlich hält, hängt neben den genutzten Materialien auch von der Spannung ab: Je höher die Ladespannung, desto mehr Lithium wird beim Aufladen aus der Kathode entfernt, wodurch die Lebensdauer sinkt. Also experimentierten Dahn und sein Team mit einer niedrigeren Ladespannung von 3,8 statt der gängigen 4,2 Volt - und erzielten gute Ergebnisse. Diese hofft man, nun auch mit weniger ressourcenintensiven Kathodenmaterialien zu erzielen.
Entscheidend für die Lebensdauer des Akkus ist auch der Aufbau der Kathode: NMC-Kathoden bilden Schichten, zwischen denen das Lithium eingeschlossen ist. Bei zu hoher Ladespannung wird das Material instabiler, das Lithium wird nach und nach aus den Zwischenräumen entfernt. Frei werdende Metallionen können dabei Schäden am Akku anrichten, unter denen die Lebensdauer leidet. Das Problem kann aber vermieden werden, indem die Ladespannung gering gehalten wird und bereits bei der Fertigung auf eine hohe Stabilität der NMC-Kathodenschichten geachtet wird.
Alternative Elektrolyte, kleinere Anoden
Auch bei den übrigen Akku-Bestandteilen - Elektrolyt und Anode - hat Dahn vielversprechende Experimente durchgeführt. So sind bei niedrigerer Ladeleistung kleinere Anoden möglich, auch die Elektrolytmenge kann reduziert werden - und damit sinkt die Gefahr unerwünschter chemischer Nebenreaktionen im Akku, unter denen die Lebensdauer leidet. Testweise ersetzte der Forscher das normalerweise als Elektrolyt genutzte Lithiumfluorophosphat durch einen Lithium-Alternativstoff, der höhere Temperaturen verträgt und damit mehr Lebensdauer verspricht.
Generell ist die Lagerungs- und Betriebstemperatur ein entscheidender Faktor: Je höher die Temperatur, umso schneller laufen die chemischen Vorgänge im Akku ab. 10 Grad Celsius mehr bedeuten eine verdoppelte Reaktionsgeschwindigkeit, was Nebenreaktionen begünstigt und die Lebensdauer senkt.
Dahns Experimenten zufolge sind unter idealen Bedingungen und bei 10 Grad Betriebstemperatur schon mit Lithium-Eisenphosphat-Akkus 100 Jahre lang tägliche Lade- und Entladevorgänge möglich. Bei Zimmertemperatur von 20 Grad sind es nur noch 30 Jahre. Mit dem NMC532-Materialmix und niedriger Ladespannung von 3,65 Volt wären unter diesen Bedingungen laut Dahn sogar 1000 bis 10.000 Jahre Lebensdauer möglich.
Zu schnelles Laden kann Lithiumabfälle erzeugen
Ein wichtiger Faktor ist auch das Ladeverhalten: Wird ein Akku - bei Smartphones mit Schnellladegerät üblich - mit sehr hoher Geschwindigkeit geladen, können Lithium-Abfälle entstehen, die als unlösliche Salze im Akku verbleiben, ohne dass sie zur Stromerzeugung genutzt werden könnten. Zu schnelles Laden sollte also unbedingt vermieden werden, will man den Akku möglichst lang verwenden.
Interessant ist Dahns Forschung nicht nur, um die Langlebigkeit von Akkus unter Idealbedingungen zu steigern, sondern auch, wenn die Stromlieferanten unter Extrembedingungen zum Einsatz kommen: Ein Akku, der bei Temperaturen von 50 Grad Celsius betrieben wird, kann binnen Monaten zum Austauschkandidaten werden. Mit entsprechenden Optimierungen könnte die Betriebsdauer aber auch auf über ein Jahrzehnt gesteigert werden.
Doch die Forschung ist langwierig: Dahn testet mittlerweile, ob die Langlebigkeit seiner neuen Materialien vielleicht gar nicht an der Kathode selbst liegt. Sie könnte auch mit bisher nicht erforschten Nebenreaktionen in der Anode zusammenhängen, was die Kombination mit weniger rohstoffintensiven Materialien erlauben würde. Ob dem so ist, wird aber wohl erst in einigen Jahren feststehen - Versuchsreihen zur Langlebigkeit von Akkus dauern naturgemäß Jahre.
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