Meer verseucht

China schwieg Ölkatastrophe über Wochen hinweg tot

Ausland
19.07.2011 13:16
Der Umgang mit einer Ölkatastrophe in der Bohai-Bucht am Gelben Meer hat in China einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Betreiber des großen Offshore-Ölfelds, sondern auch gegen zaudernde Aufsichtsorgane. Die staatliche Ozean-Verwaltung SOA hatte wochenlang über die Lecks geschwiegen, die erst Anfang Juni via Internet-Blogs publik wurden. Aber auch danach kam die Wahrheit nur langsam ans Licht.

Erst als die Meereshüter zunehmend ins Kreuzfeuer gerieten, gingen sie in die Offensive und ordneten in der vergangenen Woche einen Förderstopp auf den zwei betroffenen Plattformen des Ölfelds Penglai 19-3 an. Angeprangert werden jetzt ConocoPhillips China, die chinesische Tochter des drittgrößten US-Ölunternehmens ConocoPhillips aus dem texanischen Houston, sowie seine Partner vom staatlichen chinesischen Ölkonzern China National Offshore Oil Corporation, CNOOC. Beide versichern, dass die Lecks inzwischen gestopft seien.

4.250 Quadratkilometer Meer verschmutzt
Erst sechs Wochen nach Entstehen des ersten Lecks am Grund der flachen Bucht an der nordostchinesischen Küste enthüllten die Behörden nun: Die Verschmutzung umfasst mit 4.250 Quadratkilometern eine etwa fünfmal größere Fläche als anfänglich mit 840 Quadratkilometern zugegeben. Weitere 3.400 Quadratkilometer seien in geringerem Maße verunreinigt, berichtete die Meeresbehörde. Chinesische Beobachter zogen Vergleiche zu der Ölkatastrophe von BP im vergangenen Jahr im Golf von Mexiko. Zudem wurde daran erinnert, wie im vergangenen Sommer das Ausmaß einer Ölkatastrophe an einer Pipeline nahe der Hafenstadt Dalian ebenfalls nicht offiziell mitgeteilt wurde.

Es waren chinesische Blogger, die die nunmehrigen Ölunfälle am 4. und 17. Juni via Internet publik machten. Erst am 5. Juli traten dann die Meeresverwalter von der SOA an die Öffentlichkeit. "Nicht akzeptabel", fand die vom kommunistischen Parteiorgan "Volkszeitung" herausgegebene englischsprachige Zeitung "Global Times" und schrieb: "Wir können nicht anders, als uns zu wundern. Ist die SOA eine ernst zu nehmende Aufsichtsbehörde, die größere Zwischenfälle verhindern soll, oder die liebende Mutter, die übermäßig ihre eigenen Kinder schützt?"

In Blogs im Internet zog ein Sturm der Entrüstung auf. Auch das benachbarte Südkorea, dessen Fischer das Gelbe Meer befahren, fühlte sich "im Dunkeln gelassen", wie seine Medien beklagten. Das Unglück werde heruntergespielt. "Chinas Schweigen über die Schäden durch die Öllecks schadet seiner Glaubwürdigkeit", befand das südkoreanische Blatt "Chonsun Ilbo".

"Ein weiteres Leck kann jederzeit auftreten"
Als der Druck zunahm, ging Chinas Meeresbehörde in Vorwärtsverteidigung über und nahm das Ölunternehmen ins Visier. "ConocoPhillips China hat es nicht geschafft, die Situation vollständig unter Kontrolle zu bringen. Seine Bemühungen, die Ursachen der Lecks zu finden und sie zu stopfen, waren langsam", begründete das Amt vergangene Woche den Förderstopp: "Ein weiteres Leck kann jederzeit auftreten, was eine enorme Gefahr für die Bohai-Bucht darstellt."

Elf chinesische Umweltorganisationen schrieben einen Brief an Aufsichtsgremien der Aktienmärkte in New York und Hongkong, wo ConocoPhillips und die CNOOC gelistet sind, und forderten eine Untersuchung. Angeblich wird eine Klage erwogen. Das US-Unternehmen bestreitet jede Vertuschung: "ConocoPhillips reagierte schnell auf beide Vorfälle." Eine umfassende Säuberung laufe. "Zuständige Behörden wurden umgehend unterrichtet, zusammen mit CNOOC."

31.000 Dollar Strafe für Milliarden-Ölkonzern
Kopfschütteln erntete in China auch die geringe Geldstrafe in Höhe von 200.000 Yuan, umgerechnet knapp über 31.000 Dollar, die gegen ConocoPhillips verhängt wurde. Es ist die höchste vom chinesischen Gesetz vorgesehene Strafe für solche Fälle - "minimal im Vergleich zu dem Schaden an der Umwelt", kommentierte die "China Daily" und beklagte: "Es ist dieses hohe Maß an Toleranz und die nachsichtige Bestrafung, die es so schwer machen, den Kampf zum Schutz der Umwelt in China zu gewinnen."

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