Rettungsinsel für eine bedrohte Spezies: Peter Praschag (47) hat mit Turtle Island in Graz die artenreichste und größte Schildkrötensammlung der Welt geschaffen. Nun kämpft der Steirer um mehr Anerkennung - und hat große Ausbaupläne.
„Zufrieden, hungrig, in Paarungsstimmung, gestresst“ - wenn Peter Praschag in seinem Glashaus im Süden von Graz durch die engen Gänge, gesäumt mit unzähligen Terrarien und Pools, schreitet, kann er im Vorbeigehen den Zustand eines jeden einzelnen seiner Schützlinge benennen.
Statt wie andere ein Röntgengerät oder aufwendige Untersuchungen dafür zu benötigen, benutzt der Zoologe seine Sinne. Und davon wurde bei dem 47-jährigen Steirer wohl einer mehr angelegt: „Ich bin mit Schildkröten aufgewachsen. Mein Vater Reiner hat bereits in den 1970er-Jahren sein ganzes Wissen und Geld in den Schutz und die Zucht dieser bedrohten Spezies investiert“, erzählt er.
Chinese bot eine halbe Million Euro für ein Tier
Was einst als kleines Liebhaber-Projekt begann, hat sich durch enorm viel persönlichen Einsatz zu einem Genpol der Sonderklasse entwickelt, der weltweit einzigartig ist und für den es international viel Anerkennung gibt: „Wir halten heute auf vier Standorten 2500 Schildkröten aus 230 Arten, darunter auch ganz seltene oder sogar in freier Wildbahn ausgestorbene Exemplare“, berichtet Praschag.
Erst kürzlich hat mir ein Chinese eine halbe Million Euro für eines meiner Tiere angeboten, aber bevor ich das mache, nage ich lieber am Hungertuch.
Peter Praschag
Viele der Schildkröten, die bis zu 200 Jahre alt werden können, sind unter teils haarsträubenden Umständen in der steirischen Arche Noah gestrandet: „Nur, weil wir einige der gefährdetsten Arten aus ihrem ursprünglichen Lebensraum entnommen haben, konnten sie überhaupt überleben.“ Beispiel: Eine Schildkröte namens Batagur baska. Dabei handelt es sich um eine der drei seltensten Arten der Welt.
Lebengefährliche Einsätze
Seit den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte man in ihrem Lebensraum (Indien, Bangladesch und Myanmar) kein lebendes Exemplar mehr gefunden. Nach dreijähriger intensiver Feldarbeit und nicht ungefährlichen Recherchen im illegalen Schildkrötenhandel ist es Vater und Sohn 2009 schließlich gelungen, die ersten drei Batagur-Schildkröten in einem Dorfteich im Süden von Bangladesch zu orten.
Man hatte sie dort als Glücksbringer für die Fischzucht eingesetzt. Nebenbei hatten die Schildkröten den Speiseplan bereichert, auch deren Eier gelten als Delikatessen. „Wir haben dem Besitzer alle Tiere abgekauft und in einem Schutzzentrum untergebracht“, erinnert sich der Mann.
Die jüngste Sensation gelang 2021: Zum ersten Mal überhaupt konnten die steirischen Artenschützer die Rotrückige Klappen-Weichschildkröte nachzüchten.
Traum vom öffentlichen Zoo
Das große Ziel von Turtle Island, so der Projektname: die in menschlicher Obhut gezüchteten Tiere wieder in ihren Ursprungsländern auszuwildern. „Dies kann aber nur mit gezielten Aufklärungskampagnen vor Ort sowie durch längerfristige finanzielle Unterstützung für die Nachzuchtstation in Graz gelingen“, sagt der Experte.
Wir bekommen international sehr viel Lob und Anerkennung, im eigenen Land werden uns jedoch nur Prügel zwischen die Beine geworfen. Statt ums Gestalten, geht es in Österreich anscheinend mehr ums Verhindern.
Peter Praschag
Um den Tieren bis dahin eine bessere Unterbringung bieten zu können, benötigt man Geld und Sponsoren, vor allem aber die Politik: „Seit 2019 sind wir Zoo der Kategorie A, trotzdem werden uns von den Behörden nur Prügel zwischen die Beine geworfen", hofft der Steirer auf die baldige Realisierung eines Tierparks nach Schönbrunner Vorbild, von dem auch die Öffentlichkeit etwas hat.
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