Die Wanderschuhe schnüren mit dem Wissen, dass man den ganzen Tag lang nichts anderes machen braucht, als einen Fuß vor den anderen zu setzen, und am nächsten Tag auch und an dem danach auch... das ist wohl Faszination Weitwandern. Schon lange träumte ich von der mehrtägigen Auszeit in der Natur. Nun ist es so weit! Heuer werde ich ein Teilstück des Alpe-Adria-Trails alleine erwandern. Hier könnt Ihr meine Abenteuer von Kärnten über Slowenien bis nach Muggia in Italien miterleben. Viel Spaß beim Lesen meiner Updates und ich freue mich auf den einen oder anderen Ratschlag, Tipp oder Like. Danke. Eure Diana.
„Laufen. Essen. Schlafen“ - das Buch der Bestseller-Autorin Christine Thürmer hat mich motiviert... einfach loszugehen. Im Takt der Natur und vor allem alleine. Schon bei der Vorstellung kribbelte es anfangs in meinem ganzen Körper. Nach einigen Touren war ich mir sicher: Ich will mehr davon! Es ist wohltuend sich im eigenen, selbstbestimmten Tempo zu bewegen und nicht wie im Alltag in einem oft vorgegebenen. Am 26. Juni starte ich meine erste Fernwanderung - rund 370 Kilometer am Alpe-Adria-Trail, vom Wörther See bis zum adriatischem Meer. Mein Ziel: glücklich am 12. Juli in Muggia im Golf von Triest anzukommen...
Tag 1 - Velden - Finkenstein, 21,5 Kilometer, bergauf: 637 m & bergab: 208 m, Übernachtung: Gasthof Ruinenstüberl
Alles im Fluss
Entlang der Drau - der größte Fluss Kärntens, auch Grand Dame genannt - weiter durch das „Türkei“-Tal (der Name erinnert an die Türkeneinfälle in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts) bis zum Faaker See und hinauf zur Burgarena Finkenstein. Die Etappe führt mich überwiegend durch besiedeltes Gebiet auf asphaltierten Straßenabschnitten.
Per Wasser-Taxi zum Genuss-Zwischenstopp
Und wenn sich bizarre Karawanken-Gipfel im türkisblauen Wasser spiegeln, dann ist man angekommen... am Faaker See, der „Karibik Kärntens“. Es ist eine echte Wohltat an einem heißen Sommertag dort eine Pause einzulegen - wer mag auch mit Insel-Atmosphäre. Persönlicher Tipp: Abstecher mit dem Wasser-Taxi (vom Inselweg, Überfahrt bei Konsumation gratis) zum Inselhotel Faaker See entschädigt für die schweißtreibende Tour. Frisch gestärkt geht es für mich am Festland weiter Richtung Finkenstein. Von Pogöriach hinauf bis zur Burgarena begleitete mich eine freundliche Seniorin mit ihrer Pudelhündin „Penja“.
Tag 2, Finkenstein nach Kranjska Gora, 21,5 Kilometer, bergauf: 1293 m & bergab: 1400 m, Übernachtung: Hotel Kompas
Am Grenzweg bis ins Save-Tal
Auf dieser Etappe verlässt der Alpe-Adria-Trail Österreich. Zwei Stunden nach meinem Aufbruch in Finkenstein erreichte ich den Jepzasattel (1438m) und somit die österreichisch-slowenische Grenze. Entlang des alten, schmalen Grenzweges hat man durchgehend einen wunderbaren Blick auf die Julischen Alpen und die Kärntner Seen. Höchster Punkt dieser Etappe ist der Schwarzkogel auf 1842 Höhenmeter. Ab hier ging es stetig bergab durch das Železnica- bis ins Save-Tal. Nach acht Stunden Gehzeit erreichte ich Kransjka Gora - das Tor zum Triglav Nationalpark.
Wasserspiele im Soča-Tal
Tag 3, Kranjska Gora nach Trenta, 20,5 Kilometer, bergauf: 918 m & bergab: 1100 m, Übernachtung: Eco tourist farm Pri Plajerju
Tag 4, Trenta nach Bovec, 21 Kilometer, bergauf: 325 m & bergab: 490 m, Übernachtung: Hotel Mangart
Über den Eselspfad zum Gipfel
Die Etappe an meinem dritten Tag an der Alpe-Adria-Trail wird im Tourenguide als „schwer“ beschrieben. Ich persönlich empfand sie im Nachhinein angenehmer als den zweiten Tag in der Mittagshitze über den Schwarzkogel. Vorsorglich startete ich jedenfalls die Tour Richtung Trenta kurz nach sieben Uhr morgens. Vorbei an den Seen von Jasna, hinein in den Triglav Nationalpark. Der Weg durch das größte Schutzgebiet Sloweniens führte mich entlang des Bergbaches Pisnica, zu der russischen Kapelle, die zur Erinnerung an ein Lawinenunglück im Jahre 1916 errichtet wurde und über den alten Eselspfad zum Gipfel des Vršič (1611 m).
Das Fenster und ein verwunschenes Mädchen
An der Aussichtsplattform des Vršič-Passes ist man vermutlich sehr selten alleine - ich war es auch nicht. Vor dort eröffnet sich der Blick auf die imposante Nordwand des 2547 m hohen Prisank und sein „Fenster“ - 80 Meter hoch und 40 Meter breit ist das gigantische Loch und zählt damit zu eines der größten und bekanntesten natürlichen Öffnungen Sloweniens. Neben dem „Fenster“ verfügt die Nordwand noch über eine weitere Besonderheit: Eine skurrile Felsformation, die einem menschlichen Gesicht ähnelt. Das „Heidnische Mädchen“ kann man gut von der Hütte Erjavčeva koča na Vršiču betrachten. Der Legende nach wurde sie zur Strafe für eine unerlaubte Prophezeiung von anderen Frauen in Stein verwandelt.
Bio-Bauernhof vom Feinsten
Vom Vršič-Pass führt der Weg bergab bis zur Quelle der Soča und entlang des Flusses bis nach Trenta. Am Bio-Bauernhof (Pri Plajerju) von Stanka und Marko durfte ich den Abend bei fantastischer Hausmannskost ausklingen lassen. Alles, was das Paar seinen Gästen serviert, wird von ihnen angebaut und produziert - von Gemüse bis zum Fleisch (Hofschlachtung). Erkenntnis: Auf einer Heumatratze lässt es sich wunderbar schlafen.
Manchmal wild, manchmal ganz sanft
Von der Quelle aus bahnt sich die Soča auf 140 Kilometern ihren Weg zum Golf von Triest, wo sie schließlich in das Meer mündet - damit haben wir etwas gemeinsam, denn auch mich sollte es hoffentlich am Ende des Trails dort ans „Land spülen“. Ihr Flusslauf ist von diversen Wasserfällen, Stromschnellen, engen Schluchten und zahlreichen Trögen geprägt. Besonders beeindruckend ist die blaugrüne Farbe, die von Aquamarin über Smaragd bis hin zu Türkis reicht. Am Tag 4 meiner Fernwanderung von Trenta nach Bovec waren nur wenige Touristen am „Sonnenfluss“ (aus dem altslowenischen Santja reka) unterwegs. Der Grund dafür dürfte das unbeständige Wetter und die Regenwarnung gewesen sein. Aber wie sagt man so schön: „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Kleidung“. Nach knapp sieben Stunden inklusive einer Mittagspause (bei Sonnenschein) am Ufer der Soča erreichte ich die Hochebene von Bovec.
Tag 5, Bovec nach Drežnica, 22,5 Kilometer, bergauf: 410 m, bergab: 336 m, Übernachtung: Jelkin Hram
Tosende Wasserfälle und pulsierender Adrenalinspiegel im Soča-Rhythmus
Meine heutige Etappe führte an zwei wunderschönen Wasserfällen vorbei. Von Bovec kommend erreichte ich nach etwa 90 Minuten den Virje-Wasserfall - der Bach Giljun fällt hier 20 Meter breit und zwölf Meter hoch zu Tal. Zwei Stunden später (direkt bei der Soča-Brücke) befindet sich der wasserreichste und imposanteste Wasserfall Sloweniens - der Boka, mit einer Gesamthöhe von 144 Metern und eine Breite von 18 Metern. Die angebliche Entstehungsgeschichte vom Boka-Wasserfall ist ein echter Kontrast zu seiner heutigen Schönheit (siehe Infokasten). Unterhalb des Boka-Wasserfalls beginnt entlang der Soča eine berühmte Rafting-Strecke, der ich am Land folgte.
Ein Bub und ein Mädchen, die im Walde Pilze pflückten, klopften hungrig an der Tür eines kleinen Häuschens, wo sie eine alte Frau erblickten, die ihnen Essen gab.
Doch war die gute alte Frau nicht so gütig, wie es ursprünglich den Anschein hatte. Der Bub erwischte sie dabei, wie sie vor ihrem Haus die Axt schliff und Pläne schmiedete, sie zu töten und aus ihnen einen Braten zuzubereiten.
Schnell lief er zurück ins Haus und erwartete die Alte mit einem Stock hinter dem Eingang, mit dem er kräftig auf sie einschlug und sie anschließend mit der Axt tötete, die ihr aus der Hand fiel.
Ihr Blut verwandelte sich in einen Wasserfall, der den Namen Boka erhielt.
Disney-Flussgeister und Relikte aus einer dunklen Zeit
Ich wanderte auch an der Stelle vorbei, die im zweiten Teil der bekannten Fantasy-Trilogie, „Die Chroniken von Narnia“, als Filmkulisse mit dem Flussgeist diente. Die Holzbrücke, die während des Finales von Prinz Kaspian eine Schlüsselrolle spielt, wurde über der Soča gebaut - dafür soll der Fluss von Landschaftsingenieuren zeitweise sogar umgeleitet worden sein. Diese Schlacht fand lediglich in der Disney-Produktion statt. Der Weg nach Drežnica hingegen ist voll mit Relikten aus einer dunklen Zeit: Die Berge rund ums Soča-Tal sind mit ehemaligen Bunkern, Verteidigungsstellungen, Schutz- und Kriegsgräben gespickt. Das mit Abstand traurigste Kapitel wurde hier während der 12 Isonzo-Schlachten während des 1. Weltkrieges geschrieben. Mehr als eine Million Todesopfer forderten die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Italien und Österreich-Ungarn zwischen 1915 und 1917. Während ich an den stummen Überbleibseln Richtung Drežnica wanderte, fragte ich mich, warum sich menschengemachte Katastrophen immer wiederholen? Die Geschichte selbst ist der Beweis dafür, dass die Menschheit nichts aus den Fehlern ihrer Vorfahren gelernt hat.
Tag 6, Drežnica nach Tolmin, 22,1 Kilometer, bergauf: 734 m, bergab:
1088 m, Übernachtung: Hotel Dvorec
Das Erbe der Isonzo-Front
Der sechste Tag entlang dem Alpe-Adria-Trail hätte mich ursprünglich über alte Militärpfade am Rande des Triglav Nationalparks nach Tolmin geführt. Ich habe meine Tour jedoch geändert und bin von Drežnica - nach einem späten Frühstück - um neun Uhr entlang des Julius Kugy Alpine-Trail Richtung Kobarid gewandert. Kobarid liegt idyllisch am Schnittpunkt vom Soča- zum Nadiza-Tal. Die heutige 4400 Einwohner-Kleinstadt mit dem Krn-Gebirge im Rücken, wurden stark vom Ersten Weltkrieg geprägt - beide waren Schauplätze der schwersten Gefechte der Isonzo-Front. Eine Anmerkung an dieser Stelle: Der Soča trägt in Italien den Namen Isonzo. Eine Dauerausstellung im Museum von Kobarid vermittelt eine Vorstellung von dem Elend, das die Soldaten ertragen mussten. Nach dem ergreifenden Besuch des Kriegsmuseums bin ich dem Juliana-Trail entlang der Soča gefolgt.
Tolmin für Überflieger
Der Juliana-Trail führte mich auf butterweichen Wiesenwegen, durch schattige Waldpassagen, über Weiden und dem aufgeheizten Asphalt bis zu der Schnittstelle mit dem Alpe-Adria-Trail. Nach Volarje war ich wieder an der Route mit der AAT-Kennzeichnung unterwegs. Etwa vier Kilometer vor Tolmin flogen mehrere bunte Gleitschirme über meinem Kopf hinweg und landeten sanft auf einer nahegelegenen Wiese - damit war auch mein Platz für die Mittagspause gefunden. Zwei Paragleitpiloten erzählten, dass über Tolmin ein besonders beliebter Startplatz für Gleitschirm- und Drachenflieger ist - der Kobala (1080 Meter hoher Gipfel) ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für lange Überflüge entlang der Südkämme der Julischen Alpen.
Tolmin, die pulsierende Stadt, die sich als ordentlicher Kontrast zu dem gestrigen Bergdörfchen Drežnica präsentiert, erreichte ich am späten Nachmittag. Morgen geht es über den Kolovrat nach Italien.
Tag 7, Tolmin nach Tribil di Sopra, 18,9 Kilometer, bergauf: 1291 m, bergab: 852 m, Übernachtung: Ostello La Finestra
Harter Aufstieg, sanfte Landung
Die grenzüberschreitende Etappe mit dem Anstieg auf den Kolovrat (1308 m) hatte es in sich. In Tolmin querte ich die Soča, vorbei an der Friedhofskapelle des Heiligen Daniel (sie gilt als älteste Kirche im Tal). Danach begann der Aufstieg über eine etwa sechs Kilometer lange Straße und danach stetig und nicht endenwollend steil hinauf im Wald bis zum Freilichtmuseum an der Kammstraße - dort werden die Verteidigungspositionen, die Italien im ersten Weltkrieg hielt, gezeigt. Nach etwa drei Stunden erreichte ich den Gipfel des Kolovrat mit atemberaubender Fernsicht auf die Alpengipfel und die Adria. Der Abstieg war dann auf italienischem Staatsgebiet. Am Weg ist eine entzückende Berghütte (Rifugio Casoni Solarie), die ich als Rast nutzte und auch, um drei völlig durchgeschwitze Funktionsshirts in der Sonne trocknen zu lassen. Ab dort hatte ich bis nach Tribil di Sopra sehr nette Gesellschaft von Maja, Martin und Christian - alle aus Basel in der Schweiz und ebenfalls entlang des Alpe-Adria-Trails unterwegs. Nach einem kurzen Anstieg auf den Monte Cum (nicht vergleichbar mit den Höhenmetern am Vormittag) kamen wir erschöpft, aber besonders glücklich ans Ziel der langen Etappe, nach Tribil di Sopra. Im Ostello La Finestra (Hostel in einer ehemaligen Schule) empfing uns Patrizia besonders herzlich. Es wurden für uns frische Fricelli al pomodoro kredenzt und der Blick über die sanfte Julische-Hügellandschaft ließ auch schon bald die anstrengende Tour vergessen. Und nachträglich scherzt man über solche Grenzerfahrungen...
Am achten Tag führte mich der Weg nach Cividale del Friuli. Patrizia im Hostel in Tribil di Sopra riet mir durch die Kastanienwälder bis zum Marienwallfahrtsort Castelmonte zu wandern und von dort den Bus nach Cividale zu nehmen. Ab Castelmonte führt die Etappe überwiegend auf der Straße und das wäre in der Mittagshitze weniger gemütlich, meinte sie. Die frühe Ankunft in Cividale erlaubte mir auch, durch die Straßen der einst bedeutendsten Städte des langobardischen Reiches zu schlendern...
Tag 8, Tribil di Sopra nach Cividale del Friuli, 23,4 Kilometer, bergauf: 616 m, bergab: 1121 m, Übernachtung: B&B Aurora
Wanderschuhe gegen Flip-Flops tauschen
Schon Christine Thürmer (Bestseller-Autorin und „meistgewanderte“ Frau der Welt) schrieb in ihrem Buch, dass man am siebenten Tag eines Fernwanderweges eine Pause einlegen sollte - und sie hatte recht. Es tat mir einfach gut, die Wanderschuhe im Quartier zu lassen und in normaler Kleidung mit Flip-Flops an den Füßen durch die historische Altstadt von Cividale zu spazieren. Die Stadt mit rund 11.000
Einwohnern hat eine bewegte Geschichte, haben sie doch verschiedene Völker eingenommen und zu ihrem Sitz erkoren. Anfangs eine keltische Siedlung, später durch Julius Cäsar zur Stadt ernannt - Forum „Iulii“, aus dem entstand der heutige Name „Friaul“. Später kamen die Langobarden, die „Männer mit den langen Bärten“ und eroberten über Cividale den norditalienischen Raum - Cividale wurde die Hauptstadt des ersten langobardischen Herzogtums in Italien. Im archäologischen Museum an der Piazza des Duomo, im Museo Cristiano (christliches Museum im Dom) sowie im Tempietto Langobardo an der Piazza San Biagio kann man wertvolle Kunstschätze aus der Langobardenzeit bewundern. Über den Fluss Natisone führt die Teufelsbrücke, das Wahrzeichen der Stadt. Ihren Namen hat sie von der Entstehungssage. Demnach half der Teufel höchstpersönlich beim Bau der Brücke über den reißenden Fluss (der im Sommer übrigens gar nicht reißend ist) mit. Als Lohn dafür forderte er die Seele des ersten, der sie überschritt. Nach der Fertigstellung jagten die Bürger einen Hund über die Brücke - eine bizarre Opfergabe, hat aber scheinbar funktioniert. Momentan wird die „Ponte del Diavolo“ saniert (man kann sie zu Fuß oder mit dem Rad auf einem schmalen Pfad trotzdem überqueren). Es bleibt zu hoffen, dass das Teufelswerk keine Opfer mehr fordert. In Cividale kann man mit Sicherheit gut einige Tage verbringen. Die Stadt ist belebt und voll mit Sehenswürdigkeiten. Café, Enoteca, Osteria, Trattoria: sie stehen für Genuss und halten auch ihr Versprechen. Den Abend in einem der urigen Enotheken am Stehtisch bei einem guten Glas Friulano ausklingen lassen... ich kann jedem auf einer Fernwanderung empfehlen, sich diese verdiente „Pause“ zu gönnen.
Tag 9, Cividale del Friuli nach Breg bei Golo Brdo, 13,5 Kilometer, bergauf: 160 m, bergab: 157 m, Übernachtung: Tourist farm Breg
Hügelregion für langsam Reisende
Weinreben bis zum Horizont, Olivenhain, Lavendel, saftiges Grün, das laute Zirpen der Grillen - meine heutige (wieder grenzüberschreitende) Wanderroute führte mich durch das Hügelland der „Colli Orientali del Friuli“ an den Rebgärten von Albana und Prepotto vorbei bis in die Region Brda in Slowenien. Die Wegführung ist ohne nennenswerten Steigungen, jedoch auf 90 Prozent Asphalt, weshalb man im Sommer auch für diese Etappe früh die Wanderschuhe schnüren sollte. Bereits am späten Vormittag erreichte ich mein heutiges Etappenziel, das Dorf Breg. Morgen geht es weiter durch das sogenannte „Feinkosteck Sloweniens“, die Goriška Brda.
Tag 10, Breg bei Golo Brdo nach Šmartno, 25 Kilometer, bergauf: 699 m, bergab: 623 m, Übernachtung: Hotel San Martin
„Brici“ für Gaumen und Auge
Ich sitze bei einem Glas gutem Rebula, lasse den Blick noch einmal entspannt über die Hügel kreisen. Am zehnten Tag meiner Fernwanderung passierten keine großen Sachen - aber ganz ehrlich: braucht man die?! Die Goriška Brda oder nur Brda, im Volksmund „Brici“ genannt, italienisch Collio oder deutsch: das Görzer Hügelland, ist zauberhaft „toskanös“. Steile Weinhügel, Steinhaus-Dörfchen, Weitblicke bis zur Adria und den Dolomiten. Und praktisch auf jeder Erhebung thront ein Dorf mit Kirchturm. Auf über
70 Quadratkilometer werden dank des milden Mittelmeerklimas Wein und Früchte angebaut. Trauben, Oliven und Kirschen haben lange Tradition - zu meinem „Glück“ ist das große traditionelle Kirschenfest seit Anfang Juni gegessen, sonst hätte ich meinen Magen vermutlich mit den saftigen Früchtchen überfordern können. Dafür konnte ich am Weg nach Šmartno süße Feigen naschen und auch schon reife Marillen ernten. Šmartno ist übrigens klein, aber ziemlich smart. Das ummauerte Dorf mit fünf Türmen ist in Brda von überall zu sehen. Wie ein Adlernest „hockt“ es auf (s)einem aussichtsreichen Hügel. Die Häuser im Zentrum gruppieren sich eng um die Kirche St. Martin - sie beherbergt Fresken vom slowenischen Künstler Tone Kralj und ist wirklich sehenswert. Naturkosmetik aus Oliven und Lavendel gibt es im charmanten Dorfladen Nona Luisa. Und das Haus Marica ist ein kulinarischer Geheimtipp: regionale, eigens angebaute Zutaten und alles bio.
Tag 11, Šmartno nach Cormòns, 15 Kilometer, bergauf: 362 m,
bergab: 565 m, Übernachtung: Albergo Felcano
Tag 12, Cormòns nach Gradisca d’Isonzo, 19,5 Kilometer,
bergauf: 127 m, bergab: 148 m, Übernachtung: Hotel Franz
Herz des Collio
Im Grunde sollte auf dem Wappen von Cormòns statt einem Herz und einer Burg ein Weinglas zu sehen sein. Schließlich steht Cormòns im Ruf, eines der bekanntesten Zentren der gehobenen italienischen Weißweinkultur zu sein. Ich erreichte die romantische Stadt nach etwa vier Stunden über die Hügellandschaft der Brda und auf italienischer Seite des Collio. Mir blieb also genügend Zeit in der Enoteca (Piazza XXIV Maggio) im Zentrum einen ersten Einblick über die Vielzahl der besten Weißweine des Collio zu gewinnen - die Vinothek bietet eine konkurrenzlose Auswahl von über 30 Winzern an. Direkt vor der Wallfahrtskirche in der Mitte des Platzes Libertà erhebt sich die Bronzestatue von Maximilian I von Habsburg, die eindrucksvoll auf einem hohen steinernen Sockel thront. Sie ist Zeugnis einer Vergangenheit und einer Geschichte, die über Jahrhunderte im Zeichen des österreichisch-ungarischen Reichs stand. Etwa 400 Jahre lang gehörte Cormòns zu Österreich und erst seit Ende des Ersten Weltkrieges gehört sie zu Italien - die Statue Kaiser Maximilian I durfte bleiben, während anderswo auf italienischem Boden die Denkmäler der k.u.k.-Monarchie vom Sockel fielen. Warum? Weil Maximilian einst der von Kriegen geplagten Bevölkerung sieben Jahre lang die Steuern erließ, wodurch sich die Wirtschaft erholen konnte.
Alljährlich - und das seit 1974! - wird in Cormòns um Mitte August herum der Geburtstag von Kaiser Franz Joseph I gefeiert. Fahnen mit dem Doppeladler, Frauen und Männer in Kostümen, Franz Joseph-Gemälde und alles, was an die k.u.k-Zeit erinnert, schmücken tagelang die Ortschaft. Wer, so wie ich, in der Villa Felcaro übernachtet, kann im Treppenhaus zahlreiche Fotografien von dem zwischen Nostalgie, Traditionspflege und Skurrilität schwankendes Treiben „bewundern“.
Spätsommerfreuden
Wenn die Hitze des Sommers sich wieder auf ein ausflugsfreundliches Niveau reduziert, Anfang September also, steht Cormòns ganz im Zeichen der Festa dell’uva. Mit dem Traubenfest wird die Weinlese gefeiert, die in diesem Gebiet oft auch schon Ende August beginnt. Das historische Stadtzentrum wird also drei Tage lang zur „Genussmeile“.
Und überall lockt der Wein
Am zwölften Tag meiner AAT-Wanderung fühle ich mich noch immer sehr wohl - mein Körper und mein Kopf sind gut zu Fuß unterwegs. Ich genieße es immens auf meine Grundbedürfnisse beschränkt zu sein. Wichtig sind mir: Trinken, Essen, Schlafen. Ich kostete die freigewählte Langsamkeit des Weges auch Richtung Gradisca d’Isonzo in vollen Zügen aus. Die Etappe über knapp 20 Kilometer führte mich durch die fruchtbare Landschaft des Collio in das Tal der Isonzo und schenkte mir damit ein Wiedersehen mit der Soča. Zwischen Feldwegen, Pfaden und Wäldern ist der Streifzug durch den Collio eine Hymne auf die Natur, auf den Zeitvertreib und die Erholung. Den entsprechenden Rahmen bilden die regelmäßig und kontinuierlich angeordneten Weinberge in Terrassenform und die Verpflegung in den Weinkellern und Landgasthöfen. Das Wort Collio steht weltweit für große Weißweine. Ich bin kein Wein-Connaisseur, jedoch ist es fast unmöglich auf der Reise entlang des Alpe-Adria-Trail nicht in diesen kulinarischen Bereich hineinzuschnuppern. Zur Aperitivo-Zeit, also wochentags nach der Arbeit oder vor dem Abendessen oder samstagmittags vor dem Pranzo ist Zeit für einen tajut, ein Glas Weißwein oder Rotwein - auf friulanisch: un taj di blanc oder un taj di ros. Auf einen tajut zu gehen, ist im Friaul eine schöne Gewohnheit. So wurde ich auf meiner Tour, kaum in Gradisca d`Isonzo angekommen, schon auf ein Glas Weißwein mitten in der Fußgängerzone eingeladen - so kann's gehen...
Festungsmauer à la da Vinci
Es lohnt sich, die drei Straßen im historische Zentrum von Gradisca d`Isonzo zu begehen: Piazza dell’Unità d’Italia mit dem Löwen von San Marco, der die venezianischen Ursprünge der schönen Stadt am Isonzo bezeugt. Palazzo Torriani aus dem Jahr 1705, in dem das Rathaus, die Bibliothek und die Kunstgalerie Spazzapan untergebracht sind. Im 15. Jahrhundert waren es die Venezianer, die Besitzansprüche an Gradisca geltend machten. Aus dieser Zeit stammen auch die Befestigungsanlagen gegen die Türken, die noch sehr dominant ins Stadtbild eingebunden sind - Leonardo da Vinci nahm sogar an Projektarbeiten für die Schutzmauer teil. In der Fußgängerzone befinden sich auch der Palazzo Casa dei Provveditori, in dem heute die bekannte Enoteca „La Serenissima“ zu finden ist (Via Battisti 30). Neben den Weinverkostungen bietet die Enoteca auch ein ausgewähltes Angebot an Lebensmitteln an, in dem der San Daniele-Schinken (furlanisch: Persut di Sant Denêl), der Montasio-Käse und die typischen Süßigkeiten der Region zu finden sind.
Tag 13, Gradisca d’Isonzo nach Duino, 28 Kilometer,
bergauf: 667 m, bergab: 704 m, Übernachtung: Hotel Eden
Mehr Meer bitte
Ehrfürchtig startete ich die 13. Tagesetappe nach Duino zeitig um sieben Uhr in der Früh. Sie ist mit 28 Kilometern die längste Tour entlang dem AAT gewesen. Und am Ende des Tages darf ich sagen, dass sie eines der schönsten Teilstücke für mich ist. Nachdem ich die sanften Weinhügel hinter mich gelassen habe (und auch das Naturschutzgebiet Lago di Doberdo), wechselte das Bild auf die schroffe und dennoch so reizvolle Karstlandschaft - die Luft ist trockener, der Wind jedoch erfrischend. Aber: was ist Karst? In wenigen Worten die Antwort zu finden, ist gar nicht so einfach. Die Triestiner Karstlandschaft ist auf den ersten Blick felsig und rau (charakteristisch ist das schroffe, zerklüftete Kalkgestein). Sie zeichnet sich durch Dolinen, Grotten, steile Kliffe und steinige Wege aus. Auf den zweiten Blick aber ist sie auch eine üppige Vegetation. Eine Mischung aus wilder Macchia und hohem Baumbewuchs von Kastanien über Eichen bis hin zu Schwarzkiefern. Das Gebiet ist dünn besiedelt, die schmalen Straßen häufig mit typischen Karsttrockenmauern gesäumt und ehrlich gesagt fragte ich mich, wo denn hier die Menschen sind - auf meiner Wanderung sind mir bis Duino etwa drei Seelen begegnet.
Und dann... nach etlichen Kilometern gaben Flora und Karst den Blick frei aufs Meer. Ich blieb stehen und war gerührt. Noch nie hat sich dieser Ausblick aufs Meer so verdient angefühlt, wie am heutigen Tag. In diesem Moment war ich glücklich so weit gekommen zu sein und alles zu haben, was ich brauche.
Auf den Spuren des Sonette-Meisters
„Jetzt sollen Sie auch gleich wissen, wo ich bin: bei meinen Freunden, in diesem immens ans Meer hingetürmten Schloss, das wie ein Vorgebirg menschlichen Daseins mit manchen seiner Fenster (darunter mit einem meinigen) in den offensten Meerraum hinaussieht, unmittelbar ins All, möchte man sagen…“ Wohl keiner beschreibt die Lage von Schloss Duino so treffend wie Rainer Maria Rilke - in seinem ersten Brief vom 25. Oktober 1911 an seine Mutter. Der Dichter weilte 1911/12 als Gast der Gräfin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe in deren Schloss und schrieb dort seine ersten beiden Duineser Elegien.
Ab Schloss Duino, spazierte ich etwa zwei Kilometer lang auf Rilkes Spuren (wo er selbst zwar vermutlich nie unterwegs gewesen ist) über den Felsmäandern der Triester Bucht, wo Karst und Meer zusammentreffen. Auf dem „Sentiero Rilke“ kommt man von Sistiana an der Küste entlang bis zum Schloss. Links das Meer und die Steilklippen, rechts Gestrüpp und wilde Macchia. Lieblicher Kontrast dann der farbenprächtige Schlossgarten von Duino und wenn man dann „aus allen den sicheren Toren austritt, hebt sich, nicht weniger unwegsam denn das Meer, der leere Karst“, wie Rilke schreibt.
„Schon ist mein Blick am Hügel, dem besonnten,
dem Wege, den ich kaum begann, voran.
So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten,
voller Erscheinung, aus der Ferne an
— und wandelt uns, auch wenn wirs nicht erreichen,
in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind;
ein Zeichen weht, erwidernd unserm Zeichen ...
Wir aber spüren nur den Gegenwind.“
Rainer Maria Rilke
Tag 14, Duino nach Prosecco/Villa Opicina, 23 Kilometer,
bergauf: 463 m, bergab: 264 m, Übernachtung: Albergo Valeria
Wanderbarer Karst
Am Weg von Sistiana (Duino) nach Prosecco wechselte ich vom AAT auf den italienischen Wanderweg Nummer 1, der mich entlang der Küste auch bis zum Castello di Miramare geführt hat. Das weiß leuchtende Schloss, das Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich (Bruder von Kaiser Franz Joseph) einst so liebte, erhebt sich majestätisch aus dem Meer auf der Spitze des Vorgebirges von Grignano und ist zudem von einer wunderschönen Parkanlage umgeben. Nach einem Spaziergang durch den Garten stieg ich die 355 Steinstufen bis nach Prosecco hoch und wanderte von dort den Weg, der „Napoleanische Straße“ (Strada Napoleonica oder Spitzname: „Vicentianischer Spazierweg“) genannt wird, knapp fünf Kilometer bis Opicina. In Abschnitten verläuft sie frei unter der Sonne und bietet traumhafte Panoramen auf dem Golf von Triest. Es heißt, dass napoleonische Truppen sie als erster begangen haben (daher die Bezeichnung). Einheimische meinen jedoch, dass eher der Name „Vicentianischer Spazierweg“ passend ist, der vom Nachnamen des Ingenieurs Vicentine herrührt. Wie auch immer, ich empfand den Weg gehenswert und die Wallfahrtskirche Monte Grisa besonders sehenswert. Ich bin heute nur Teilstücke des AAT’s gewandert, weil es an dem eigentlichen Etappenziel in Prosecco keine Übernachtungsmöglichkeiten gibt, was wiederum zur Folge hat, dass man ohnehin die Route bis nach Opicina planen sollte.
Ausg‘steckt auf Italienisch
Bei einer Wanderung durch den Karst sieht man immer wieder (meist an Kreuzungen in einem Ort) aufgehängte Efeuzweige (frasca) oder zusammengebundene vertrocknete Buketts. Und folgt man den Buschen, findet man den Weg zur nächsten geöffneten Osmiza - eine kulinarische Institution, die sich in der Region Friaul-Julisch Venetien bereits 235 Jahre lang hält, wie ich erfahren durfte. Der Name Osmize leitet sich vom slowenischen Wort „osem“ ab, das „acht“ bedeutet. Acht Tage durften die Weinbauern einst unter Kaiser Josef II. ihren Wein ausschenken und dazu Speisen vom eigenen Hof kredenzen. Wie lange heutzutage ausg´steckt sein darf, hängt von der Menge des produzierten Weins ab. Früher war in einer Osmiza auch nur erlaubt, Wein oder hartgekochte Eier und hausgemachtes Brot (das man dann in den typisch herben Terrano-Wein tauchte) zu verkaufen. Heute sind die Bestimmungen großzügiger und das Angebot an kulinarischen Schmankerl größer - wobei man die hartgekochten Eier traditionell immer noch bekommt. Deftige Salami (in dicken Scheiben heruntergeschnitten), der luftgetrocknete Karstschinken (prosciutto crudo), milder Mozzarella, verschiedenste grob geschnittene Käsestücke, manchmal mit Honig und Nüssen garniert, flaumiges Brot (natürlich auch dick geschnitten), keine Teller, kein Besteck, kein Tischtuch. Man holt sich seine Jause am Brett selbst und spießt die Spezialitäten auf den Zahnstocher. Dazu gibt’s roten Refosco oder Terrano und die weißen Sorten Vitovska und Malvasia in Krügen. Bei meiner gestrigen Wanderung habe ich mich noch gewundert, wo die Menschen in der Karst sind. Die Stille der Karstdörfchen kann jedenfalls täuschen. Man wähnt sich im Niemandsland und dann, wenn man es versteht, den „Wegweisern“ zu folgen... wird es lebhafter. Ein untrügliches Zeichen, dass irgendwo eine Osmiza geöffnet hat.
Eine Liste der geöffneten Osmize, inklusive Übersichtskarte gibt es hier
Tag 15, Villa Opicina nach Lipica, 20 Kilometer,
bergauf: 440 m, bergab: 272 m, Übernachtung: Hotel Maestoso
Im Reich der Steine
Meine Wanderung am AAT führte mich heute bei Gropada in Italien wieder über die Grenze nach Slowenien. Und damit in das sogenannte „Lebendige Museum des Karstes“, das auf einer Fläche von über 700 Hektar das Natur- und Kulturerbe des Gebietes präsentiert: Dolinen, Evalas, Einsturztäler, Karren, Abgründe und natürlich zahlreiche Höhlen. Am gesamten Wegverlauf begleiteten mich Steinmauern, die Felder, Wiesen, Weiden und Waldwege umgeben. Sie wurden in Trockenbautechnik errichtet und scheinen auf den ersten Blick natürlich zu sein - bis man eines der steinernen Hirtenhäuschen entdeckt. Das sind kleine Meisterwerke aus Stein, errichtet ohne Bindemittel oder andere Materialien, die einst Bauern, Hirten und Steinmetzen Schutz geboten haben. Später erfahre ich von Walter (der an der Entstehung des Alpe-Adria-Trails vor zehn Jahren beteiligt gewesen ist und heute das Gepäckservice für Trailbesucher über hat), dass im Karst etwa 400 Häuschen erhalten geblieben sind und es in Italien sowie in Slowenien eine Schule existiert, damit die Kunst des Trockenbaus erhalten bliebt.
Der moderne Weg des rastlosen Bastlers und beamteten Försters
Josef Ressel ist für die Schiffsschraube bekannt, doch hat er Dutzende Erfindungen gemacht, wie beispielsweise ein Rohrpost-System, oder Kugellager. Hauptberuflich war er jedoch Förster beziehungsweise „Marinewaldagent“ im Dienst der Kriegsmarine und „Marineforstintendant“. Die Karst-Förster haben ihm jedenfalls einen eigenen Weg gewidmet - und was für einen! Der Josef-Ressel-Weg zählt zu den Hightech-Wanderwegen Europas mit einem Infrarot-Übertragungssystem, das während des ganzen Spaziergangs (auch für Menschen mit Sehbehinderung) ermöglicht, umfangreiche Informationen zu Geologie, Flora und Fauna der Wälder Igouza und Lipica zu erhalten. Meine heutige Tour führte mich also auch über diese gut ausgebaute und mit vielen Infoschildern bestückte Route.
Harmonie von Schönheit und Freiheit
Etappenziel am 15. Tag ist Lipica gewesen, die als „Wiege der Lipizzaner“ gilt. Der Weg führte mich an endlosen Koppelzäunen vorbei, die genauso schneeweiß sind, wie ihre „Bewohner“ - zumindest die „Erwachsenen“. Seit kurzem gibt es auch ein Hotel direkt im Herzen des Gestüts, das nicht nur das älteste Europas, sondern auch das größte Lipizzaner-Gestüt der Welt ist.
Aktuell sind in Lipica etwa 350 der edlen Pferde beheimatet. Jedes Jahr werden bis zu 30 Fohlen geboren, sodass immer ausreichend Nachwuchs-Pferde vorhanden sind. Wenn die dunkelbraunen Fohlen auf der Weide herumtollen, sieht man ihnen den weißen Schimmel noch nicht an, der einmal aus ihnen wird. Am Gestüt dürfen sie ihre Jugend verbringen, bevor ihre Karriere als Stars beginnt. Erst im Alter von acht Jahren verwandelt sich die Fellfarbe in Weiß. Sympathisch: Lipica ist eine der wenigen Schulen, welche immer schon weibliche Bereiter zugelassen haben. Während einer Führung sowie im interaktiven Museum erfährt man Interessantes über die bewegte Geschichte der Lipizzaner und das Gestüt in Lipica. Der Ort ist für mich besonders - voller Geschichte und Wissen um die artgerechte Aufzucht und Ausbildung von Pferden! Informationen dazu gibt es hier
Das Gestüt Lipica wurde 1580 von Erzherzog Karl von Habsburg gegründet, der eine eigene Pferderasse für die traditionellen Paradeauftritte am Wiener Hof züchten wollte - 1581 kaufte er insgesamt 24 Zuchtstuten und sechs Hengste aus Spanien. Als Ort für die Kreuzung wählte er Lipica (da das Karstgebiet dem spanischen Klima sehr ähnlich war), das damit das erste österreich-ungarische Staatsgestüt wurde. Als Kaiserin Maria Theresia regierte (1740 bis 1780), entwickelte sich die Lipizzaner-Zucht, wie wir sie heute kennen. Die Spanische Hofreitschule in Wien bezieht ihre Lipizzaner mittlerweile aus dem österreichischen Gestüt Piber in der Steiermark. Die weltberühmten Vorführungen der Lipizzaner - „Ballett der Weißen Hengste“ - finden in der von 1729 bis 1735 unter Karl VI. erbauten, prachtvollen barocken Winterreitschule der Wiener Hofburg statt: im schönsten Reitsaal der Welt!
Tag 16, Lipica nach Bagnoli della Rosandra, 17 Kilometer,
bergauf: 300 m, bergab: 632 m, Übernachtung: Residence Bleu
Unterwegs im „Krimi-Tal“
Nachdem ich heute das weitläufige Areal von Lipica hinter mir gelassen hatte, ging es durch den Wald stetig bergauf zum Monte Kokoš auf den höchsten Gipfel der Karstebene (670 Meter). Die Temperatur war am Vormittag mit 21 Grad besonders angenehm und die Bora - ein Fallwind, der von den julischen Alpen kommend in Richtung Adria zieht - begleitete mich angenehm über das Plateau. Danach ging es über Wälder und Felder, vorbei an beschaulichen Dörfern, bis zu einem breiten Wanderweg. Dieser verläuft auf der ehemaligen Bahnlinie Triest-Hrpelje (in Slowenien). Der letzte Zug fuhr dort allerdings im Jahr 1958 durch. Heute gehört die einstige Bahnstraße Wanderern, Spaziergängern, Joggern und Radfahrern, die von keiner Grenzkontrolle mehr angehalten werden. Es ist schön, an dem geschichtsträchtigen Streckenabschnitt wandern zu dürfen und sich vorzustellen, wie dort einst die Dampflokomotiven langsam die Steigungen hinauffuhren. Es geht durch zahlreiche Tunneln, danach führt der AAT links steil bergab. Und zwar in den Weiler Bottazzo im Rosandra-Tal. Der Weg ist alpin und verlangt „Stockeinsatz“, Trittsicherheit und Konzentration. Das Valle di Rosandra ist ein Schmuckstück: bizarre Landschaft, steile Abhänge, Wasserfälle, dichte Wälder. Der Fluss Rosandra hat sich in den Jahrtausenden einen Weg durch das Karstgestein gebahnt. Schon die Römer haben Val Rosandra entdeckt und eine Wasserleitung vom Karst bis ins frühere Triest gebaut. Noch heute sind die Überreste der Aquädukte zu sehen. Groß und vielfältig auch der unterirdische Karstformenschatz: Es wurden bereits über 100 Grotten, Höhlen, Schlünde und unterirdischen Gänge auf einer Länge von (nur) zwölf Kilometer entdeckt. Auf schmalem Pfad entlang der Felskante genießt man tiefe Blicke in den Canyon und auf die Bucht von Triest. Zudem sind hier die vertikalen Felswände des Monte Stena bereits in den 1920er Jahren für den Klettersport erschlossen worden. Während meines Abstieges über Stein und Geröll Richtung Bagnoli konnte ich Kletterer an der Felswand erahnen. Veit-Heinichen-Krimi-Lesern (auch ich zähle dazu) ist die Gegend bestens bekannt! Im Roman „Der Tod wirft lange Schatten“ wird im Rosandra-Tal ein Toter an einer abgelegenen Stelle gefunden und im Dorf Bagnoli eine taubstumme Osteuropäerin Zeugin eines Verbrechens...
Bora verleiht Oliven den besonderen Geschmack
Die Region ist ein Eldorado des Olivenanbaus mit zahlreichen hoch prämierten kleinen Produzenten. Die Bora macht die hier verbreitete Sorte „Bianchera“ besonders widerstandsfähig und verleiht ihr einen besonderen Geschmack. Die Bauern erzeugen daraus Olivenöl. Heute durfte ich auch dazulernen: Die Farbe es Öls sagt nichts über dessen Qualität aus. Je früher geerntet wird, desto grüner ist das Öl. Goldgelb, bei später Ernte sehr reifer Oliven.
Außerdem ist das Rosandra-Tal bekannt für feinen Lachs und - wie soll es anders sein - für Top-Winzer. Nach etwa fünf Stunden Gehzeit war die vorletzte Etappe des Alpe-Adria-Trails geschafft. In der Bar Rosandra in Bagnoli hatte ich nur noch eine Frage zu beantworten: Terrano und Vitovska? Ich entschied mich für Vitovska - den weißen aus der Karst-Traube, die gegen Bora und die sommerliche Trockenheit der Landschaft rund um Triest resistent ist.
Morgen geht es nach Muggia... denn aus der Ferne grüßt bereits das Meer!
Bora chiara, also die helle Bora - sie bringt schönes Wetter. Im Winter ist die Luft sehr kalt, im Sommer etwas milder, manchmal sogar warm.
Bora scura, die dunkle Bora - weht bei bedecktem Himmel, Regen oder Schnee.
In Triest sind unberechenbare Windstöße mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 250 Kilometern in der Stunde keine Seltenheit.
Tag 17, Bagnoli della Rosandra nach Muggia, 23 Kilometer,
bergauf: 924 m, bergab: 990 m, Übernachtung: Hotel Porto San Rocco
Nach 17 Tagen am Meer...
Prompt nach dem Start meiner letzten Etappe in Bagnoli ging es längere Zeit steil bergauf, dann wieder auf einen Abstecher nach Slowenien bis ich schließlich etwa fünf Kilometer vor Muggia wieder auf italienischem Gebiet wanderte. Und ehrlich: es gab dann etwa drei Kilometer vor dem Ziel diesen Moment, in dem ich plötzlich dachte, dass ich nicht mehr will! Ich wollte nicht noch eine Steigung und noch mehr Spinnweben im Gesicht - ich wollte einfach endlich am Meer sein. Nach 17 Tagen wandern, hatte ich schlagartig keine Lust mehr. Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel und beim neuerlichen Aufstieg auf den Hügel beim Vorort von Muggia gab es vor ihm auch kein Entkommen, weil Schatten eher Mangelware gewesen ist. Die letzten Meter bis zum Infopoint des Alpe-Adria-Trails am Ziel trottete ich am Asphalt dahin. Und dann sah ich das Männchen mit den Wanderstöcken und seinem Rucksack am Hafen und war doch tief ergriffen, weil ich erkannte, dass ich es geschafft hatte!!! Meine Laune besserte sich abrupt und auch die Hitze schien mir nichts mehr auszumachen. Fünf Minuten nach mir kam eine Wanderkollegin am Ziel an und war ebenso gerührt wie ich Augenblicke zuvor - es war ein schönes Gefühl diesen Moment teilen zu dürfen!
Noch scheint es fast unwirklich zu sein, dass ich über zwei Wochen lang jeden Tag marschiert bin. Aber so wie ich Zeit hatte bei meiner Fernwanderung meinem Rhythmus zu folgen, lasse ich mir nun auch Zeit um „anzukommen“ und um zu verarbeiten. In einem extra Bericht werde ich sehr gerne die Quintessenz meiner Reise mit Euch teilen. Die kommenden Tage jedoch lasse ich meinen Laptop ruhen und möchte die Adria genießen, Muggia erkunden und natürlich mit der Fähre an das „kleine Wien am Meer“, nach Triest übersetzen - um einen richtig guten Café zu trinken, aber nicht nur...
Diana, 45 Jahre alt, Redakteurin bei der
„Kronen Zeitung“.
Mutter, Outdoor-Fan, Tierliebhaberin und
ziemlich süchtig nach Gummibärchen.
Mein Beruf erlaubt es mir auch interessante Destinationen zu entdecken.
Ich liebe meine Familie, unsere Tiere, mein Zuhause, gute Gespräche, Musik, Sonnenaufgang am Berg, das Rauschen des Meeres und italienischen Wein.
Als Steinbock-Geborene zieht es mich meistens zu Zielen in der Natur und am liebsten in höhere Lagen - Wandern, Klettern, Mountainbiken, Laufen. Und wenn es am Weg die Chance gibt, Tiere in freier Wildbahn zu sehen (oder ein, zwei Geocaches zu finden), umso besser!
Begleitet und unterstützt vom preisgekrönten Service der Trail Angels mit Gepäcktransport, Shuttle-Services, qualitätsgeprüfte Partnerbetriebe, Trail Manual und die (beruhigende) Trail-Hotline
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