Polit-Elite in Kiew
„Sofortiger EU-Kandidatenstatus“ für Ukraine
Sie sind nicht mit leeren Händen in die Ukraine gekommen: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Premier Mario Draghi haben sich bei ihrem Besuch in Kiew am Donnerstag erstmals für den „sofortigen EU-Beitrittskandidaten-Status“ für die Ukraine ausgesprochen. „Die Ukraine gehört zur europäischen Familie“, so Scholz bei einer Pressekonferenz in der ukrainischen Hauptstadt. Dasselbe gelte für die kleine Nachbarrepublik Moldau. Macron sagte auch die Lieferung weiterer Artilleriegeschütze zu.
Deutschland sei für eine positive Entscheidung zugunsten der Ukraine und Moldau, so der deutsche Bundeskanzler. „Auf jeden Fall unterstützen wir den Beitrittsstatus der Ukraine zur Europäischen Union“, sagte auch Macron, der mit Scholz und Draghi gemeinsam per Zug in die Ukraine gereist war. Dieser Beitrittsstatus werde von einem Fahrplan begleitet und die Situation der westlichen Balkanstaaten berücksichtigen, kündigte Macron an. Auch Rumäniens Präsident Klaus Iohannis sprach sich dafür aus.
Zustimmung der drei Großen gilt als wichtiges Signal
Die EU-Kommission will am Freitag eine Empfehlung zu dem Thema vorlegen. Die Entscheidung muss einstimmig fallen, voraussichtlich beim EU-Gipfel am 23. und 24. Juni in Brüssel. Die Zustimmung der drei größten EU-Staaten gilt dabei als wichtiges Signal. Mit dem Status eines Beitrittskandidaten können konkrete und meist komplizierte Verhandlungen über die Aufnahme eines Landes in die EU beginnen - der Vollzug dürfte dann etwa 20 Jahre dauern.
Am 113. Tag des Krieges begrüßte Selenskyj das klare Bekenntnis seiner Gäste: „Der EU-Kandidatenstatus könnte eine historische Entscheidung für Europa sein.“ Die Ukraine hatte kurz nach dem Angriff Russlands am 24. Februar einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt.
Empfang im Präsidentenpalast - samt Luftalarm
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Scholz, Macron, Draghi und Iohannis zu Gesprächen im Präsidentenpalast in Kiew empfangen. Scholz twitterte nach dem Besuch „Wir Europäer stehen fest an Eurer Seite“ und dankte Selenskyj auch dafür, dass er die Einladung zur Teilnahme am G7-Gipfel Ende Juni annahm. Dieser findet in Schloss Elmau in Bayern statt. Unklar blieb, ob der ukrainische Staatschef dafür sein Land verlassen wird oder wie bei anderen Treffen per Video zugeschaltet wird.
Beim Besuch in Kiew wurde zweimal an diesem Tag Luftalarm ausgelöst, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Schon nach der Ankunft der Spitzenpolitiker in der Früh hatte es einen Luftalarm gegeben, wie auch in zahlreichen weiteren Landesteilen. Zum Zeitpunkt des zweiten Alarms fand gerade das Treffen im Präsidentenpalast statt.
„Brutalität“ des russischen Angriffskriegs verurteilt
Vor dem Treffen hatten die europäischen Gäste den Kiewer Vorort Irpin besucht und sich die Zerstörung durch die russischen Angriffe zeigen lassen. Scholz verurteilte dort die „Brutalität“ des russischen Angriffskriegs und sprach von sinnloser Gewalt. Macron sprach davon, dass dort „Massaker und Kriegsverbrechen“ begangen worden seien. Draghi traut der Ukraine den Wiederaufbau nach dem Krieg zu: „Das hier ist ein Ort der Zerstörung, aber auch der Hoffnung.“ Iohannis verlangte erneut, dass Gräueltaten Russlands vor ein internationales Strafgericht gebracht werden.
Moskau: Waffenlieferungen an Ukraine „absolut nutzlos“
Russland warnte unterdessen vor weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine. Diese wären „absolut nutzlos“ und würden dem Land nur „weiter schaden“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. „Ich möchte hoffen, dass die Führer dieser drei Staaten (...) sich nicht nur darauf konzentrieren, die Ukraine zu unterstützen, indem sie die Ukraine weiter mit Waffen vollpumpen“, so Peskow.
Frankreichs Caesar-Geschütze präzise auf 40 Kilometer
Macron will über zwölf bereits gelieferte schwere Geschütze hinaus von der kommenden Woche an sechs weitere Caesar-Haubitzen für den Kampf gegen den russischen Angriffskrieg liefern. Die auf Lastwagen montierten Caesar-Geschütze mit einem Kaliber von 155 Millimeter können Ziele in einer Entfernung von bis 40 Kilometern präzise treffen. Scholz machte keine konkreten Zusagen für weitere Waffenlieferungen, sagte aber: „Wir unterstützen die Ukraine auch mit der Lieferung von Waffen, und wir werden das weiterhin tun, solange die Ukraine unsere Unterstützung benötigt.“
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