„Historischer Tag“
EU-Weg der Ukraine wird lang, „aber er lohnt sich“
Nach dem Besuch der europäischen Polit-Elite in Kiew hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von einem „historischen Tag“ für sein Land gesprochen. „Die Ukraine hat die Unterstützung von vier mächtigen europäischen Staaten gespürt“, noch nie seit ihrer Unabhängigkeit sei sie so dicht an die EU herangerückt, sagte er in seiner allabendlichen Ansprache am Donnerstag. Laut dem ukrainischen Außenminister müssten nun aber „Taten folgen“. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz stellte die Ukraine auf einen länger währenden Prozess bis zu einem EU-Beitritt ein, „aber er lohnt sich“.
Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi und Rumäniens Staatschef Klaus Iohannis hatten am 113. Tag des Angriffskriegs Russland Kiew besucht und ein besonderes Geschenk im Gepäck: Die Führer der drei größten EU-Länder und Iohannis betonten erstmals klar, das EU-Beitrittsgesuch der Ukraine zu unterstützen.
Der Status eines Beitrittskandidaten bedeute, dass die Hoffnung auf dem Weg nach Europa für die Menschen der Ukraine konkret werde, sagte Scholz am Donnerstagabend im ZDF-„heute journal“. „Und das ist kein einfacher, sondern ein sehr voraussetzungsvoller Weg, der auch sehr lange Zeit in Anspruch nehmen kann“, machte er deutlich. Das wisse auch jeder in der Ukraine.
Hier geht es um Hoffnung. Europa ist eine gute Idee.
Bundeskanzler Scholz
Zum Zeithorizont sagte Scholz, das könne niemand seriös beantworten. „Aber es lohnt sich, das ist doch die Botschaft.“ Der deutsche Kanzler nannte im ZDF und in der ARD etwa Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie, die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt seien.
Zustimmung der drei Großen gilt als wichtiges Signal
Die EU-Kommission will am Freitag das Ergebnis ihrer Prüfung des ukrainischen Aufnahmeantrags bekannt geben und eine Empfehlung vorlegen. Die Entscheidung muss einstimmig fallen, voraussichtlich beim EU-Gipfel am 23. und 24. Juni in Brüssel. Die Zustimmung der drei größten EU-Staaten gilt dabei als wichtiges Signal. Mit dem Status eines Beitrittskandidaten können konkrete Verhandlungen über die Aufnahme eines Landes in die EU beginnen - der Vollzug dürfte dann etwa 20 Jahre dauern. Die Ukraine hatte kurz nach dem Angriff Russlands am 24. Februar einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt.
Selenskyj an Moskau: „Niemand hatte Angst“
Dank des Mutes ukrainischer Männer und Frauen könne Europa eine neue Geschichte der Freiheit schreiben „und endlich die Grauzone zwischen der EU und Russland in Osteuropa beseitigen“, sagte Selenskyj. Er erinnerte an mehrmaligen Luftalarm über Kiew während des Spitzenbesuchs. Russland habe eine angespannte Atmosphäre schaffen wollen, „aber niemand hatte Angst“, sagte der ukrainische Präsident. Es sei nur umso intensiver im Interesse der Ukrainer und aller Europäer verhandelt worden.
„Hoffen nun, dass das auch passiert“
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba bezeichnete indes den Besuch von Scholz in Kiew als wichtigen Schritt zur Wiederherstellung gegenseitigen Vertrauens. „Den Worten, die uns heute entgegenschlugen, müssen Taten folgen. Wir hoffen, dass das auch passiert“, sagte Kuleba laut Übersetzung den ARD-„Tagesthemen“ am Donnerstag. Zum EU-Beitrittsgesuch der Ukraine sagte Kuleba, man wisse, dass die Ukraine nicht sofort Vollmitglied der Europäischen Union werden könne. „Aber es ist wichtig, dass alle sagen, die Ukraine gehört zu Europa.“
Vorwürfe der Korruption hält Kuleba für übertrieben: „Die Regierungsorgane bei uns sind stabil, in einem korrupten Land können sie nicht für die Verteidigung des Landes sorgen, weil sie nur an ihrem eigenen Geld und ihrem Verdienst interessiert sind.“ Die Regierung sei dabei, Reformen einzuführen und umzusetzen. „Wir wissen, dass das die Ukraine stärker macht“, sagte Kuleba.
Konkrete Zusagen für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine machte der deutsche Bundeskanzler am Donnerstag in Kiew nicht. Man tue das Notwendige, und zwar wohlüberlegt, sagte Scholz dazu bei RTL/ntv. Dies habe dafür gesorgt, dass Deutschland bisher einen „sehr effizienten Beitrag“ geleistet habe.
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