Schnelles Prozedere
Hadzic bereits an Tribunal in Den Haag überstellt
Gegen 8.30 Uhr hatte eine Wagenkolonne das Belgrader Gefängnis des Sondergerichts für Kriegsverbrechen verlassen. Hadzic wurde zunächst zu seiner schwer kranken Mutter gebracht, die in Novi Sad, der Hauptstadt der nordserbischen Provinz Vojvodina, lebt. Die Straße, in der die Familie Hadzic seit Kriegsende im Jahr 1995 lebt, wurde laut Medienberichten von Sonderpolizisten bewacht und für den ganzen Verkehr gesperrt. Zudem wurden im gesamten Stadtviertel die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Schließlich besuchte Hadzic noch die Grabstätte seines Vaters.
Am späten Vormittag genehmigte dann Justizministerin Snezana Malovic mit ihrer Unterschrift endgültig die Überstellung von Hadzic. Daraufhin wurde der 52-Jährige unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen zum 60 Kilometer entfernten Belgrader Flughafen gebracht. Dort trat er um 12.15 Uhr die Reise nach Rotterdam an, wo er um 14.30 Uhr von Vertretern des Haager Gerichts übernommen wurde. Gegen 16 Uhr kam er im Gefängnis des Tribunals in Scheveningen bei Den Haag an.
Auslieferung in absoluter Rekordzeit
Damit wurde die Auslieferungsprozedur in nur zwei Tagen abgeschlossen - ein Rekord in der mehrjährigen Zusammenarbeit Belgrads mit dem Haager Gericht. Dies wurde vor allem durch die Entscheidung des Angeklagten ermöglicht, nicht gegen die Überstellung an das Tribunal zu berufen.
Hadzic war Freitag früh im Gefängnis des Sondergerichts von seinen Anwälten besucht worden. Danach erhielt er erneut Besuch von seiner Schwester, aber auch von seiner ehemaligen Geliebten. Die Frau, die mit der gemeinsamen unehelichen Tochter erschien, erklärte nach der Visite, dass sie den verheirateten Angeklagten seit sieben Jahren nicht mehr gesehen habe.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Der heute 52-Jährige wird sich vor dem UNO-Tribunal wegen Kriegsverbrechen in Kroatien zwischen 1991 und 1993 zu verteidigen haben. Die Anklage wirft ihm in acht Punkten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und in weiteren sechs Punkten Verletzungen des Kriegsrechts vor. Sie bezieht sich auch auf das schlimmste während des Kroatien-Krieges begangene Kriegsverbrechen, das Massaker an rund 200 kroatischen Kriegsgefangenen auf dem Landgut Ovcara bei Vukovar im November 1991.
Hadzic wird sich vermutlich Anfang kommender Woche zur Haager Anklage äußern. Der Richtersenat wird vom Vizevorsitzenden des Haager Gerichtes, dem koreanischen Richter O-Gon Kwon, geleitet. Der frühere Präsident der 1991 in Kroatien selbst proklamierten "Serbischen Republik Krajina" war nach siebenjähriger Flucht am Mittwoch unweit von Novi Sad festgenommen worden.
UNO-Chefankläger appelliert an Belgrad
Indes will der Chefankläger des UNO-Tribunals für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien, Serge Brammertz, von serbischen Behörden Informationen über die Helfer und Fluchtwege der festgenommenen Angeklagten, Goran Hadzic und zuvor Ratko Mladic, haben. "Wir möchten wissen, wo sie waren, was für Hindernisse es für ihre Festnahme gegeben hat und warum diese nicht früher erfolgt ist", erklärte Brammertz am Donnerstag. Deshalb wollte er die Zusammenarbeit Serbiens mit dem Tribunal zunächst nicht als "komplettiert" bezeichnen. Es sei noch nicht an der Zeit, endgültige Bewertungen zu machen.
Zugleich bekräftigte Brammertz die Erwartungen, dass der Prozess gegen Hadzic vor dem Gerichtsverfahren gegen den Ex-Präsidenten der Serbischen Republik, Radovan Karadzic, abgeschlossen werden könnte. Die Tribunalsanklage rechnet damit, dass der Prozess gegen Karadzic in erster Instanz im Jahre 2013 beendet werden könnte. Das Berufungsverfahren dürfte zwei Jahre später abgeschlossen sein.
Brammertz geht auch davon aus, dass der Prozess gegen Mladic, den einstigen Militärchef der bosnischen Serben, länger dauern wird als jener von Hadzic - zumal das Verfahren gegen Mladic erst in der Vorbereitung ist. Die UNO-Ankläger erwägen derzeit, gegen Mladic zwei getrennte Verfahren - eines für Srebrenica und ein anderes für andere Kriegsverbrechen - zu führen. Eine Entscheidung wurde aber noch nicht getroffen.
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