„Explosionen zu hören“

Neue Luftangriffe auf ukrainische Hauptstadt Kiew

Ausland
19.06.2022 11:54

Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist Sonntagfrüh erneut aus der Luft angegriffen worden - es waren Sirenen des Luftalarms und Explosionen zu hören. Nach offiziellen Angaben schoss die ukrainische Luftabwehr russische Raketen über der Stadt jedoch ab. Unterdessen geht NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht nicht von einem schnellen Ende des Kriegs in der Ukraine aus.

„Im Stadtbezirk Wyschhorod waren heute Morgen Explosionen zu hören. Die Luftabwehr hat feindliche Flugziele beschossen“, teilte der Militärgouverneur des Gebiets Kiew, Olexij Kuleba, am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. Kuleba zufolge gab es beim Luftangriff auf Kiew keine Schäden und Verletzten. Er bat die Kiewer allerdings darum, weiterhin nach dem Luftalarm die Schutzkeller aufzusuchen. In verschiedenen sozialen Netzwerken tauchten später Fotos auf, die Spuren einer Rakete am Himmel über dem Gebiet Kiew zeigen sollen.

Russische Truppen wollen auf Charkiw vorrücken
Zudem versuchen russische Truppen nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums, auf Charkiw vorzurücken und die Stadt erneut zu bombardieren. Die Lage nördlich von Charkiw sei ziemlich schwierig, sagte Wadym Denysenko, ein Berater des Ministeriums, im ukrainischen Fernsehen. „Russland versucht, Charkiw zu einer Stadt an vorderster Front zu machen.“ Charkiw liegt im Nordosten und ist nach Kiew die zweitgrößte Stadt des Landes.

Eine ältere Frau steht inmitten von Trümmern in der Nähe eines beschädigten Wohnhauses in einem Frontbezirk von Charkiw. (Bild: AFP)
Eine ältere Frau steht inmitten von Trümmern in der Nähe eines beschädigten Wohnhauses in einem Frontbezirk von Charkiw.

Die umkämpfte Industriestadt Sjewjerodonezk im Osten der Ukraine liegt unterdessen weiter unter schwerem russischem Artillerie- und Raketenbeschuss. Die Gebiete um die Brücken seien erneut getroffen worden, teilte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, in einem Online-Post mit. Das Asot-Chemiewerk, in dem Hunderte Menschen ausharren, sei zweimal getroffen worden: „Die Situation in Sjewjerodonezk ist sehr schwierig.“

Ukrainische Truppen leisten Widerstand
Die ukrainischen Truppen würden allerdings weiterhin Widerstand leisten, hieß es am Sonntag. „Der Kampf um die vollständige Kontrolle über die Stadt geht weiter“, erklärte der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte in seinem täglichen Bericht. Das Militär räumte aber ein, dass „der Feind im Dorf Metolkine“, südöstlich von Sjewjerodonezk, teilweise erfolgreich gewesen sei.

Sjewjerodonezk liegt in der Region Luhansk, die gemeinsam mit der Region Donezk den Donbass bildet. Dort konzentrieren die russischen Streitkräfte aktuell ihre Offensive. Ist sie erobert, haben die russischen Truppen die gesamte Region unter ihrer Kontrolle.

(Bild: APA/AFP/ARIS MESSINIS)

Treibstofflager explodiert
In Nowomoskowsk im Osten der Ukraine explodierte nach russischem Raketenbeschuss ein Treibstofflager. Ein Mensch sei getötet und zwei Menschen verletzt worden, teilte der Leiter der Regionalverwaltung, Valentyn Resnitschenko, mit. Bereits am Samstag hätten drei russische Raketen das Lager getroffen. Auch 14 Stunden nach dem Treffer versuchten Feuerwehrleute noch immer, den Brand zu löschen. Beim Angriff selbst wurden Resnitschenko zufolge am Samstag elf Menschen verletzt.

In der Nähe der Stadt Krasnopillja haben ukrainische Streitkräfte laut einer Mitteilung des ukrainischen Generalstabs die russischen Truppen zurückgeschlagen. Die russischen Soldaten hätten sich auf einer Aufklärungsmission befunden und schwere Verluste erlitten. Ukrainische Behörden meldeten zudem, dass in der Nacht auf Sonntag Orte weiter westlich in den Regionen Poltawa und Dnipropetrowsk beschossen worden seien.

„Alles, was uns gehört, werden wir uns zurückholen“
Der ukrainische Präsident Woldodymyr Selenskyj berichtete Sonntagfrüh über seinen Besuch bei ukrainischen Streitkräften im Süden des Landes vom Vortag. In dem Video, das anscheinend in einem fahrenden Zug aufgenommen wurde, sagte Selenskyj, er habe mit Soldaten, der Polizei und der Nationalgarde in der Region Mykolajiw, rund 550 Kilometer südlich von Kiew gesprochen. „Sie alle zweifeln nicht an unserem Sieg“, sagte Selenskyj. „Wir werden den Süden niemandem überlassen, und alles, was uns gehört, werden wir uns zurückholen.“

Stoltenberg: Krieg könnte noch Jahre dauern
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht unterdessen nicht von einem raschen Ende des Krieges aus. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass er Jahre dauern könnte“, sagte Stoltenberg der „Bild am Sonntag“. Man dürfe aber nicht nachlassen, die Ukraine zu unterstützen. „Auch wenn die Kosten hoch sind, nicht nur für die militärische Unterstützung, auch wegen der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise.“ Das sei aber kein Vergleich zu dem Preis, den die Ukrainer jeden Tag mit vielen Menschenleben zahlen müssten. Und wenn der russische Machthaber Wladimir Putin aus diesem Krieg die Lehre ziehe, dass er so weitermachen könne wie nach dem Georgien-Krieg 2008 und der Besetzung der Krim 2014, dann bezahle der Westen einen noch viel höheren Preis.

Obwohl der Kampf im Donbass von Russland immer brutaler geführt werde, leisten die ukrainischen Soldaten tapferen Widerstand, sagte Stoltenberg. Mit weiteren modernen Waffen steige die Wahrscheinlichkeit, dass die Ukraine Putins Truppen auch aus dem Donbass vertreiben könne. Zu atomaren Drohungen sagte der NATO-Chef, Putin müsse wissen: „Einen Atomkrieg kann man nicht gewinnen und er darf nie geführt werden. Unser klares Signal an Russland: Die NATO schützt alle Mitgliedstaaten.“

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (Bild: APA/AFP/JOHN THYS)
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg

„NATO wird Ukraine weiter unterstützen, ist aber nicht Teil des Konflikts“
Stoltenberg bekräftigte aber, das westliche Bündnis werde nicht in die Kämpfe eingreifen. „Die NATO wird die Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung weiter unterstützen, ist aber nicht Teil des Konflikts. Wir helfen dem Land, aber wir werden keine NATO-Soldaten in die Ukraine senden.“ Man habe die eigene Verteidigung mit 40.000 Soldaten unter NATO-Kommando gestärkt. Das Bündnisgebiet sei zu Lande, zu Wasser und in der Luft gesichert. „Das ist eine klare Botschaft an Moskau, damit es dort keine Missverständnisse über unsere Abwehrbereitschaft gibt.“

Auf dem NATO-Gipfel Ende Juni in Madrid werde die Allianz erklären, dass Russland kein Partner mehr sei, sondern eine Bedrohung „für unsere Sicherheit, für Frieden und Stabilität“, sagte Stoltenberg. Auch China werde erstmals in einem Papier vorkommen. „Denn Chinas Aufstieg ist eine Herausforderung für unsere Interessen, unsere Werte und unsere Sicherheit.“

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