„Klare Warnung“

Droht Kasachstan dasselbe Schicksal wie Ukraine?

Ausland
19.06.2022 14:36

Sollten sich die Länder der ehemaligen Sowjetunion gegen den Kreml stellen, so riskieren sie laut Wladimir Putin, das Schicksal der Ukraine zu teilen. Von Experten wird die Äußerung als „klare Drohung“ interpretiert. Von der Gefahr eines Atomkriegs sei zwar abzusehen, Putin weist jedoch darauf hin: „Alle sollen wissen, was wir haben.“

Mit seiner Drohung reagiert der russische Präsident auf die Äußerung von Kassym-Jomart Tokajew, dem kasachischen Staatschef, der am Freitag beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg live im Fernsehen sagte, er erkenne die ostukrainischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk im Donbass nicht als selbstständige Staaten an.

Auf die Aussage soll Putin prompt zurückgeschlagen haben: „Was ist die Sowjetunion? Das ist das historische Russland.“ Anschließend lobte er Kasachstan als brüderliche Nation, bevor er in einer kaum verhüllten Drohung hinzufügte: „Dasselbe hätte auch mit der Ukraine passieren können, absolut, aber sie wären nicht unsere Verbündeten.“

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Was ist die Sowjetunion? Das ist das historische Russland.

Wladimir Putin

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Er macht ihm klar, dass Kasachstan die nächste Beute Russlands sein könnte.

Beobachter in Nur-Sultan

Ein Beobachter in Nur-Sultan, der kasachischen Hauptstadt, sagte, Tokajew habe Putin vor seinen Anhängern gedemütigt, und die Drohung sei real: „Er macht ihm klar, dass Kasachstan die nächste Beute Russlands sein könnte.“ 

„Das ist eine klare Drohung“
Auch Maximilian Hess, Mitarbeiter des Foreign Policy Research Institute, meinte einem Bericht des „Telegraph“ zufolge: „Dies ist eine klare Drohung.“ Tokajew sei besonders verwundbar, weil er sich im Jänner auf Putins Unterstützung verlassen habe, um Rivalen im Kampf um die Macht in Kasachstan zu besiegen.

Der russische Präsident Wladimir Putin bei der Plenarsitzung des Internationalen Wirtschaftsforums Sankt Petersburg (SPIEF) in Sankt Petersburg (Bild: APA/AFP/Olga MALTSEVA)
Der russische Präsident Wladimir Putin bei der Plenarsitzung des Internationalen Wirtschaftsforums Sankt Petersburg (SPIEF) in Sankt Petersburg

Andere Analysten wie etwa Dimash Alzhanov, ein kasachischer Politologe, waren bei Putins Aussage skeptischer. „Kasachstan ist bereits fest im russischen Einflussbereich verankert. Putin hat es nicht nötig, die Grenzen der UdSSR wiederherzustellen, um es zu kontrollieren“, so Alzhanov. 

Armee ist Russland nicht gewachsen
Vom Norden Kasachstans aus betrachtet, ist eine Invasion jedoch kein abstraktes Konzept: Dort liegen viele Metall- und Seltenerdvorkommen. Eines der größten Öl- und Gasprojekte, Karachaganak - an dem Shell beteiligt ist -, liegt in der Nähe von Uralsk unweit der Grenze zu Russland. Die kasachische Armee ist schwach und selbst dem geschwächtem Zustand der russischen Streitkräfte nicht gewachsen.

Im vergangenen Monat beschuldigte der russische Außenminister Sergej Lawrow Kasachstan, biologische Labors der USA zu beherbergen, die für den Bau von Waffen genutzt werden könnten - ein Vorwurf, den er auch der Ukraine und Georgien, Russlands Feinden, macht. Auch wenn Kasachstan ein enger Verbündeter Moskaus ist, stellte Tokajew sich nicht vollständig hinter die Invasion in der Ukraine: „Es gibt verschiedene Meinungen, wir sind eine offene Gesellschaft.“

Sorgen und Ängste vor Atomwaffen
Wegen des seit fast vier Monaten andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine machen sich viele Sorgen, dass es im schlimmsten Fall sogar zum Einsatz von Atomwaffen kommen könnte. Moskau wies diese Absicht stets zurück. Russland betont vielmehr immer wieder, dass es - anders als die USA - in seiner Militärdoktrin kein Erstschlagrecht verankert habe. 

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Alle sollen wissen, was wir haben und was wir gegebenenfalls einsetzen werden, um unsere Souveränität zu schützen.

Wladimir Putin

„Wir bedrohen nichts“
Sobald man auf Äußerungen ausländischer Politiker reagiere, hieße es sofort, Russland drohe irgendjemandem, sagte Putin am Freitag in St. Petersburg. Anders als im Gespräch mit dem kasachischen Staatschef fügte er aber hinzu: „Wir bedrohen nichts“, erinnerte aber daran: „Alle sollen wissen, was wir haben und was wir gegebenenfalls einsetzen werden, um unsere Souveränität zu schützen.“

Aufruf zur vollständigen Vernichtung von Atomwaffen
Vor der am Dienstag beginnenden Konferenz zum Vertrag über die Abschaffung von Atomwaffen in Wien fordert Kasachstan die vollständige Vernichtung nuklearer Waffen bis 2045 und stellt sich damit erneut gegen Russland. Die Ex-Sowjetrepublik hat wie die Ukraine und Belarus nach dem Zerfall der Sowjetunion die auf ihrem Gebiet stationierten Atomwaffen an Russland übergeben. Unter anderem ist in Kasachstan das Atomwaffentestgelände Semipalatinsk beheimatet, wo zwischen 1949 und 1989 Hunderte Atomtests stattfanden, das aber nach der Unabhängigkeit Kasachstans geschlossen wurde.

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