Wahl in Frankreich
Schwerer Schlag: Macron verfehlt absolute Mehrheit
Frankreichs wiedergewählter Präsident Emmanuel Macron hat mit seinem Mitte-Lager nach Hochrechnungen die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung klar verfehlt. In der Endrunde der Parlamentswahl am Sonntag kamen die Liberalen demnach auf 235 bis 240 der 577 Sitze. Das neue linke Bündnis, angeführt von Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon, dürfte mit 157 bis 163 Sitzen im Parlament vertreten sein. Für die absolute Mehrheit werden mindestens 289 Sitze benötigt (siehe Grafik unten).
Das Ergebnis ist ein schwerer Schlag für Macron, dessen Lager derzeit noch die absolute Mehrheit im Unterhaus des Parlaments hält. Denn normalerweise wird die kurz nach der Präsidentschaftswahl abgehaltene Parlamentswahl als Bestätigung gesehen, sodass oft die gleiche politische Kraft mit absoluter Mehrheit siegt. Einen enormen Erfolg verbuchten hingegen das neue Linksbündnis, das damit als mächtigste Oppositionsgruppe mehr Einfluss erhält.
Mélenchon bekräftigte in einer ersten Reaktion seinen Anspruch auf die Regierungsverantwortung. „Alle Möglichkeiten sind in eurer Hand“, rief er vor jubelnden Anhängern in Paris. „Das ist ein totales Debakel der Präsidentenpartei“, sagte er. Mélenchon sprach auch von einer „Wahlniederlage des Macronismus“.
Premierministerin Elisabeth Borne versprach, das Wahlergebnis zu „respektieren“ und „Konsequenzen“ ziehen zu wollen. „Wir werden ab morgen dafür arbeiten, eine handlungsfähige Mehrheit zu bilden“, kündige sie an. Es gebe keine Alternative zur Zusammenarbeit, „um sicherzustellen, dass es Stabilität gibt“.
Rechtspopulisten gewinnen stark dazu
Der große Sieger der Parlamentswahl könnte die rechtspopulistische Partei Rassemblement National sein, die nach Hochrechnungen mit 85 bis 90 Abgeordneten in die Nationalversammlung einzieht - mindestens zehnmal so viel wie bisher. Damit wird sie voraussichtlich drittstärkste Kraft im Parlament. Derzeit haben sie lediglich sechs Abgeordnete.
Le Pen begrüßte das unerwartet gute Abschneiden ihrer Partei. Der Rassemblement National werde „die größte Fraktion in der Geschichte (ihrer) politischen Familie“ in der Nationalversammlung bilden, sagte sie am Sonntag in Hénin-Beaumont.
Das bedeutet, dass sie erstmals eine eigene Fraktion bilden kann, was wiederum mehr Geld und mehr Redezeit bedeutet. Spitzenkandidatin der Rassemblement National ist Marine Le Pen, die bei der Präsidenten-Stichwahl Macron unterlegen war. Parteichef Jordan Bardella sprach von einem „Tsunami“ für seine Partei. „Das französische Volk hat Emmanuel Macron zu einem Minderheitspräsidenten gemacht“, sagte er dem Sender TF1.
Die bisher stärkste Oppositionskraft im Parlament und traditionelle Volkspartei der Republikaner plus Verbündete kamen auf 60 bis 78 Sitze, eine herbe Schlappe. Allerdings könnte die Regierung von Macron sich bei der Suche nach Unterstützung im Parlament nun möglicherweise verstärkt an die bürgerlich-konservativen Républicains halten.
Regieren wird viel schwieriger
Bei der Parlamentswahl ging es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Dafür benötigte er eine Mehrheit im Parlament. Mit einer nun nur noch relativen Mehrheit sind der Präsident und die Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. So eine Regierung gab es zuletzt vor mehr als 30 Jahren unter François Mitterrand (1988-1991).
Besonders schwer wiegt für Macron, dass die Parlamentswahl in Frankreich eigentlich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen traditionell vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zu Hause. Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren, hätte der 44-Jährige davon profitieren sollen. Nun konnte aber das Linksbündnis genügend Unterstützer mobilisieren, um es dem Präsidenten von jetzt an schwer zu machen.
Zum Nachteil des Linksbündnisses war das komplizierte Wahlsystem, das zu teils gravierenden Unterschieden zwischen prozentualem Stimmanteil und der Sitzverteilung führt. Dabei zählen am Ende nur die Stimmen für den Gewinner im jeweiligen Wahlkreis.
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