Definition eines Bergs

Höhe, Dominanz, Prominenz: Diese Werte zählen

Kärnten
20.06.2022 16:00

Was macht einen Gipfel zum eigenständigen Berg? Wie wird seine Höhe berechnet? Fühlt sich diese immer gleich an? Fragen über Fragen! Hier finden Sie die Antworten darauf.

„Vereinfacht gesagt, ist ein Berg nur dann ein Berg, wenn es vom höchsten Punkt nach allen Seiten hinunter geht“, so Dr. Peter Horn. Der 64-jährige Finkensteiner ist nicht nur ein begeisterter und leidenschaftlicher Alpinist, sondern auch fasziniert von der Welt der Zahlen. Kein Wunder, war Peter doch bis zur Pensionierung der Leiter des Controllings bei der Bank Austria: „Dennoch reicht eine geografische Erhebung allein nicht aus, um als Berg zu gelten. Es muss schon eine deutliche Erhebung sein. Auch die Höhe allein definiert einen Berg nicht automatisch als Berg.“ Auf die Größe allein kommt es somit nicht an.

Großglockner mit Kleinglockner, der kein eigenständiger Gipfel ist (Bild: Wallner Hannes)
Großglockner mit Kleinglockner, der kein eigenständiger Gipfel ist

Dominante Erscheinung
„Um als Berg bezeichnet zu werden, braucht dieser zwei andere Eigenschaften als allein seine Höhe, und zwar die Dominanz und die Schartenhöhe, auch Prominenz genannt“, erklärt Peter. Die (orthografische) Dominanz ist ein Maß, wie freistehend sich ein Berg im Gelände darstellt oder anders: der Radius, in dem der Berg sich als die höchste Erhebung darstellt. Als Beispiel nehmen wir den Großglockner mit einer Dominanz von 175 Kilometern bis zur Königsspitze in Südtirol, die um 53 Meter höher ist. Der Mont Blanc überragt alle Berge im Umkreis von 2812 Kilometern.

Oisternig-Ostgipfel mit dem höheren Hauptgipfel dahinter (Bild: Wallner Hannes)
Oisternig-Ostgipfel mit dem höheren Hauptgipfel dahinter

Prominenz als Alleinstellungsmerkmal
Peter: „Bei der Schartenhöhe geht es um die Selbstständigkeit eines Berggipfels. Das bedeutet, wie weit muss ich vom Gipfel hinabsteigen, um dann wieder auf den nächsthöheren Gipfel aufzusteigen.“ Peter hat ein kurzes Gedankenexperiment vorbereitet: „Lässt man den Meeresspiegel so lange ansteigen, bis die letzte Landverbindung zwischen unserem Beispielberg, dem 3798 Meter hohen Großglockner und dem im Verlauf nächsthöheren Gipfel, in diesem Fall ist es der 3905 Meter hohen Ortler, eine Insel bilden beginnt, dann ist diese zuletzt überflutete Geländebrücke die direkte Bezugsscharte. Im Fall Großglockner Ortler ist dies übrigens der Brennerpass. Die Höhendifferenz zwischen Glockner und Brenner ist somit die Schartenhöhe. Konkret beträgt diese 2428 Meter und ist damit die zweithöchste Schartenhöhe in den Alpen überhaupt.“

Peter Horn in seinem Garten beim Studium von Landkarten (Bild: Wallner Hannes)
Peter Horn in seinem Garten beim Studium von Landkarten

Eigene Standards für Berge
Die UIAA, also die Union Internationale des Associations d’Alpinisme, hat dafür sogar eigene Standards formuliert. Eine Erhebung ist ein Gipfel, wenn die Schartenhöhe mindestens 30 Meter beträgt. Daher ist der Kleinglockner kein eigener Gipfel, weil die Schartenhöhe nur 17 Meter beträgt. Um bei einem Gipfel auch von einem eigenständigen Berg zu sprechen, braucht es in den Alpen sogar ein Mindestmaß von 100 bis 300 Meter Schartenhöhe. Im Himalaya sind es sogar 500 Meter, weshalb der Lhotse Shar etwa nicht als 15-ter Achttausender gezählt wird.

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Bergsteiger haben schon immer die von ihnen bestiegenen Gipfel gezählt, deshalb brauchte es ganz klare Richtlinien und Standards, wann ein Berg ein Berg und ein Gipfel ein Gipfel ist.

Dr. Peter Horn

Ausnahmen gibt es so wie überall
Doch was wären diese Standards und Regeln, wenn es nicht dazu passende Ausnahmen geben würde? Ein Beispiel dafür ist etwa der 2052 Meter hohe Oisternig, der östlichste Zweitausender der Karnischen Alpen, auf dessen Ostgipfel sich ein markantes Kreuz befindet. „Wegen fehlender Dominanz und Schartenhöhe wäre der 2032 Meter hohe Ostgipfel eigentlich gar kein eigener Gipfel. Er ist es aber, weil er erstens in allen Karten eingezeichnet und zweitens vom Tal aus besonders markant zu sehen ist“, erklärt der Jurist. Noch etwas macht den Oisternig besonders: Die Feistritzer teilen sich diesen mit der Gemeinde St. Stefan, in dessen Gebiet sich auch der Hauptgipfel befindet.


Die Eitelkeit der Bergsteiger und die eigene Höhe
„Notwendig wurden diese Regeln wegen der Eitelkeit der Bergsteiger“, schmunzelt Peter, der im Alter von 15 Jahren zum ersten Mal auf dem Großglockner war: „Ich wollte immer wissen, was sich hinter einem Berg befindet und meistens stand da halt noch einer.“ Inzwischen sind alle Berge mittels GPS und Satelliten genau vermessen. „Obwohl die Höhe der Berge konstant ist, kann sich diese für uns Bergsteiger dennoch ändern“, so der Finkensteiner: „Denn ab 3000 Meter Höhe wird die Luft dünn und in mehr als 8000 Meter Höhe stehen Alpinisten nur noch 32 Prozent des Sauerstoffgehalts zur Verfügung. Sinkt der Luftdruck etwa durch ein Winter-Höhentief weiter, kann sich der 8848 Meter hohe Mount Everest schnell als Neuntausender anfühlen.“

Noch eine Zahlenspielerei hat der Jurist für uns: So ist vom Mittelpunkt der Erde aus gemessen nicht der Everest, sondern der 6263 Meter hohe Vulkan Chimborazo in Ecuador der höchste Berg der Welt. Dieser liegt zwei Kilometer weiter vom Erdmittelpunkt entfernt als der Everest, exakt 6384,557 Kilometer. Einfach erklärt: Die Erde ist keine Kugel, sondern ein Ellipsoid und der Radius an den Polen kleiner als am Äquator.

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