Eigentlich ausgerottet

Kinderlähmung-Erreger in Londons Abwasser entdeckt

Wissenschaft
22.06.2022 17:31

In einer besorgniserregend hohen Anzahl ist das Virus, das Kinderlähmung auslöst, in Abwasserproben in London nachgewiesen worden. Das teilte die britische Gesundheitsbehörde UKHSA am Mittwoch mit. Die Krankheit gilt seit 2003 in Großbritannien als ausgerottet. Nun wurde das Virus wahrscheinlich von einer Person nach London eingeschleppt, die kürzlich im Ausland mit einer lebenden Form des Virus geimpft wurde, so die UKHSA. Sie hat einen nationalen Zwischenfall ausgerufen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über die Situation informiert.

Die Behörde sorgt sich aufgrund der geringen Impfquote gegen Kinderlähmung in London. „Der größte Teil der britischen Bevölkerung ist durch die Impfung im Kindesalter geschützt, aber in einigen Gemeinden mit geringer Durchimpfung können einzelne Personen weiterhin gefährdet sein“, so Dr. Vanessa Saliba, beratende Epidemiologin bei der UKHSA. So hätten in London nur etwa 86 Prozent der Bevölkerung die ersten drei Impfdosen verabreicht bekommen. Im übrigen Vereinigten Königreich liege die Quote hingegen über der Zielvorgabe von 90 Prozent.

Aufruf zu Impfung
Die Behörde hält das Risiko zwar für gering, Eltern sollten aber sicherstellen, dass ihre Kinder vollständig gegen die auch als Polio bekannte Krankheit geimpft sind. In Großbritannien wird ein inaktivierter Polio-Impfstoff als Teil des Routineprogramms für Kinder verwendet. Er wird dreimal vor dem ersten Lebensjahr verabreicht, und dann noch einmal im Alter von drei und 14 Jahren. Der Gesundheitsdienst in London will sich jetzt an die Eltern von Kindern unter fünf Jahren in London wenden, die ihre Impfungen noch nicht erhalten haben.

In den vergangenen vier Monaten hat die britische Gesundheitsbehörde das Poliovirus in Proben gefunden, die in einer Kläranlage entnommen wurden, in dem die Abwässer von einer Bevölkerung von vier Millionen Menschen im Norden und Osten Londons geklärt werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Virus von einer Person stammt, die im Ausland mit dem Polio-Lebendimpfstoff immunisiert wurde, der in Großbritannien seit 2004 nicht mehr verwendet wird. Diese Person habe dann Spuren des Virus ausgeschieden, die bei den Abwasserproben nachgewiesen wurden.

Infektion kann zu Lähmungen führen
In seltenen Fällen kann diese Form des Virus dann auf andere übertragen werden und zu der sogenannten impfstoffbedingten Polio mutieren. Diese Form ist zwar schwächer als die ursprüngliche oder „wilde“ Form der Krankheit, kann aber bei ungeimpften Personen immer noch schwere Krankheiten bis hin zu Lähmungen hervorrufen.

Weltweit werden bereits Kinder per Schluckimpfung gegen Polio immunisiert. (Bild: APA/AFP/Arun SANKAR)
Weltweit werden bereits Kinder per Schluckimpfung gegen Polio immunisiert.

Fakten

  • Kinderlähmung ist eine seltene Krankheit, die meist durch Schmierinfektion übertragen wird.
  • Das kann der Fall sein, wenn sich eine Person nach dem Toilettengang nicht die Hände wäscht und dann mit Lebensmitteln oder Wasser in Berührung kommt.
  • Die meisten Menschen haben keine Symptome und bekämpfen das Virus, ohne zu merken, dass sie infiziert sind.
  • Bei einer kleinen Anzahl von Menschen treten grippeähnliche Symptome für bis zu drei Wochen auf.
  • Sehr selten greift das Poliovirus die Nerven an, was zu Lähmungen, vorwiegend in den Beinen, führen kann.
  • Wenn die Atemmuskulatur betroffen ist, kann dies lebensbedrohlich sein.

Eine winzige Anzahl von Proben des Poliovirus wird jedes Jahr bei der Abwasserüberwachung entdeckt, nun wurde aber zum erste Mal eine Gruppe genetisch verbundener Proben wiederholt über einen Zeitraum von Monaten gefunden. Den Gesundheitsbehörden zufolge deutet das darauf hin, dass sich das Virus zwischen eng miteinander verbundenen Personen in London ausgebreitet hat. Es wurden keine tatsächlichen Fälle von Polio festgestellt, und es gab keine Berichte über seltene, aber schwere Symptome im Vereinigten Königreich. 

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