68 Schulverweise wegen Gewalt und anderer Delikte stehen in diesem Schuljahr zu Buche. Im „Krone“-Interview erläutert Bildungsdirektor Paul Gappmaier die Strategien der Schulbehörden zur Krisenbewältigung.
„Krone“: Wie viele Suspendierungen von Schülerinnen und Schülern gab es heuer bereits an Tirols Schulen?
Paul Gappmaier: Bisher gab es im Schuljahr 2021/22 insgesamt 68 Suspendierungen von Schülerinnen und Schülern – allerdings nicht nur wegen Gewalt. Gründe, die zu einer Suspendierung führen können, sind die Gefährdung der körperlichen Sicherheit, der Sittlichkeit oder des Eigentums von Mitschülerinnen und Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen. Im Schuljahr 2019/20 gab es 46 Suspendierungen, im Schuljahr 2020/21 waren es 34. Die Zahlen sind jedoch nicht seriös vergleichbar, weil aufgrund der Pandemie über mehrere Monate hinweg immer wieder Distance Learning stattfand.
Es muss leider festgestellt werden, dass die Intensität der Gewalt zugenommen hat, möglicherweise auch als Folge der besonderen Umstände der Pandemie.
Paul Gappmaier, Leiter der Bildungsdirektion des Landes Tirol
Welche Konsequenzen zieht die Bildungsdirektion daraus?
Die Bildungsdirektion hat ein Konzept für den Umgang mit Suspendierungsverfahren/Gewalt an Schulen entwickelt. Ziel ist die geordnete Wiedereingliederung suspendierter Schülerinnen und Schüler in den Alltag. Das Schulqualitätsmanagement wie auch das Diversitätsmanagement der Bildungsdirektion für Tirol sind in diesen Fällen auch mit den Lehrpersonen und Schulleitungen in regelmäßigem Austausch und unterstützen diese. Außerdem stehen bei Bedarf auch die Schulpsychologie und andere Unterstützungssysteme wie die Schulsozialarbeit zur Verfügung.
Laut Ihrer Homepage gibt es ein großes Hilfsangebot für Krisenfälle. Reicht dieses Angebot aus?
Die Zahl von 68 Suspendierungen muss in Relation zur Gesamtzahl der rund 95.000 SchülerInnen in Tirol gesehen werden. Es wäre unrealistisch anzunehmen, dass es bei einer so hohen Zahl niemals zu Gewalt kommen würde. Die Bildungsdirektion unternimmt alles, um präventiv zu wirken und vor allem auch aktiv tätig zu werden, wenn es an einer Schule zu Gewalt gekommen ist.
Wohin können sich besorgte Eltern als Allererstes wenden, wenn es Probleme in der Schule bzw. am Schulweg gibt?
Als Erstes sollte der Weg immer zur Lehrperson bzw. zur Direktion führen. Wenn dies zu keiner zufriedenstellenden Lösung führen sollte, steht der Weg zur Bildungsdirektion offen, die den Sachverhalt sorgfältig prüft und danach entscheidet. Schulqualitätsmanagement, Diversitätsmanagement, Schulpsychologie und Rechtsabteilung kümmern sich gemeinsam um konkrete Fälle.
Zum konkreten Fall in Innsbruck, wo eine Schülerin am Schulweg verprügelt wurde: Hat hier das Krisenmanagement der Schule versagt?
Im konkreten Fall hat es sich um einen Vorfall außerhalb der Schule gehandelt, wie auch im „Krone“-Artikel festgehalten wurde. Abgesehen davon, dass auch der Schüler A. verletzt worden ist, handelt es sich bei den genannten Schwestern nicht um Schülerinnen derselben Mittelschule. Vor allem ist auch wichtig festzuhalten, dass beide Seiten, also auch jene des ebenfalls verletzten Schülers A., gesehen werden müssen. Ein wesentlicher Aspekt jedes Krisenmanagements muss zweifellos sein, keine einseitige Betrachtungsweise entstehen zu lassen. Der nun gewalttätig gewordene Schüler ist seit geraumer Zeit aufgrund seiner Hautfarbe und Herkunft mit massiven rassistischen Beleidigungen und Kränkungen vonseiten mehrerer Familien - auch der betroffenen Familie - konfrontiert.
Der Schüler leidet sehr stark unter diesen rassistischen Aussagen, weshalb er bereits mehrfach aus gesundheitlichen Gründen der Schule fernblieb und sich auch beim Verein ZEMIT (Zentrum für Migrant/innen in Tirol) Unterstützung geholt hat. In dem Fall ist es zu gegenseitigen Anzeigen bei der Polizei gekommen. Es ist daher eindeutig Sache der Polizei, den Sachverhalt zu klären. Dennoch sind Schule und Bildungsdirektion tätig geworden, um die Situation einer Lösung zuzuführen.
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