„Krone“-Interview

Awolnation: „Dieses Album hat mir Kraft gegeben“

Musik
25.06.2022 06:00

Vor mehr als zehn Jahren wurde aus dem semierfolgreichen Indie-Musiker Aaron Bruno aka Awolnation mit „Sail“ ein Superstar. Obwohl auch alle Nachfolgealben großartige Musik aufboten, muss er sich noch immer mit dem Top-Hit messen. Bevor das fünfte Studioalbum finalisiert wird, hat der Kalifornier mit „My Echo, My Shadow, My Covers, And Me“ zum ersten Mal den großen Songs seiner Kindheit und Jugend gehuldigt. Im „Krone“-Talk erklärt er, warum das Projekt nicht nur Befriedigung eigener Bedürfnisse diente und wie man am leichtesten große Namen als Gastsänger gewinnt.

„Krone“: Aaron, statt eines neuen Studioalbums gibt es erst einmal das Coveralbum „My Echo, My Shadow, My Covers, And Me“. Ich war sehr überrascht davon, dass es so extrem nach den 80ern klingt und auch sehr viele Tracks von dort verwendet wurden. Das liegt wohl daran, dass du zu der Zeit aufgewachsen bist?
Aaron Bruno:
 Ich habe mich in die Kraft und die Emotionen dieser Songs von damals verliebt. Meine Eltern haben diese Lieder sehr oft im Radio gehört und diesen Einfluss hörst du bei mir ganz klar raus. In den späten 80er- und 90er-Jahren habe ich dann mehr Underground-Indie-Musik entdeckt.

Auf deinem Coveralbum ist aber sehr viel Platz für wuchtige Hits und große Melodien. „Eye In The Sky“, „Material Girl“, „Take A Chance On Me“. Interessant für jemanden, der eigentlich aus dem Hardcore und Punk kommt…
Ich liebe Melodien über alles und die Songs habe ich gewählt, weil die Vibes gepasst haben oder ich sie oft selbst auf Tour gehört habe. Ich habe sie oft gehört, wenn ich mit meiner Frau unterwegs war und wir haben dann mitgesungen. Es gab keine großen Gründe, warum ich welche Songs gewählt habe. Ich könnte 20 solcher Alben machen, aber aus irgendwelchen Gesichtspunkten sind nun eben genau diese Songs darauf gelandet.

Interessant. Ich dachte, dass du mit den Songs bestimmte Erinnerungen verknüpfst. Vielleicht den ersten Kuss, besondere Partys, den letzten Schultag vor den großen Ferien… Hast du die Songs mit den Gastmusikern gemeinsam ausgewählt?
Ich hatte die Grundidee und bin dann auf die anderen zugegangen in der Hoffnung, dass sie auch an Bord sein würden. Einer der wenigen Vorteile an den Lockdowns war, dass kaum jemand wirklich beschäftigt war und schon gar niemand unterwegs. Ich konnte die Leute also sehr gut erreichen und die Hoffnung, dass sie teilnehmen würden, stieg beträchtlich. Mir ging es auch darum, dass wir Künstler uns verbinden, wenn auch aus der Entfernung auf einem metaphorischen Weg. Derzeit wäre so ein Projekt kaum zu stemmen, aber während der Lockdowns waren alle froh über die Tätigkeit. Physisch getroffen hätten wir uns aber auch vor 20 Jahren nicht, die Zeit hätte keiner gehabt. Aber wenn man den Song schickt und dem Gast sagt, er kann dazu singen, wo und was er will, dann erhöht das die Chance auf ein erfolgreiches Projekt. So wurden die Songs spannender, als hätte ich sie alleine gemacht.

Hat eigentlich jeder deiner gewünschten Gäste gleich zugesagt und sich auf das Projekt eingelassen?
Die meisten waren wirklich froh, dass sie etwas zu tun hatten. Viele hingen fast schon zwei Jahre daheim herum. Mit diesem Album habe ich auch eine Kampagne für die seelische Gesundheit von Musikern gestartet. Musik war für mich immer die beste Therapie. Auch für mich waren die letzten Jahre nicht einfach, aber ich konnte mich sehr gut mit der Musik ablenken. Ich habe mich noch mehr in die Arbeit geworfen und mehr Sport betrieben. Andere hatten es wirklich hart. Sie konnten sich nicht motivieren und hingen nur daheim herum. Ein paar Künstler waren sicher froh, daran teilnehmen zu können. Ich hoffe, dass ich damit auch für andere etwas Gutes gemacht habe.

Ist eines deiner Ziele, dass mehr über diese Problematik gesprochen wird?
Ich habe keine richtige Antwort dafür. Das wird jetzt etwas persönlich, aber aus jeder brutalen und schweren Erfahrung in meinem Leben, erwuchs am Ende ein Album. Der Verlust geliebter Menschen, blöde Fehler, gebrochene Herzen - das waren alles Wegbereiter für einige Songs, die dann zu Alben führten. Ich bin kein Experte für Mental-Health-Themen, aber aus meiner Warte aus kann ich sagen, dass ich mich durch die Musik nie allein fühlte. Auch wenn ich vielleicht gerade allein war. Ich bin dankbar und weiß, dass ich sehr privilegiert bin, andere Menschen mit meiner Musik zu erreichen. Wenn meine Musik für andere so einen Einfluss hat, wie meine Helden auf mich, dann habe ich sehr viel erreicht.

Stimmt es, dass die besten Songs im Leben aus den schmerzhaftesten, brutalsten Momenten entstehen?
Das ist gut möglich, dass da mehr als nur ein Körnchen Wahrheit drinsteckt. Bevor ich mein Awolnation-Debüt „Megalithic Symphony“ 2011 veröffentlichte, war meine Karriere als Musiker völlig am Boden. Sie war quasi tot und ich war zudem komplett pleite. Ein paar Bands haben versagt und aus all diesen Erfahrungen wurde Awolnation geboren. Plötzlich hatte ich Erfolg. Das zweite Album „Run“ (2015) basierte auf einer längeren mentalen Isolation, die ich durchschritten hatte. Ich war sehr konfus unterwegs und habe meine Energie in die Musik gelenkt. „Here Comes The Runts“ (2018) war inspiriert von persönlichen Tiefschlägen und Unsicherheiten und bevor ich 2020 „Angel Miners & The Lightning Riders“ veröffentlichte, wurde mein Studio Opfer der Waldbrände in Kalifornien. Und das Coveralbum entstand aus der Angst davor, wie das Leben jetzt weitergehen würde oder ob überhaupt. Mein letztes Album ging unter, weil die Lockdowns kamen und alle Touren abgesagt wurden. So ging es vielen, aber dadurch hatte ich keine große Lust, neue Songs für ein neues Album zu schreiben. Die Cover-Songs waren für mich therapeutisch und haben mir Kraft und Motivation für ein richtiges Studioalbum gegeben. Daran arbeite ich momentan.

Und du hattest wirklich überhaupt keine Agenda für diese Cover-Songs?
Im Sinne dessen, dass zum Beispiel nicht jeder Song aus dem Jahr 1995 oder von Künstlern aus Großbritannien kommen sollte. Ich habe mich vom Flow leiten lassen. Am Wichtigsten war mir der Opener „Beds Are Burning“, den Song wollte ich schon immer covern. Ich habe Rise-Against-Sänger Tim McIlrath gefragt, und er war sofort an Bord. Da kam mir die Idee, dass ich das Konzept weiterverfolgen und andere Künstler fragen könnte. Im Prinzip habe ich die Songs zuerst aufgenommen und dann an die Künstler weitergeleitet. Das war bei Beck, Conor Mason von Nothing But Thieves oder Jewel dasselbe System. Viele Songs, die ich covern wollte, kann ich selbst gar nicht singen. Das hat viel ausgeschlossen. Es hat aber Spaß gemacht und vielleicht mache ich ja nach den nächsten zwei oder drei richtigen Studioalben einen Cover-Nachfolger. Viele meiner Fans waren anfangs enttäuscht, weil sie neue Musik hörten. Das habe ich in den Kommentaren deutlich herausgelesen. Ich musste das Projekt aber in die Hand nehmen, um wieder die Motivation und Freude für neue Songs zu kriegen. Diese neuen Songs lauern schon um die Ecke, ihr müsst nur noch ein bisschen Geduld haben. (lacht)

Haben die Songs sich den Gast quasi ausgesucht? War dir etwa sofort klar, dass „Eye In The Sky“ nur von Beck und niemand anderem gesungen werden kann?
Ich bin ein so großer Fan von Musik und all diesen Künstlern, dass es sich mit Fortdauer der Songentstehung einfach natürlich ergab, wo jemand gut reinpasste. Beck und Jewel habe ich recht interessant gefunden. Jewel hat ein Charity-Streaming-Konzert gegeben und mich gefragt, einen zufälligen Song dafür zu covern. Genaugenommen war es ein gemeinsamer Freund. Also habe ich einen Song von meinem Lieblingsalbum von Beck gecovert, „Sea Change“. Das hat er auf YouTube gesehen und gemeint, die Version wäre wunderschön. So habe ich ihn gleich gefragt, ob er auf meinem Coveralbum sein möchte und er war sofort an Bord. Jewel wollte ich für den ABBA-Song „Take A Chance On Me“ haben und sie war begeistert. Die Dinge haben sich teilweise so gefügt, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Manches lässt sich nicht planen, es muss einfach passieren. Diese Geschichte ist das beste Beispiel dafür.

Wenn wir schon bei ABBA sind - was hältst du von ihrem großen Comeback und den „ABBAtar“-Shows, die unlängst in London gestartet sind?
Ich bin nicht wirklich so gut mit der Historie von ABBA bewandert. „Take A Chance On Me“ haben wir auf Tour oft als Warm-Up für die Fans gespielt. Wenn die Menschen dann laut mitsingen, dann kannst du schon davon ausgehen, dass die Show gut wird. Das war ein auf jeden Fall Gradmesser. So etwas wie die „ABBAtar“-Shows kann ich mir für Awolnation nicht vorstellen. Wenn es altersbedingt einmal so weit ist, dann bin ich wohl einfach glücklich darüber, daheim zu sein. (lacht)

Deine erste Singleauskoppelung war der Scorpions-Klassiker „Wind Of Change“. Der Song hat sehr viele Menschen überrascht. Konnotierst du damit eine politische Erinnerung?
Ich versuche mich so weit wie möglich von der Politik fernzuhalten. Das Timing hat mich richtiggehend erschreckt, es war geradezu bizarr. Wir hatten den Song ein paar Tage draußen und dann begann der Krieg in der Ukraine. Als ich daheim im, Jugendzimmer den Fernseher aufdrehte, lief diese massive Ballade die ganze Zeit. Scorpions und Sinead O’Connor mit „Nothing Compares 2 U“ und R.E.M. mit „Losing My Religion“ - daran kann ich mich sehr gut erinnern. Diese Videos liefen wirklich konstant. Im Video der Scorpions hält jeder sein Feuerzeug hoch und erleuchtet diese riesengroße Arena. Für mich war das damals unvorstellbar, wie man so viele Leute für sich gewinnen könnte. Vor allem im Hinblick auf meine Musik. (lacht)

2011 wurden meine Shows immer größer und ich habe die Fans gefragt, ob sie mir zu so einem Scorpions-Moment helfen würden. Das wünsche ich mir jetzt schon gut zehn Jahre, also dachte ich, könnte ich dem Song auch endgültig Tribut zollen. Die Ballade ist so extrem groß, dass es sich verrückt anfühlte, sie überhaupt anzurühren. Aber gerade das hat mich gereizt. Brandon Boyd von Incubus und John Gourley von Portugal The Man waren meine Gastsänger. Die haben auch gar nichts damit zu tun. All diese nicht vorhandenen Verstrickungen führten dazu, dass die Idee in meinen Augen immer interessanter wurde. Und dann haben wir es einfach durchgezogen.

Wirst du mit dem Coveralbum auch auf Tour gehen und vielleicht vereinzelt ganze Shows nur mit Coversongs spielen?
Ich glaube eher nicht. Eine spezifische Cover-Tour wird es eher nicht gehen, aber ich habe jetzt die Möglichkeit, immer wieder ein paar Songs in ein Set einzustreuen. Nur die Zeit kann uns beantworten, welche davon sich dann auch wirklich für die Bühne eignen. Bei meinen eigenen Songs passierte es auch oft, dass die Songs, die für mich klare Favoriten waren, oft weniger gut angenommen wurden als andere. Ich hüte mich also, bei den Coversongs eine Einschätzung abzugeben, welcher am Besten passen würde. In ein paar Monaten kann ich das vielleicht besser beantworten, aber zwei, drei Songs würden sicher gut passen.

Vielleicht würde sich ja auch eine exklusive Sommershow in Kalifornien ausgehen, wo du das Album mit allen Gästen durchspielst. Sehr schwierig, aber nicht unmöglich…
Das wäre natürlich großartig, aber die Chancen dafür sind so gut wie nicht vorhanden. Ich habe schon ein paar Mal mit Duff McKagan gespielt, mit Rivers Cuomo haben wir den Pixies-Song „Where Is My Mind“ gespielt. Alles ist möglich und ich habe ein gutes Gefühl, dass Jewel vielleicht einmal die Zeit hätte, bei der einen oder anderen Show dabei zu sein. Ich hoffe es zumindest.

Gibt es Bands oder Künstler, an denen du bei deren Songs aus bestimmten Gründen niemals Hand anlegen würdest?
Nirvana und die Beatles sind einfach nicht zu covern für mich. Kurt Cobain ist mein größter Einfluss und war für mich auch der allergrößte Songwriter. Das ist so ein großer Schatten, es fühlt sich einfach nicht richtig an, seine Songs covern zu wollen. Die Beatles hingegen sind schon komplett ausgespielt, das fühlt sich irgendwie absurd an. Wir haben einmal in Italien und in Holland gespielt und mein Gitarrist sollte „Smells Like Teen Spirit“ spielen. Ohne dass wir das davor groß erklären, einfach voll rein. Er hat den Song auch gesungen und die Leute sind völlig ausgezuckt. Ich bin dann am Bühnenrand gestanden und habe die Performance meiner Band genossen. Das ist jetzt ein Inside-Joke geworden, dass wir Nirvana offiziell gecovert haben, ich selbst aber nicht. Es bleibt also dabei, dass ich Nirvana nicht covere.

Wie sieht es nun mit dem kommenden Studioalbum aus? Wird das noch in diesem Jahr erscheinen?
Wir arbeiten schon an den Details daran und ich bin sehr aufgeregt, diese neuen Songs auch anderen Menschen zu zeigen. Ich kann noch nicht viel dazu sagen, ich bin nur sehr aufgeregt.

Awolnation gibt es jetzt etwas mehr als zehn Jahre. Wie hat sich die Band mittlerweile in deinen Augen entwickelt?
Es ist eine sehr interessante Entwicklung meines persönlichen Lebens und meiner Gedankenwelt. Ich sehe die Musik und die Kunst anders als früher. Ich habe heute andere Beziehungen mit Menschen. Irgendwie fühlt sich das so an, als hätte ich einen parallelen Geist, der immer neben mir hergeht und mich spiegelt. Schwer zu erklären, aber so fühlt es sich an.

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