Häftling zur „Krone“:

„Ich bin ein Mörder – aber ich will keiner sein“

Österreich
26.06.2022 06:00

Am 26. Juli beginnt der Prozess gegen jenen 52-Jährigen, der im Mai 2021 in Wals bei Salzburg seine Ex-Freundin und deren Mutter erschossen hat. Die „Krone“ führte nun im Gefängnis ein Interview mit dem Täter. Der als brandgefährlich gilt, aber von sich sagt, dass er „doch ganz harmlos“ sei.

Nicht klein, nicht groß. Nicht hässlich, nicht extrem gut aussehend. Nicht dick, nicht dünn. Auf den ersten Blick wirkt Gottfried O. wie der unauffällige „Mann von nebenan“.

Und als er nun freundlich lächelnd ein Besucherzimmer der Justizanstalt Salzburg-Puch betritt und höflich grüßt, könnte er fast für einen Gefängnisbeamten gehalten werden. Die Realität: eine andere. Der 52-Jährige ist ein Häftling; noch dazu jener, der das größte Verbrechen von allen derzeit hier Einsitzenden begangen hat.

Zehn Schüsse aus einer Glock-Pistole
Ein Verbrechen, das für Schlagzeilen sorgt, immer wieder, sogar über Österreichs Grenzen hinaus. Denn die Opfer waren eine Tante und eine Cousine des deutschen Schlagerstars Stefan Mross. Ein Verbrechen, so absurd, so grauenhaft. Geschehen am Abend des 5. Mai 2021, in einer noblen Villa in Wals-Siezenheim.

Der Tatort in der Edelweißstraße in Wals-Siezenheim: In diesem Wohnhaus kam es zur Bluttat. (Bild: Markus Tschepp)
Der Tatort in der Edelweißstraße in Wals-Siezenheim: In diesem Wohnhaus kam es zur Bluttat.

„Gottfried O. gab damals aus einer Pistole, Marke Glock, drei Schüsse auf Ingrid B. (76) ab“, ist in der Anklageschrift gegen ihn zu lesen, „danach feuerte er siebenmal auf Helga B. (50).“ Konfrontiert mit diesen Fakten, beginnt der Mann zu weinen: „Ich weiß bis heute nicht, wie ich so etwas Schreckliches tun konnte. Von Kindheit an bin ich der Meinung gewesen, dass ein Mensch, der einen anderen umbringt, ein Monster sein muss. Und dann habe ich selbst zwei Morde begangen. Aber ich bin kein Monster, ich mag keines sein.“

Er habe sich nach der „Doppel-Hinrichtung“ - wie die Tat im Gerichtsakt bezeichnet wird - suizidieren wollen: „Ich bin mit meinem Auto zum Wolfgangsee gefahren, hatte vor, ins Wasser zu gehen und mir eine Kugel in den Kopf zu jagen. Doch ich telefonierte auf der Fahrt dorthin mit Polizisten, und sie haben es geschafft, mich zu finden und meinen Tod zu verhindern.“

Helga (50) und Ingrid B. (76) wurden mit drei beziehungsweise sieben Kugeln aus einer Glock-Pistole getötet. (Bild: Krone KREATIV)
Helga (50) und Ingrid B. (76) wurden mit drei beziehungsweise sieben Kugeln aus einer Glock-Pistole getötet.

„Krone“: Sind Sie froh darüber?
Gottfried O.:
 Ich habe Verwandte, die mich lieben. Es wäre ihnen gegenüber unverantwortlich gewesen, mich zu killen. Ich hätte ihnen damit nämlich immenses Leid zugefügt.

Herr O., Ihre Opfer hatten auch nahestehende Angehörige, denken Sie manchmal an das Leid von ihnen?
Es gibt niemanden auf der Welt, der mehr um Helga trauert als ich. Ich habe sie unendlich geliebt.

Psychiater Peter Hofmann, der den Mann im Auftrag der Justiz untersucht hat, diagnostiziert ihm eine schwere Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Anteilen. Demzufolge sei er zu echter Liebe nicht fähig und würde eigene Bedürfnisse stets über die anderer Menschen stellen.

Gottfried O.: „Das stimmt nicht. Und gerade für Helga habe ich Wunderbares getan.“

„Ich fand sie schon immer sehr anziehend“
Als angeblichen „Beweis“ für seine Angaben präsentiert der 52-Jährige jetzt mit einer dramatischen Geste eine 19-seitige von ihm in seiner Zelle verfasste „Niederschrift“ über seine Beziehung mit der Frau:

Gottfried O. in der JVA Puch Urstein (Bild: Markus Tschepp)
Gottfried O. in der JVA Puch Urstein

Die Geschichte des ungleichen Paars - verwirrend, verstörend.

Helga B. und Gottfried O. kannten einander bereits seit den 1990er-Jahren, beide sind einst Stammgäste in einem Saunabetrieb im deutschen Freilassing gewesen: „Schon damals hat es zwischen uns gefunkt. Doch wir waren beide vergeben, deshalb blieb es bei verheißungsvollen Blicken.“

Wie auch immer: Der Kontakt zwischen ihnen sei danach „nie abgerissen, wir telefonierten mitunter miteinander“. Während ihre Leben völlig unterschiedlich verliefen. Die Frau aus wohlhabenden Verhältnissen machte Karriere bei einer Bank, blieb unverheiratet, hatte einige wenige Partnerschaften, verbrachte sonst viel Zeit mit ihrer Familie; ihren Eltern, ihrem Bruder.

Spurensicherer am Tag nach dem Verbrechen am Tatort (Bild: MARKUS TSCHEPP)
Spurensicherer am Tag nach dem Verbrechen am Tatort

Der Mann, ein gelernter Verkäufer, arbeitete vorerst in unterschiedlichen Jobs, „mein Traum wäre gewesen, Polizist zu werden“, aber er fiel bei Aufnahmeprüfungen durch, weswegen er schließlich eine Privatdetektiv-Ausbildung absolvierte. Zuletzt bewachte er Geschäfte. Und privat? Gottfried O. hat eine Tochter aus einer frühen, kurzen Verbindung und einen Sohn aus einer langen, die 2016 beendet wurde.

Wie und wann kam es dazu, dass er und Helga B. sich zu treffen begannen?

Ein Gerücht und ein böser Verdacht
„2019 rief sie mich an, weil sich eine Kollegin von ihr umgebracht hatte.“ Gerüchte waren kursiert bezüglich einer vorhergegangenen Liaison des Mannes mit der Betreffenden: „Diese Erzählungen entbehrten jeder Wahrheit. Genauso wie der verrückte Verdacht später, ich hätte sie vom Dach eines Hotels hinabgestoßen.“

Im März 2020 dann „tiefergehende Gespräche“ zwischen der Walserin und dem Salzburger: „Ihr Vater war infolge eines ärztlichen Kunstfehlers verstorben - und ich bot ihr an, den Fall zu klären.“ Ein Angebot, das die Frau dankend annahm, ihre Mutter und ihr Bruder jedoch ablehnten.

Video: Polizei und Rettungskräfte am Tatort

„Ich habe sie doch so sehr verwöhnt“
„Sie hielten mich für einen Eindringling und wollten mich von Helga fernhalten.“ Was - zunächst - nicht funktionierte: „Wir hatten laufend öfter Dates“, im Herbst 2020 gingen die zwei ein intimes Verhältnis ein.

„Ich nannte meine Freundin Dornröschen. Denn ich befreite sie aus ihrem einsamen Dasein, ich erweckte sie daraus. Außerdem schenkte ich ihr Blumen, Bonbonnieren und Schlüsselanhänger in Herzform. Und ich machte mit ihr das Elster-Spiel, das wir beide so lustig fanden.“

„Krone“: Das Elster-Spiel?
Gottfried O.: Die Elster ist als diebisch bekannt. Ich nahm also, wenn ich bei Helga übernachtete, Dinge aus ihrer Villa mit. Und brachte sie ihr beim nächsten Besuch zurück, mit einer schöneren, besseren Version davon.

Welche Dinge waren das?
Zum Beispiel Nippes-Figuren oder Modeschmuck. Oder einmal - die Speicherkarte ihres Fotoapparats.

Und das fand Ihre Partnerin tatsächlich spaßig?
Bei der Speicherkarte war sie ein bisschen wütend.

Polizeieinsatz am Tatort (Bild: Tschepp Markus)
Polizeieinsatz am Tatort

Überhaupt - dürfte sie sich ab Ende 2020 von Gottfried O. mehr und mehr bedrängt gefühlt haben. Durch Präsente, die er vor ihre Haustüre legte; durch Handynachrichten, die er ihr in Endlosschleife schickte; durch „Überraschungsvisiten“ von ihm. Im Jänner 2021 zeigte sie ihn wegen Stalking an, „aber nur auf Druck ihrer Familie“, so der Mann. Und nein, er habe Helga B. „natürlich niemals beschattet oder ihr Telefon abgehört. Wie ihr Bruder ständig behauptete.“

Der 52-Jährige liest nun aus einem Mail der Frau vom März 2021 an ihn vor, in dem sie geschrieben hatte, dass sie ihn nicht verletzen wolle. „Das zeigt doch: Sie meinte es ernst mit mir.“

Doppelmörder Gottfried O. in der JVA Puch Urstein mit Rechtsanwalt Andreas Schweitzer beim Interview der „Krone“ (Bild: Markus Tschepp)
Doppelmörder Gottfried O. in der JVA Puch Urstein mit Rechtsanwalt Andreas Schweitzer beim Interview der „Krone“

„Krone“: Und Sie kamen nicht auf die Idee, dass Helga B. auf sanfte Weise versuchte, sich von Ihnen zu trennen?
Gottfried O.: Nein. Denn sie hat sich ja - wenn auch selten - weiter mit mir getroffen.

Tat sie das vielleicht aus Angst vor Ihnen?
Sie fürchtete sich sicher nicht vor mir.

Sie haben sie letztlich getötet ...
Ich betone abermals: Ich verstehe mein entsetzliches Handeln nicht.

Ihre Erinnerungen an den Tattag?
Ich hatte Helga per WhatsApp für 18 Uhr zu einem Rendezvous auf einem Parkplatz gebeten. Sie kam nicht dorthin. Darum beschloss ich, später zu ihr zu fahren. Dazwischen trank ich in meiner Verzweiflung sechs Dosen Bier.

Und als die Frau gegen Mitternacht das Anwesen ihrer Mutter verließ und auf ihr danebenliegendes ging, stand Gottfried O. bereits im Eingangsbereich ihres Hauses. Ingrid B. sah ihn aus einem Fenster, eilte daraufhin zu ihrer Tochter. „Sie hat mich wild beschimpft und auf mich eingeschlagen. Und da hab ich losgeschossen“, mit der Waffe, die er noch vom Dienst bei sich trug, „in einem Tunnelblick.“

Anwalt Andreas Schweitzer verteidigt den Drittangeklagten. (Bild: Markus Tschepp)
Anwalt Andreas Schweitzer verteidigt den Drittangeklagten.

„Krone“: Eine Ihrer Ex-Freundinnen hat der Kripo zu Protokoll gegeben, dass Sie auch sie umbringen, mit einem Polster ersticken wollten - nachdem sie einst mit Ihnen Schluss gemacht hatte ... 
Gottfried O.: Sie lügt.

Und die Apothekenangestellte, die Sie 2018 wegen beharrlicher Verfolgung angezeigt hat?
Ich habe ihr mitunter - aus reiner Freundlichkeit - Blumen und Pralinen geschenkt. Sie muss etwas missverstanden haben.

Wie gehen Sie mit Zurückweisungen um?
Wie jeder Mensch. Es ist besser zu verlassen - als verlassen zu werden.

Psycho-Gutachter Peter Hofmann hält Gottfried O. im Falle einer Kränkung für brandgefährlich. Dem Angeklagten droht damit bei seinem Prozess, der am 26. Juli beginnt, das in Österreichs schlimmstmögliche Urteil: lebenslang, plus Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. „Ich werde für meine Tat büßen“, sagt er: „Und das finde ich auch richtig so.“

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