Bergkrone-Blog

Mit Vorfreude und Bauchkribbeln zum 1. Höhenflug

Bergkrone
27.06.2022 06:12

Heute ist es soweit. Schon die ganze Nacht hatte ich ein Kribbeln im Bauch, das zunimmt, je näher ich mich der Flugschule von Maggie Grabner in Annenheim nähere. Denn Bergführer Christoph Wastl und ich werden heute erstmals richtig abheben. Unser allererster Höhenflug steht auf dem Programm. Es ist eine Mischung aus Vorfreude und Panik, doch Maggie und Fluglehrerin Anna Schneider nehmen uns sofort jede Bedenken …

Christoph und ich sind außerdem nicht die einzigen, die erstmals alleine am Berg starten und ins Tal fliegen werden. Mit dabei sind auch Stefan, ein Gailtaler, der schon mit dem Drachen erste Flugerfahrungen gesammelt hat, der Villacher Paul, ein sportlicher Infinion-Techniker und begeisterter Fotograf, der Klagenfurter Bergretter Julian, der Hubschrauber-Pilot werden möchte sowie die offenherzige Petra aus Niederösterreich. Die Chemie zwischen uns Flugschülern stimmt sofort. „Wir starten heute vom Fünfhunderter“, lässt die sympathische Fluglehrerin Anna aufhorchen. Fünfhunderter? Nicht von der Gerlitzen? „Nein“, erklärt Anna: „Ihr fliegt vom Ossiacherberg direkt zum Landeplatz bei der Flugschule.“ Und warum Fünfhundert? „Weil fast genau 500 Höhenmeter zwischen Start- und Landeplatz liegen“, so Anna. Christoph und ich blicken uns an: Das Bauchkribbeln ist zurück. 

Maggie unterbricht unsere Gedanken, die gerade durch die Luft zu kreisen scheinen. „Habt ihr schon eine Ausrüstung ausgefasst?“ Nein. Die Gleitschirme, die wir bekommen, kennen wir bereits vom Übungshang, doch das Gurtzeug ist für uns neu. „In jedem Gurtzeug ist ein Retter verbaut, also die Lebensversicherung für jeden Paragleiter“, so Anna und erklärt uns, dass ein Retter quasi ein Fallschirm ist, den man zieht, oder besser gesagt, rauswirft, sollte es beim Flug zu Problemen kommen. Das Bauchkribbeln ist größer geworden.

Die letzten Höhenmeter zum Startplatz am Ossiacher See werden zu Fuß zurück gelegt (Bild: Hannes Wallner)
Die letzten Höhenmeter zum Startplatz am Ossiacher See werden zu Fuß zurück gelegt

Wenige Minuten später sitzen wir bereits im Bus der Flugschule und Anna manövriert diesen die enge Bergstraße hinauf auf den Ossiacherberg und das Bauchkribbeln wird mit jeder Kehre noch größer. Kurz vor der Abfahrt hat uns Maggie noch die Landung erklärt, wie wir in Position fliegen müssen und Abstand von Campingplatz und Straße zu halten haben. 

Die letzten Meter hinauf zum Startplatz werden zu Fuß zurückgelegt - mit Helm, Gurtzeug und Gleitschirm. Der Startplatz am Ossiacherberg befindet sich in 1050 Metern Seehöhe. 

Der Startplatz „Fünfhundert“ am Ossiacherberg - 500 Höhenmeter über dem Ossiachersee. In diesem Fall mussten wir warten, bis sich die Wolken verzogen haben. (Bild: Hannes Wallner)
Der Startplatz „Fünfhundert“ am Ossiacherberg - 500 Höhenmeter über dem Ossiachersee. In diesem Fall mussten wir warten, bis sich die Wolken verzogen haben.

Uns zu Füßen liegt der wunderschöne Ossiacher See und die Draustadt Villach. Auch der Wörthersee blickt hinter dem Ossiacher Tauern hervor und im Hintergrund reihen sich die Karawanken-Gipfel aneinander. Mit Christoph Wastl, der ein erfahrener Bergführer ist, plaudern wir über Touren und Gipfel, die wir gemacht haben und auf denen wir schon gestanden sind. Vermutlich zur Ablenkung, denn das Bauchkribbeln ist immer noch da und sogar größer als zuvor.

„Macht euch bereit“, ruft uns Annan zu. Mein erster Gedanke: Ich glaube, ich bringe es lieber schnell hinter mich. Also, suche ich mir so rasch als möglich einen passenden Fleck am steilen Starthang und mache mich für meinen Erstflug bereit. Der Gleitschirm ist rasch ausgelegt und ich bin startklar. Mein Blick wandert ständig in Richtung Windsack. Leichte Brise aus Südost. Sollte passen. Fluglehrerin Anna kommt auf mich zu und lächelt mich an: „Bereit?“ Darauf folgt nach einer kurzen Pause ein leises Ja. Das Brauchkribbeln erreicht eine neue Dimension. 

Bevor ich zu viel nachdenken kann unterbricht mich Anna. „Fünf-Punkte-Check“. Während ich diesen mache prüft Anna die Leinen und ob alles passt. „Funkcheck, Funkcheck, Hannes“ dröhnt es aus dem Walky-Talky, das direkt über meinem rechten Ohr am Helm fixiert ist. Ich quitiere es mit einem kurzen Kopfnicken. Die Antwort folgt prompt: „Hannes, aufziehen frei!“ Ich mache eins, zwei, drei Schritte und spüre, wie der Schirm hinter mir aufgeht. Mit Blick nach oben, kontrolliere ich, ob alle Leinen frei sind - zumindest vermute ich es, denn viel mehr habe ich damit zu kämpfen, meinen Adrenalinspiegel unter Kontrolle zu halten. „Anbremsen“, tönt es aus dem Funk. Ich ziehe die beiden Bremsleinen kurz nach unten und beginne zu laufen, während ich mich in Gedanken frage, was ich hier überhaupt tue? In Bruchteilen von Sekunden geht mir durch den Kopf, ob ich überhaupt dafür vorbereitet bin und gebe mir gleich selbst die Antwort: Nein. Doch an einen Startabbruch ist nicht mehr zu denken und schon verliere ich den Kontakt zum Boden. Ich schwebe, ich gleite, ich fliege…. 

(Bild: Hannes Wallner)

Alles andere als entspannt, völlig verkrampft sitze ich im Gurtzeug. Ich fliege. Der Ossiacher See unter mir. Die Boote so winzig. „Toller Start“, höre ich Fluglehrerin Anna sagen. Kurz darauf heißt mich Maggie in der Luft willkommen: „Hannes, genieße deinen ersten Flug.“ Es folgen die ersten Steueranweisungen per Funk. Ich genieße es wirklich. Unsere beiden Fluglehrerinnen schaffen es durch ihre ruhige und sympathische Art, mir die notwendige Ruhe zu geben. 7 Minuten und 18 Sekunden nach dem Abheben habe ich wieder festen Boden unter meinen Füßen - obwohl meine Knie leicht zittern. Jetzt weiß ich, was der Traum vom Fliegen ist.

Fluglehrerin Maggie Grabner beobachtet alle Flugschüler von der Flugschule aus und gibt per Funk genaue Anweisungen. (Bild: Hannes Wallner)
Fluglehrerin Maggie Grabner beobachtet alle Flugschüler von der Flugschule aus und gibt per Funk genaue Anweisungen.

Kurz vorm Start hat Paul, der schon 35 Höhenflüge gemacht und den nur noch fünf Flüge von seinem Prüfungsflug trennen, gesagt: „Du wirst sehen, nach deinem Erstflug willst du sofort wieder abheben.“ Und Paul hat recht behalten. 

Und auch den Erstfliegern Christoph, Stefan, Julian und Petra ergeht es gleich. Wir freuen uns auf viele weitere Höhenflüge, denn Paragleiten ist ein wunderschönes Hobby - fast grenzenlose Freiheit inklusive.

Christoph Wastl im Landeanflug (Bild: Hannes Wallner)
Christoph Wastl im Landeanflug
Christoph Wastl bei der Landung nach seinem ersten Höhenflug (Bild: Hannes Wallner)
Christoph Wastl bei der Landung nach seinem ersten Höhenflug

Für die Paragleiter-Ausbildung sind übrigens 40 Höhenflüge vorgeschrieben.

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