Über acht Stunden waren 30 Syrer eingepfercht in einen Kleintransporter. Der war luftdicht verschlossen. Die Schlepperfahrt eines 19-jährigen Schülers forderte zwei Todesopfer. Am Montag wurde er am Landesgericht Eisenstadt wegen Schlepperei und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang zu sieben Jahren Haft verurteilt.
Staatsanwältin Patricia Lendzian hielt während der Verhandlung im LG Eisenstadt einen Karton im A3-Format in die Höhe. Das war der Platz, mit dem ein Flüchtling in dem Kastenwagen auskommen musste. 30 waren es, die Ladefläche hatten lediglich 2 Meter Breite, 2,5 Meter Länge und 1,40 Meter Höhe! Sie konnten weder aufrecht stehen, noch auf dem Boden sitzen. Frischluft gab es im Laderaum keine.
„Die haben uns wie Tiere da reingeladen. Als wären wir keine Menschen“, beschrieb ein Flüchtling die Reise. Die Zustände erinnern an die Tragödie bei Parndorf. 2015 erstickten 71 Menschen in einem Lkw. Das Drama wiederholte sich: Zwei Syrer starben im Oktober 2021 nach der österreichisch-ungarischen Grenze.
Angeklagt war der 19-jährige Fahrer aus Lettland. Aus einem Waldstück an der serbisch-ungarischen Grenze holte er die 30 Flüchtlinge ab. Es war seine erste Fahrt. Trotz Widerstand zwangen die Schlepper alle Männer in das viel zu kleine Auto. Ohne Essen, Wasser und in einem luftdichten Transporter fuhren sie los Richtung Österreich.
Wenig Luft nach drei Stunden
Schon nach drei Stunden wurde die Luft knapp. „Wir haben geklopft, geschrien und versucht, die Türe zu öffnen“, schilderte ein Syrer. Irgendwann schafften die Flüchtlinge es, die Flügeltür aufzubrechen. Aus Angst, jemand würde herausfallen oder die ungarische Polizei sie entdecken, machten sie diese aber immer wieder zu.
„Menschen sterben! Bleib stehen!“
Zwei Männer, die in der Mitte des Fahrzeuges standen, bekamen aber zu wenig Luft. Noch in Ungarn erstickten sie, ergab das Gutachten. „Menschen sterben! Bleib stehen!“, riefen die Flüchtlinge verzweifelt, sogar auf Englisch.
Zynischer Vergleich der Verteidigung
Trotz Hilferufen will der 19-jährige Fahrer von den menschenunwürdigen Zuständen nichts mitbekommen haben: „Er hat nicht gewusst, dass akute Lebensgefahr besteht“, so seine Verteidigung. Beim Einladen der Flüchtlinge will er nicht dabei gewesen sein. Er habe mit maximal 17 Leuten gerechnet und einer viel kürzeren Fahrtzeit: „Er hat auch kein Wasser oder Essen mitgehabt. Er hatte auch furchtbaren Hunger“, so der zynische Versuch der Verteidigung, die Mordanklage zu entkräften.
2015, zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle, schockte eine Nachricht Europa: 71 Flüchtlinge starben in einem Kühl-Lkw, den man auf der A4 bei Parndorf (Bgld.) einfach abgestellt hatte. Die Schlepper und der Fahrer konnten ausgeforscht werden - ihnen wurde der Prozess in Ungarn gemacht. Denn ein Gutachten ergab, dass sie schon dort gestorben waren und Ungarn die Bande im Visier hatte (Telefonüberwachung). Sie erhielten lebenslange Haftstrafen.
Schüler nahm Urteil an
Die Aussagen des Letten seien vor diesem Hintergrund als Geständnis gewertet worden, sagte Richterin Gabriele Nemeskeri. Er hatte sich zur Schlepperei schuldig bekannt, zum Mord jedoch nicht - wobei er sehr wohl zugab, dass er gewusst habe, dass es den insgesamt 30 Flüchtlingen, die er für rund acht Stunden Fahrt ohne Pause im Laderaum eingeschlossen hatte, nicht gut gehe.
Nach stundenlangen Verhandlungen wurde erst Montagabend das Urteil bekannt gegeben: Sieben Jahre Haft, aber nicht wegen Mordes, sondern wegen Schlepperei und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Der Angeklagte nahm das Urteil an. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Es ist also noch nicht rechtskräftig.
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