„Abgrundtief grausam“
Entsetzen nach Raketenangriff auf Einkaufscenter
Nach dem Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der Ukraine sind bei den Behörden mehr als 40 Vermisstenanzeigen eingegangen. Das teilte die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft in der Nacht auf Dienstag mit. Die Zahl der Getöteten stieg unterdessen auf mindestens 18 an, erklärte der Gouverneur des Gebiets Poltawa, Dmytro Lunin, Dienstagfrüh. Der Staatsanwaltschaft zufolge wurden 59 Menschen medizinisch behandelt, rund die Hälfte von ihnen sei in einem ernsten Zustand. International sorgt der Angriff für Entsetzen.
Wie Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram postete, sollen sich mehr als 1000 Zivilisten im Gebäude befunden haben. Selenskyj ersuchte den Westen mit Nachdruck um moderne Luftabwehr-Systeme. Die Ukraine habe schon vor dem Krieg und direkt nach der russischen Invasion darum gebeten, betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache in der Nacht auf Dienstag. „Die Leute im Einkaufszentrum in Krementschuk verdienten die gleiche Sicherheit wie Leute in jedem Einkaufszentrum der Welt, ob irgendwo in Philadelphia oder Tel Aviv, oder in einer Einkaufspassage in Dresden.“
„Weiteres Kriegsverbrechen“
In einem Video, das Selenskyj verbreitete, war das brennende Gebäude mit dicken dunklen Rauchwolken zu sehen. In unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums befinden sich mehrere Industrieanlagen, darunter eine Fabrik für Straßenbaumaschinen. Nach Angaben des Zivilschutzes waren 115 Feuerwehrleute mit 20 Löschwagen im Einsatz. Zudem sei ein Löschzug der Eisenbahn angefordert worden. Am Abend wurde der Brand örtlichen Behörden zufolge gelöscht. Das Ziel habe für Russland keine Gefahr dargestellt und habe „keinen strategischen Wert“, betonte Selenskyj auf Telegram.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe wurde das Einkaufszentrum von Kh-22-Anti-Schiffsraketen getroffen, die von der russischen Region Kursk aus abgefeuert worden waren. Gouverneur Lunin warf den russischen Truppen „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ vor. Ein Raketenangriff auf ein volles Einkaufszentrum sei ein „zynischer Terrorakt gegen die Zivilbevölkerung“. Der Sekretär des Sicherheitsrats, Olexij Danilow, sagte, dass eine zweite Rakete in ein örtliches Sportstadion eingeschlagen sei.
Moskau: Einkaufszentrum war leer
Das russische Militär bestätigte unterdessen den Angriff, bestritt aber, dass das Einkaufszentrum in Betrieb gewesen sei. Ziel des Angriffs seien Hallen gewesen, in denen Waffen und Munition aus den USA und Europa gelagert worden seien. Die Detonation der Munition habe dann einen Brand „in einem nicht mehr betriebenen Einkaufszentrum“ in der Nähe ausgelöst, teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. Trotz offensichtlicher Zerstörungen bestreitet Russland in dem seit mehr als vier Monaten andauernden Krieg immer wieder, zivile Ziele in der Ukraine anzugreifen - oder behauptet, dass diese nicht mehr genutzt werden.
Johnson: „Abgrundtiefe Grausamkeit und Barbarei“
Die Attacke wurde im Westen von ranghohen Politikern verurteilt. Der G7-Gipfel drohte Russland mit Konsequenzen. „Wahllose Angriffe auf unschuldige Zivilisten sind Kriegsverbrechen. Russlands Präsident Putin und die Verantwortlichen werden zur Rechenschaft gezogen werden“, hieß es in einer Erklärung der Gipfelteilnehmer am Montagabend. Der britische Premierminister Boris Johnson warf Russlands Präsident Wladimir Putin „abgrundtiefe Grausamkeit und Barbarei“ vor. Putin bewirke damit jedoch nur, dass die Entschlossenheit Großbritanniens und der anderen G7-Länder gestärkt werde, die Ukraine „so lange wie nötig“ zu unterstützen.
„Der Angriff Russlands auf Zivilisten in einem Einkaufszentrum ist grausam“, schrieb US-Präsident Joe Biden auf Twitter. „Wir sind solidarisch mit dem ukrainischen Volk.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete den Anschlag als „absoluten Horror“. Man teile den Schmerz der Familien der Opfer und ihre Wut, schrieb der Staatschef am Montagabend in einem Tweet. Das russische Volk müsse die Wahrheit sehen.
Nehammer: Angriffe auf Zivilisten „unerträglich“
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte: „Die grausamen Raketenangriffe auf Zivilisten sind unerträglich. Ich verstehe nicht, wie man solche Verbrechen begehen kann. Das Blutvergießen muss endlich aufhören“, forderte Nehammer am Montagnachmittag auf Twitter.
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