Ambrozy im Interview

Ein Visionär und Denker tritt nach 25 Jahren ab

Kärnten
28.06.2022 19:00

Ein Vierteljahrhundert lenkte Peter Ambrozy als Präsident die Geschicke des Roten Kreuzes in Kärnten. Damit ist er der längstdienende Präsident beim Roten Kreuz. Zeit für den Ehrenamtlichen, Bilanz zu ziehen.

Herr Präsident, vor 25 Jahren übernahmen Sie die Geschicke des Roten Kreuzes in Kärnten. Was war damals der Beweggrund für die Übernahme dieses Amtes?

Naja, das war ja nicht so, dass ich gesagt habe, ich werde Präsident vom Roten Kreuz. Es ist damals eine Gruppe von Landesverbandsfunktionären auf mich zugekommen und sie haben gesagt, es wird ein Präsident gesucht, der durch seine Erfahrungen und Vernetzungen die Lage des Roten Kreuzes verbessern kann. Denn die war damals mehr als schlecht.

Für mich war das damals überraschend, denn mein Bezugspunkt zum Roten Kreuz war nur, dass ich das Rote Kreuz von meiner politischen Arbeit als Katastrophenschutzreferent kannte. Dann habe ich gesagt, naja, das muss ich mir schon überlegen. Das ist immerhin eine ehrenvolle, aber eine durchaus schwierige Aufgabe - insbesondere, wenn man von außen kommt. Schließlich habe ich mich dazu entschieden, das Angebot anzunehmen und zu kandidieren.

Gab es Widerstände gegen Ihre Kandidatur?

Freilich. Ich war ja ein exponierter Mensch, denn zum Zeitpunkt meiner Kandidatur war ich immerhin schon Ex-Landeshauptmann und in der Politik noch sehr aktiv. Es hat dann aber bei der Wahl funktioniert. Ich habe damals zwischen 70 und 80 Prozent der Stimmen bekommen. Und hinterher hatte ich dann ein sehr berührendes Erlebnis.

Eine Delegierte des Roten Kreuzes kam dann später einmal zu mir und hat mir gesagt, sie muss mir gestehen, dass sie mich nicht gewählt hatte. Für mich war das damals überhaupt kein Problem, denn auch im Roten Kreuz herrscht höchste Demokratie. Daraufhin sagte die Dame dann zu mir, wenn sie meine Rede vor der Wahl gehört hätte, dann hätte sie mir ihre Stimme gegeben.

Welche Visionen hatten Sie 1997 als neuer Rotkreuz-Präsident?

Ich hatte das Rote Kreuz in einem Zustand übernommen, der sehr miserabel war. Zum einen gab es eine zerstrittene Mannschaft, es gab Streiks und Entlassungen und ein klaffendes Loch in der Finanzierung. Da ich aber die Geschichte, den Ursprung und die Grundsätze des Roten Kreuzes kannte, habe ich natürlich die Vision gehabt, das Rote Kreuz in Kärnten so zu positionieren, dass die Stimme des Roten Kreuzes auch tatsächlich in der Gesellschaft ankommt und gehört wird - und das Ganze durch die Taten der Mitarbeiter.

Die Humanität und das Helfen mussten in die Köpfe der Kärntner gebracht werden. Die zweite Vision war, dass die Mitarbeiter des Roten Kreuzes Rahmenbedingungen erhalten, damit sie auch motiviert sind, beim Roten Kreuz zu arbeiten. Die Organisation sollte ein Good-place-to-work werden.

Im Interview mit „Krone“-Redakteur Marcel Tratnik blickt der scheidende RK-Präsident auf die vergangenen 25 Jahre zurück. (Bild: EVELYN HRONEK)
Im Interview mit „Krone“-Redakteur Marcel Tratnik blickt der scheidende RK-Präsident auf die vergangenen 25 Jahre zurück.

Lassen Sie uns gemeinsam auf die vergangenen 25 Jahre zurückblicken. Was war Ihr größter Erfolg als Präsident?

Das ist wahnsinnig schwer zu beantworten. Es war die Summe der Dinge, die in den 25 Jahren umgesetzt wurden. Aber es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass es uns gelungen ist, die Angebotspalette an Hilfestellungen für die Bevölkerung wesentlich zu erweitern. Besonders im Gesundheits- und Sozialbereich. Da haben wir gemeinsam vieles entwickelt. Zum Beispiel bei der Mobilen Pflege.

Was war in all den Jahren als Präsident Ihr Antrieb für diese Aufgabe?

Das Rote Kreuz ist fast wie ein positives Coronavirus. Wer da einmal hineinschnuppert, der wird angesteckt von dem, was das Rote Kreuz ausmacht. Zum einen von der Aufgabe und auf der anderen Seite von dem Engagement der Mitarbeiter. Am Ende aber auch von der Idee. Wenn man sich mit der Geschichte des Roten Kreuzes beschäftigt, dann muss man sagen, es war sensationell.

Wenn ein Techniker das Elend auf den Schlachtfeldern sieht und dann kurze Zeit später eine internationale Bewegung daraus wird - was für eine Leistung! Da wird man irgendwie auch mitgerissen. Aber auch das Feedback aus der Bevölkerung ist immer ein Antrieb gewesen. Es gibt, glaube ich, keine angenehmere Funktion als die des Rotkreuz-Präsidenten. Denn die großartige Leistung der Mitarbeiter färbt auch auf den Präsidenten ab.

(Bild: EVELYN HRONEK)

Die Rettungssanitäter, die für das Rote Kreuz arbeiten, erleben sehr oft einschneidende Momente bei ihrer Arbeit. Gab es bei Ihnen auch so einen Moment, während Ihrer Amtszeit als Rotkreuz-Präsident?

Ehrlich gesagt, eines der einschneidendstes Erlebnis war mein erster Besuch im Jahr 2015 im Flüchtlingslager hier in Klagenfurt. Ich habe gesehen, unter welchen Bedingungen Menschen ihre Heimat verlassen haben, gar nicht wissend, was auf sie zukommt. Da waren Mütter mit Kleinstkindern, die verzweifelt und zugleich hoffnungsvoll waren. Da habe ich gemerkt, wie schlimm es ist, wenn Menschen alles verloren haben.

Wie sehr hat Sie die Arbeit als Rotkreuz-Präsident geprägt oder auch verändert?

Es hat mich sehr verändert. In vielen Bereichen habe ich die Kraft bekommen, auch Position zu beziehen, wenn es nicht gerade dem Mainstream entspricht. All das habe ich zum Teil von unseren Mitarbeitern gelernt. Und natürlich wurde durch die Tätigkeit auch mein Verständnis für Humanität erweitert.

Man könnte fast meinen, dass Sie auch Baumeister beim Roten Kreuz sind. Denn Sie haben in Ihrer Amtszeit alle Bezirksstellen und Ortsrettungsstellen in Kärnten um- bzw. neu gebaut. Was war Ihnen dabei wichtig?

Die erste Bezirksstelle, die wir neu gebaut haben, war Feldkirchen. Die Bezirksstelle war in Katakomben untergebracht und das war alles andere als schön - überhaupt für die Mitarbeiter. Es war einfach kein Aushängeschild für das Rote Kreuz in Kärnten. Und so war es auch bei den anderen Bezirksstellen. Eine Herausforderung dabei war die Finanzierung. Aber es war trotz allem wichtig, dass wir für die Mitarbeiter auch einen Arbeitsplatz schaffen, der den Anforderungen entspricht.

Sie sind mit Abstand der am längsten dienende Rotkreuz-Präsident in Österreich. Gab es auch manchmal Momente, wo Sie sagten oder sich dachten, ich hau jetzt den Hut drauf?

Diese Momente gab es nie, nur Momente, wo ich mich geärgert habe (lacht). Aber das gehört zu dem Job eines Rotkreuz-Präsidenten. Es liegt ja nicht immer der Rote Teppich vor einem. Manchmal sind es auch Nagelbretter.

(Bild: EVELYN HRONEK)

Am 9. Juli finden die Wahlen zum neuen Präsidenten statt. Sie werden da nicht mehr antreten. Welche Tipps wollen Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?

Ich gehe davon aus, dass jemand gewählt wird, der das Rote Kreuz gut kennt. Der auch schon intensiv mitgearbeitet hat, und da braucht es dann keine Ratschläge von mir. Ich rate aber jedem: Der respektvolle Umgang mit den Mitarbeitern darf nie verloren gehen. Aber auch das Verlassen der Grundsätze des Roten Kreuzes ist ein No-Go.

Bleiben Sie dem Roten Kreuz in Kärnten auch noch nach Ihrer Zeit als Präsident erhalten?

Natürlich bleibe ich dem Roten Kreuz erhalten - als unterstützendes Mitglied.

Herr Präsident, danke für das Interview und einen angenehmen Ruhestand.

Danke sehr.

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