„Putins geheime Armee“
Wagner-Söldner packt aus: Im Krieg völlig verroht
Jahrelang tötete der russische Söldner Marat Gabidullin im Dienst der berüchtigten Wagner-Gruppe in Kriegsgebieten in Syrien und in der Ukraine. Doch die blutigen Kampfeinsätze im Auftrag von Russlands Mächtigen für das private Militär- und Sicherheitsunternehmen Wagner haben ihn auch nachdenklich gemacht. Als erster Kämpfer der Schattenarmee von Kremlchef Wladimir Putin hat er nun ein Buch geschrieben.
„Wagner. Putins geheime Armee“ (Econ Verlag) kommt am Donnerstag in den Handel. Darin wird enthüllt, wie etwa Russlands Unterstützung für Syriens Machthaber Bashar al-Assad oder für die Separatisten im Osten der Ukraine konkret aussieht. „Die Rettung des Regimes von Bashar al-Assad hat es Russland ermöglicht, sich weltweit mit Nachdruck als Beschützer und Retter von Kriminellen aller Art zu empfehlen“, schreibt Gabidullin. Wagners Söldner spielen auch im Sudan, in Mali und Libyen eine Rolle.
Putin: „Habe schon gesagt, dass Russland nichts damit zu tun hat“
Putin selbst sagte im Februar: „Was Wagner angeht, habe ich schon gesagt, dass der russische Staat damit nichts zu tun hat.“ Solche Firmen verfolgten kommerzielle Interessen. „Sie verhandeln dort selbst, die örtlichen Machthaber laden sie auf staatlicher Ebene ein und danken ihnen für die geleistete Arbeit“, meinte er mit Blick auf Mali.
Söldner-System „ermöglicht es, Tote verschwinden zu lassen“
Dagegen belegen die französischen Filmemacherinnen Ksenia Bolchakova und Alexandra Jousset, die eine Dokumentation mit dem Titel „Wagner, Putins Schattenarmee“ gedreht haben, eine enge Verflechtung mit dem Kreml. Sie haben auch Gabidullin befragt. Wagner sei vielerorts exklusiv im Dienst des Kreml unterwegs. „Durch die Entsendung von Söldnern spart der Staat bei den Renten und Gehältern, die er den Soldaten der regulären Armee zahlen muss. Und es ermöglicht auch, Tote verschwinden zu lassen“, schreiben sie.
„Putins Koch“ und Richard-Wagner-Fan
Köpfe der Organisation, die auf ihren Propagandavideos ein Porträt des deutschen Komponisten Richard Wagner zeigt, sind demnach der russische Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin und der Oberstleutnant Dmitri Utkin. Als Zeichen seiner Bewunderung für die Musik trage Utkin den Kampfnamen „Wagner“. Er soll nach seiner Karriere im russischen Militärgeheimdienst GRU von 2014 an aus Veteranen von Spezialeinheiten eine schnelle Eingreiftruppe unter seinem Kampfnamen gegründet haben.
Illustre Mischung: Milizen, Spione, Mafiabosse, Ex-Häftlinge
„Dmitri Utkin ist ein großer Bewunderer des Dritten Reichs und Adolf Hitlers“, schreiben Bolchakowa und Jousset. Als direkter Verbindungsmann in den Kreml gilt aber Prigoschin. Der 62-Jährige, der von den USA gesucht wird, stammt wie Putin aus St. Petersburg. „Der ehemalige Verbrecher, der zu einem der mächtigsten Männer Russlands wurde, ist das reine Produkt einer Unterwelt aus Sicherheitsmilizen, Spionen, Geheimdienstlern, Mafiabossen und Ex-Häftlingen.“ Prigoschin habe Putin, der einst in der Stadtverwaltung von St. Petersburg arbeitete, oft in seinem Restaurant bewirtet - weshalb er den Beinamen „Putins Koch“ trägt.
Krieg gegen ukrainisches „Brudervolk“
Insgesamt sollen heute rund 5000 Kämpfer für Wagner aktiv sein. Auch der Auftragskiller Gabidullin, der im Monat bis zu 3000 Euro erhielt, gehörte bis 2019 dazu. In seinem in weiten Teilen wie ein Frontbericht gehaltenen Buch über die Schrecken des Krieges beklagt er etwa schlechte Bewaffnung, Fehler bei der Gefechtsführung und teils völlige Verrohung unter den Wagner-Leuten. Gabidullin selbst begründet seinen Gang an die Öffentlichkeit auch damit, dass er Putins Krieg in der Ukraine als Fehler sieht. Er habe nie gegen ein „Brudervolk“ kämpfen wollen.
Dennoch keine Reue: „Kein Gesindel, sondern echte Profis“
Reue sollten die Leser freilich nicht erwarten: Gabidullin nutzt das Buch, um sich zu rechtfertigen. Und er fordert eine offizielle Anerkennung der Kämpfer der militärischen Privatunternehmen. Russische Militärs schmückten sich oft mit Erfolgen, die vielmehr Söldner etwa im Kampf gegen die Terrormiliz IS in Syrien errungen hätten. Diese hätten einen Platz in den Geschichtsbüchern verdient, fordert Gabidullin: „Diese neue Struktur wird noch viel Zeit brauchen, um zu beweisen, dass sie kein Sammelsurium von Außenseitern und Gesindel ist, sondern eine Organisation aus echten Profis - den Arbeitern des Kriegs.“
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