Seit mittlerweile 30 Jahren ist Raimund Schreier Abt des Stiftes Wilten in Innsbruck. Die katholische Kirche befindet sich mitten im Wandel - die „Tiroler Krone“ hat mit dem Jubilar gesprochen.
„Krone“: Herr Abt Schreier, zwei Jubiläen stehen bevor: 30 Jahre als Abt und Ihr 70. Geburtstag. Wie geht es nun weiter?
Abt Raimund Schreier: Nach meinem 70. Geburtstag muss ich meinen Rücktritt anbieten, der Generalabt muss dann die Entscheidung treffen. Ich hoffe, dass ich dann wieder mehr Zeit für die Seelsorge haben werde, wofür ich ja eigentlich Priester geworden bin.
Wollen Sie noch etwas unbedingt erreichen?
Nein, der Liebe Gott bringt, was er bringt. Ich möchte aber gerne ein Jahr weggehen - so wird der nächste Abt nicht von mir beeinflusst.
Wohin geht die Reise?
Nach Rom, mein Italienisch aufpolieren, studieren, die Stadt kennenlernen. Und wenn es möglich ist, möchte ich auch ein halbes Jahr nach Jerusalem, auch dort möchte ich Sprachen studieren.
Ihr Wahlspruch ist „Damit die Welt glaubt“. Woran soll die Welt denn glauben? Und warum soll sie das?
Als Christen ist es unsere Aufgabe, die frohe Botschaft weiterzugeben, weil wir davon überzeugt sind, dass das die Menschen glücklich macht. „Ut credat mundus“ (damit die Welt glaubt) heißt es im 17. Kapitel im Johannesevangelium. Jesus bittet um die Einheit, und das ist unsere wichtigste Aufgabe: Die Menschen und Religionen vereinen.
Wir müssen mehr auf die Menschen zugehen. Wir machen sehr viel Social Media Arbeit. Und da müssen wir noch sehr kreativ sein in der Frage, wo wir die Menschen erreichen können.
Abt Raimund Schreier
Wie kann man das vorantreiben?
Im Dialog. Und nur wenn wir das als Christen vorleben, sind wir auch glaubwürdig. Ich habe damals bei der Abtweihe gesagt: „Ut crede RAImundus.“ (lacht)
Die Zahl der Christen ist in Europa rückläufig. Was hat die Kirche zu bieten und wo liegen Versäumnisse?
Die Kirche hat einen Schatz zu bieten. Die Frage ist nur, wie wir den anbieten - und wo. Die Kirche ist es nicht immer, weil nicht mehr viele kommen. Zum Teil sind wir selbst schuld, Thema Missbrauch und vieles andere, es ist so, leider. Darum denke ich, wir müssen mehr auf die Menschen zugehen. Wir machen sehr viel Social Media Arbeit. Und da müssen wir noch sehr kreativ sein in der Frage, wo wir die Menschen erreichen können.
Ist Gott auf Social Media?
Wirkliche Begegnung gibt es nur in der Realität, aber Social Media kann einen Impuls geben. Und man kann viele Leute erreichen, insgesamt haben wir schon etwa eine Million Menschen erreicht. Die erreiche ich nicht in der Kirche.
Auf die Liturgie möchte ich auch am Sonntag viel Wert legen: Es wird keine Predigt geben, kurze Lesungen und viel Musik.
Abt Raimund Schreier
Warum haben Sie sich dazu entschieden, Ihr Leben dem Glauben zu widmen?
Mich haben die Gottesdienste fasziniert und dieses Mysterium. Das Ritual, der sakrale Raum, die Liturgie. Die Farben in der Kirche, der Weihrauch, die Musik. Auf die Liturgie möchte ich auch am Sonntag viel Wert legen: Es wird keine Predigt geben, kurze Lesungen und viel Musik. Ich habe mir die Cäcilienmesse von Charles Gounod gewünscht, Michael Schöch wird auf der Orgel spielen und von Louis Vierne wird es auch ein Stück geben.
Was bedeutet Ihnen denn die Musik?
Musik ist für das Mysterium etwas ganz Wichtiges, weil sie es besser ausdrücken kann, als das gesprochene Wort. Musik ist Therapie für das Herz, Musik kann das Herz zu Gott erheben, Musik ist eine Sprache, die die ganze Welt versteht.
Wir Christen sehen auch einen Sinn im Leid, nämlich, dass wir am Leiden Christi teilhaben, um die Welt ein Stück zu erlösen.
Abt Raimund Schreier
Was ist Ihnen aus Ihrer Laufbahn positiv und was hingegen negativ in Erinnerung?
Positiv waren die vielen Begegnungen, negativ die Missbrauchsgeschichten - hier musste ich an die Öffentlichkeit treten und mich für andere entschuldigen. Es hat auch gebraucht, bis alle gelernt haben. Es war ein schmerzhafter Prozess, aber mein Eindruck ist, dass wir daraus gereift hervorgegangen sind.
Wie stehen Sie zum Leiden?
Es gibt kein Leben ohne Leid. Wir Christen sehen auch einen Sinn im Leid, nämlich, dass wir am Leiden Christi teilhaben, um die Welt ein Stück zu erlösen. Aus Leiden können auch neue Früchte entstehen.
Was sagen Sie Menschen, die derzeit Angst haben?
Was Papst Johannes Paul II gesagt hat und was auch Jesus sagt: Fürchtet euch nicht. „Credere“ heißt ja glauben, aber eigentlich kommt das von „cor dare“ - das Herz geben. Glauben heißt vertrauen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.