Armut ist furchtbar. Aber wie sieht sie wirklich aus? Zwei Menschen geben ihr zum Pensionsantritt des steirischen Caritas-Direktors Herbert Beiglböck ein Gesicht.
„Ich habe seit zehn Jahren keine Marmelade mehr gegessen“, sagt Petra S. und hält fassungslos das Glas mit dem Fruchtaufstrich in der Hand, als sie von ihrem Einkauf mit dem steirischen Caritas-Direktor zurückkehrt. „Heute gibt es ein Festessen“, freut sich S. über Produkte, die sie sonst nicht besorgen kann.
Denn: Zu zweit bleiben ihr und ihrem Lebensgefährten 20 Euro pro Woche für die Ausgaben im Supermarkt. Sie ist daher auf Hilfe angewiesen. „Anfangs habe ich mir gedacht, ich gehe nicht zur Caritas, weil ich mein Leben immer auf die Reihe gekriegt habe.“ Doch dann kam die Erkenntnis: „Da sind Hände, die fangen dich auf."
Geld für Lebensmittel fehlt
Dass es tatsächlich Mut braucht, um Hilfe anzunehmen, bestätigt Beiglböck: „Sich täglich um die eigene Existenz zu sorgen, bedeutet hohen innerlichen Stress.“ S. nickt: „Strom und Miete sind teurer geworden, durch die Erhöhungen fehlt uns Geld für drei Wochen Lebensmitteleinkauf. Ich wüsste ohne die Caritas nicht, wie wir leben sollen.“
Strom und Miete sind teurer geworden, durch die Erhöhungen fehlt uns Geld für drei Wochen Lebensmitteleinkauf.
Petra S.
Armut kann jeden treffen
Bevor sie in diese Lage gekommen ist, hat S. 18 Jahre als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei gearbeitet. Doch dann zog sich die 50-Jährige mehrere Bandscheibenvorfälle zu und war gezwungen, einen längeren Krankenstand anzutreten. Die Kündigung flatterte daraufhin ins Haus. Auch ihren Dienst bei der Post musste sie aufgrund gesundheitlicher Probleme beenden. Körperlich schwer angeschlagen ist auch ihr Lebensgefährte Steve R. „Drei Schlaganfälle hat er bereits hinter sich“, so S.
Menschen in Not sind oft Tabuthema
Dennoch würden beide gerne einer Tätigkeit nachgehen, damit es wieder einen Sinn im Leben gibt. „Für solche Leute wie uns hat der Arbeitsmarkt aber scheinbar nichts zu bieten“, schüttelt S. den Kopf. Dass sie so offen über ihre Situation spricht, findet Beiglböck, der am Donnerstag in Pension geht, enorm wichtig. Nur wenige würden sich das trauen. Doch gerade jetzt müsse man sagen, „ja, in der aktuellen Zeit stellen sich große Herausforderungen bei den Themen Wohnen, Energie und Langzeitarbeitslosigkeit“.
Es waren Jahre, die Kraft gekostet haben, doch ich hatte durch menschliche Begegnungen immer Kraft zu arbeiten.
Herbert Beiglböck
Amtszeit von Krisen geprägt
Auch andere Themen haben sich durch die Amtszeit des Direktors gezogen. „Es war durchgehend Krisenbetrieb. Die Pandemie, der Ukraine-Krieg - und über all dem steht auch noch die Klimakrise.“ Diese Krisen zu managen, sei seine Aufgabe gewesen. Erlebnisse mit Menschen wie auch jenes mit Petra S. hätten ihn dabei immer gestärkt. „Es waren Jahre, die Kraft gekostet haben, doch ich hatte durch menschliche Begegnungen immer Kraft zu arbeiten.“ Nun gehe er mit einem guten Gefühl und ist „überzeugt, dass die neue Führung ihre Arbeit hervorragend meistern wird“.
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