Kanzler stellt klar:

NATO-Beitritt „keine Variante des Denkens“

Politik
29.06.2022 19:00

Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist ein NATO-Beitritt Österreichs weiterhin kein Thema. Zwar gebe es eine neue Qualität der Kooperation neutraler oder bündnisfreier Staaten wie Österreich mit der westlichen Verteidigungsallianz, doch stelle eine Mitgliedschaft keine „Variante des Denkens“ dar. Das formulierte Nehammer am Mittwoch am Rande des NATO-Gipfel in Madrid. Österreich sei und bleibe neutral, aber auch ein verlässlicher Partner in Fragen der Sicherheitspolitik.

Der Bundeskanzler erinnerte daran, dass Österreich bereits jetzt mit rund 400 Soldaten bei EU-Friedensmissionen sowie mit 300 bei derartigen NATO-Einsätzen und 200 bei UNO-Missionen aktiv sei. Österreich könne sich auch als neutrales Land solidarisch zeigen oder als Vermittler auftreten.

„Zeitenwende“ in der Kooperation
Dass es am Mittwochabend zu einem von Spaniens Premierminister Pedro Sánchez (Sozialisten/PSOE) initiierten „Euroatlantischen Abendessen“ komme, zu dem neben Vertretern der NATO-Länder auch bündnisfreie EU-Staaten geladen seien, interpretierte Nehammer als eine „neue Qualität“ der Beziehungen und möglicherweise sogar „Zeitenwende“, zitierte die APA. Dies sei wohl auch auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen.

Nachdem die NATO nun angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Aufnahmeverfahren für Schweden und Finnland gestartet habe, komme seinem in Madrid geplanten Treffen mit Irlands Premier Micheál Martin eine besondere Bedeutung zu, meinte Nehammer. Schließlich seien nunmehr in der EU nur noch Österreich, Zypern, Malta und eben die Republik Irland keine NATO-Mitglieder.

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko in Madrid (Bild: AFP)
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko in Madrid

Treffen auch mit Klitschko und Erdogan
Weiters standen für den Bundeskanzler am Mittwoch noch Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und Türkeis Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf dem Programm. Mit Klitschko wollte sich Nehammer abstimmen, welche Hilfen die ukrainische Hauptstadt aus Österreich aktuell brauchen könnte. Angesprochen dürfte vor allem die Lieferung weiterer Lösch- und Rettungsfahrzeugen werden.

Das Meeting mit Erdogan sah Nehammer als „Beginn eines entspannteren Verhältnisses“ mit dem autokratischen Präsidenten der Türkei. Das könnte dazu führen, dass Ankara künftig nicht mehr die militärische Zusammenarbeit mit Österreich in der Partnerschaft für den Frieden (PfP) blockiere. Konkret gehe es aber auch darum, den Istanbuler Friedensprozess zu fördern. Dies sei aktuell die einzige Plattform, wo die Kriegsparteien Russland und die Ukraine tatsächlich miteinander reden würden.

US-Präsident Joe Biden (re.) traf in Madrid auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. (Bild: AP)
US-Präsident Joe Biden (re.) traf in Madrid auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Mit Türkei „grüne Korridore schaffen
Konkret gehe es vor allem darum, dass mit Hilfe der Türkei „grüne Korridore“ zum Export von Mais, Weizen oder Getreide aus der Ukraine geschaffen werden könnten. Es handle sich immerhin um Mengen in der Größenordnung von 90 Millionen Tonnen, die etwa in Afrika dringend benötigt würden, erinnerte Nehammer. So sei die Ukraine bereit, den Hafen von Odessa von Minen zu räumen, um Exporte zu ermöglichen. Aber nur, wenn Russland garantiere, dies nicht für eine Eroberung der Hafenstadt am Schwarzen Meer zu nutzen. Die von beiden Seiten als Partner akzeptierte Türkei könnte diese Sicherheitsgarantieren überwachen und auch umsetzen.

Er habe in den vergangenen Wochen Gespräche - wie etwa auch die Regierungschefs von Frankreich oder Deutschland - mit allen Seiten geführt, meinte Nehammer. Es handle sich dabei um „Puzzlesteine zum Aufbau einer Dialogbrücke“, formulierte der Bundeskanzler. Er sei aber nicht so naiv oder selbstüberschätzend, zu glauben, dass ein einziger Meinungsaustausch eine solche Krise lösen könne. „Aber alles ist besser, als gar nichts zu tun.“

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