Ein Honda Civic hat vor allem in letzter Zeit immer polarisiert. In seiner elften Generation gibt er das Anecken auf und macht stattdessen so viel richtig, dass er als einer für alle durchgehen kann - und das, obwohl er ausschließlich mit Hondas kreativem Vollhybridantrieb angeboten wird. Denn der kann auch manchen Gegner solcher Konzepte überzeugen.
Wenn man den Vorgänger zum Vergleich hernimmt, tritt der Neue ziemlich brav auf. Das aber im besten Sinne, denn er ist ein richtig eleganter Kompaktwagen geworden. Mit einer Linie, die anderswo Gran Coupé heißen würde. Und ohne plakativ verbaute Plastikblenden (wir verlinken hier unten einen Fahrbericht des Vorgängers, es lohnt sich, sich das nochmal anzuschauen). Auch den Spoiler werden viele vermissen, es blieb nur eine dezente Abrisskante. Darunter verbindet ein Leuchtband (= dritte Bremsleuchte) die LED-Rückleuchten.
Die Motorhaube ist jetzt 25 mm flacher und man blickt vom Fahrerplatz auch nicht mehr so seltsam drunter. Die schmalen A-Säulen wurden nach hinten versetzt, das macht die Motorhaube länger. Mit freiem Auge sieht man, dass auch die Schulterlinie flacher verläuft. Und das ganze Auto - keiner im C-Segment ist flacher (1408 mm, -27 mm). Das geht natürlich zulasten des Platzangebots. Auf der Rückbank wuchs mit dem Radstand zwar 1:1 die Kniefreiheit um 35 mm, der Scheitel touchiert aber nicht nur bei Hünen den Dachhimmel. Obwohl der Civic mit 4,55 m 3 cm länger ist als früher, gibt der Kofferraum mit (immer noch beachtlichen) gut 400 Litern seinen Rekordstatus auf. Auffällig ist die schräge Stufe zur Rückbank hin. Die braucht es wegen Tank (40 Liter) und Batterie, die sich unter den Rücksitzen befinden.
Ein Antrieb ersetzt drei
Und damit sind wir beim Antrieb. Den besorgt ausschließlich das e:HEV genannte Hybrid-System, das in der Berichterstattung zuweilen für Verwirrung sorgt. Aber dazu gleich mehr. Vorerst nur kurz gesagt: Ein 143 PS starker Zweiliter-Atkins-Saugbenziner, ein Elektromotor und ein Generator sorgen für bis zu 135 kW/184 PS starken Vortrieb (allerdings nicht alle gemeinsam). Dieser Antrieb ersetzt zwei Benziner und einen Dieselmotor. Warum? Weil er es kann:
Er ist sparsamer als der kleine Benziner des Vorgängers, hat mehr Leistung als alle drei und liefert sogar mehr Drehmoment als der Diesel. 315 Nm stehen im Datenblatt und als WLTP-Verbrauch gibt Honda je nach Version 4,7 oder 5,0 l/100 km an. Und das ist nicht allzu unrealistisch, nach unseren ersten Testfahrten in und um Madrid standen 5,1 Liter am Bordcomputer. Voller Leistungseinsatz wird aber auch gleich mit einem deutlichen Anstieg quittiert, eh klar.
So funktioniert der e:HEV-Antrieb
Glauben Sie niemandem, der davon schreibt, dass der neue Honda Civic ein CVT-Getriebe hat. Hat er nicht. Er hat gar kein Schaltgetriebe. Im Prinzip wie der Hypersportler Koenigsegg Regera. Was Honda als e-CVT bezeichnet, ist ein Direktantrieb, der aus dem Benziner (143 PS, 186 Nm) und zwei E-Motoren besteht. Der größere Elektromotor - 135 kW/184 PS stark - treibt die Vorderräder an. Das macht er in den meisten Fällen allein. Die kleinere E-Maschine sitzt am Verbrenner und dient ausschließlich als Generator. Dieses Pärchen produziert den Strom, mit dem der Haupt-E-Motor gefüttert wird. Der Rest wird in einer kleinen Batterie gespeichert, deren Kapazität 1,05 kWh beträgt.
Bei höherem Tempo, ab 80 km/h bis etwa 140, 160 km/h, schließt sich die Kupplung zwischen Verbrenner und Antrieb. Die Übersetzung entspricht einem fünften Gang. In diesem Modus unterstützt der E-Motor zusätzlich den Verbrenner. Bei noch höherem Tempo (Vmax ist 180 km/h) öffnet sich die Kupplung wieder und der Civic switcht auf den zuerst beschriebenen sogenannten Hybrid-Modus um, d.h. nur der E-Motor treibt die Vorderräder an, während der Verbrenner über den Generator für die Stromproduktion sorgt.
Dieses e:HEV-Prinzip kennen wir bereits von anderen Honda-Modellen, der Civic ist jedoch das erste, das die neueste Generation bekommen hat, die spürbar gelungener ist.
Auch beim Bremsen oder wenn man vom Gas geht, wird Strom in die Batterie gespeist. Wie viel, lässt sich am Display erkennen und via „Schaltpaddles“ einstellen.
Und so fährt sich das
Vor allem sehr leise. Angefahren wird sowieso grundsätzlich elektrisch, aber auch wenn der Verbrenner einsetzt, fällt er nicht auf. Technisch aufwendig haben sie ihm eine hervorragende Laufkultur anerzogen und die Dämmung ist auch auffallend gut. Gegen Motor- wie auch gegen Windgeräusche. Das Triebwerk ist deutlich drehmomentstärker als bisher, außerdem ist die Batterie kräftiger. Beides trägt dazu bei, dass das berüchtigte Aufheulen des Verbrenners praktisch ausbleibt. Das Antriebsgeräusch wirkt sogar relativ natürlich, obwohl der Motor meist nur als Stromerzeuger dient.
Bei stärkerer Beschleunigung haben sie ihm künstliche Schaltsprünge einprogrammiert, wodurch er den Eindruck einer Sportautomatik erweckt. Und im Sportmodus wird sogar zusätzlicher Motorsound zugespielt. Der klingt längst nicht so künstlich, wie er ist, und ist besser gelungen als in manch Konkurrenzprodukt.
Erkennt der Civic, dass man auf einer kurvigen Strecke unterwegs ist, hält er die Motordrehzahl in der Kurve hoch, was sich natürlich anfühlt und für genug Kraft sorgt, um am Kurvenausgang herauszubeschleunigen, ohne dass der Motor erst mühsam hochdrehen muss.
Auch wer sich mit Vollhybriden bisher nicht anfreunden konnte, sollte das mal antesten - es könnte sein, dass er seine Meinung ändert. Der große Vorteil an diesem Antrieb: Er ist tatsächlich sparsam. Und dazu auch noch angenehm unaufgeregt.
Verbindliches Fahrwerk, Top-Lenkung
Dass sie bei Honda nicht nur Motor-Experten sind (niemand auf der Welt baut so viele Motoren wie Honda), sondern auch Fahrwerke abstimmen können, ist im neuen Civic nicht zu übermerken. Relativ hohe Lenkkräfte kommen sportlichen Fahrern entgegen, die Lenkung vermittelt angenehm viel Gefühl für die Fahrbahn und trägt zu einem sehr präzisen Pfeilen auch durch enge Kurven bei. Untersteuern ist praktisch nicht zu provozieren, der Civic liegt richtig gut. Trotzdem ist er komfortabel, die Federung spricht ganz hervorragend an.
Ein Sportwagen ist der Civic logischerweise nicht, aber das muss er auch nicht sein. Diese Rolle darf noch einmal der Civic Type R spielen, wenn er nächstes Jahr auf den Markt kommt. Bis dahin sind 7,8 Sekunden für den Standardsprint das höchste der Gefühle. Was aber angesichts des auf über 1,5 Tonnen gewachsenen Gewichts (trotz Alu-Motorhaube und Kunststoff-Heckdeckel) respektabel ist.
Eleganz im Innenraum
Kommen wir wieder zu soft skills des neuen Civic. Der Innenraum ist so elegant wie wahrscheinlich noch überhaupt nie in dieser Baureihe. Feine Materialien verströmen beinahe Premium-Feeling. Tasten und Drehregler fühlen sich gut an. Ja, Drehregler für die Klimaanlage. Auch für die Lautstärke. Die Lüftungsdüsen verbergen sich hinter einem durchgehenden Wabengitter. Das dient nicht nur der Optik, auch der mögliche Ausströmwinkel konnte dadurch besonders groß gestaltet werden.
Das optionale 10,2-Zoll-Tachodisplay ist besonders intelligent gestaltet und gut ablesbar, auf Basis von Rundinstrumenten. Der zentrale Touchscreen ist aufgesetzt (nicht ganz so elegant wie der Rest des Innenraums) und hat integrierte Soft Keys. Direkt daneben (also hoch und weit weg und daher nicht sehr griffgünstig) befindet sich der Lautstärkeregler. Auch einen echten Home-Button gibt es. Einzig die Tasten für die Fahrstufen hätte man besser durch einen kleinen Wahlhebel ersetzt.
Die Preise
Die Preisliste für den Honda Civic der elften Generation beginnt bei 32.790 Euro für die Version Elegance. Dazu gehören u.a. elf Airbags, Hondas Sensing Fahrassistenzsystem-Palette (automatisiertes Fahren etc.), Zwei-Zonen-Klima, Rückfahrkamera, Parksensoren vorne und hinten und das Navigationssystem. „Sport“ um 1600 Euro extra bringt u.a. Teillederausstattung, 18 statt 17 Zoll große Alus, induktives Handyladen, LED-Nebelscheinwerfer oder Lüftungsauslässe hinten. Bei „Advance“ um 37.990 Euro sind dann Bose-Anlage mit zwölf Lautsprechern, Glasschiebedach, adaptives Fernlicht, Volllederausstattung, Lenkradheizung, volldigitales 10,2-Zoll-Tachodisplay oder elektrisch einstellbare Sitze dabei. Der Marktstart ist für Herbst 2022 geplant.
Unterm Strich
Es ist ein sehr geschmeidiges Fahren kit dem neuen Honda Civic. Und ein sparsames, wenn man nicht ständig mit Vollgas über die Bahn zischt. Der Antrieb fühlt sich überraschend natürlich an, der Antritt ist elektrotypisch spontan, die Lenkung direkt, das Fahrwerk gleichermaßen präzise und komfortabel. Ja, das ist gelungen. Und auf den Type R freuen wir uns auch.
Warum?
Sehr sparsam
Tolles Fahrwerk
Warum nicht?
Nur ein Antrieb im Angebot
Oder vielleicht …
… Golf, Astra, 308 und all die anderen Kompakten.
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