Mit einem geplanten Zufahrtsverbot in die Innere Stadt will die Stadt Wien den Verkehr im Ersten Bezirk beruhigen: Wer in die City einfahren will, soll künftig eine Genehmigung brauchen. Kontrollieren will man dies mit großflächiger Videoüberwachung. Eine durchgesickerte Vorab-Studie zu dem Vorhaben zeigt allerdings: Die Zufahrtsüberwachung wäre mit hohen Kosten verbunden, brächte nur eine leichte Reduktion des Verkehrs - und ist in der offenbar favorisierten Ausgestaltung datenschutzrechtlich äußerst heikel, mahnt ein Experte.
Die 29-seitige Powerpoint-Präsentation mit den Vorabergebnissen der Studie, die krone.at und dem ORF Wien vorliegt, soll dem Lenkungsausschuss zur verkehrsberuhigten Innenstadt am 17. Mai präsentiert worden sein. Gegenüber „Wien heute“ erklärte Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) jedoch, den Bericht nicht zu kennen. Sie wolle nicht über unfertige Studien sprechen.
Hohe Kosten, nur 14 Prozent weniger Zufahrten
Der Inhalt birgt allerdings Sprengkraft: Immerhin stufen die für die Studie verantwortlichen Verkehrsplaner den Effekt einer Verkehrsberuhigung der Wiener Innenstadt als gering ein. Einer Erstinvestition von 18,6 Millionen Euro und jährlichen Betriebskosten von 2,4 Millionen Euro - ein großer Teil für die Kamera-Zufahrtskontrollen und die zugehörige IT-Infrastruktur - steht eine erwartete Reduktion der Zufahrten in Höhe von nur 14 Prozent gegenüber. Die Parkplatzauslastung soll der Prognose zufolge um 24 Prozent sinken.
Zufahrten sollen mit Kameras überwacht werden
Als besonders heikel empfinden Datenschützer die Art der geplanten Kontrollen: Die Stadt Wien will an den Zufahrten zur Innenstadt Kamera-Checkpoints aufstellen, die einfahrende Autos filmen, damit man Fahrer ohne Genehmigung sanktionieren kann. Hier werden in der Studie zwei Ansätze diskutiert, wie die entstehenden Aufnahmen ausgewertet werden sollen: entweder durch eine vorgeschaltete Stelle der Stadt Wien oder mittels Direktzugriff auf die Video-Streams durch die Polizei. Auf der Folie wird auch gleich skizziert, wie man die Erlöse aufzuteilen gedenkt: 80 Prozent für den Straßenerhalter, 20 Prozent für die Strafverfolgungsbehörde.
Datenschützer geißeln Direktzugriff für Polizei
Ein solcher Direktzugriff durch die Polizei wäre laut dem Datenschutzexperten Thomas Lohninger von der NGO epicenter.works allerdings äußerst heikel. Bereits als bekannt wurde, dass die Zufahrten mit Videoüberwachung kontrolliert werden sollten, schlug er Alarm, dass die Kameras nicht nur zur Kennzeichenerfassung verwendet werden könnten. Dass nun die Polizei direkten Zugriff erhalten soll und theoretisch über die Kameras etwa auch Demonstrationen am Ring beobachten kann, ohne vorher anfragen zu müssen, sei höchst problematisch. Statt der geplanten Kameras zur grundsätzlich positiv zu bewertenden Verkehrsberuhigung der Innenstadt gäbe es auch „gelindere Mittel“.
Das Umweltministerium hat das letzte Wort
Bislang wurden Datenschutzbedenken von den Verantwortlichen der Stadt Wien als „absurd“ abgetan. Doch die Videoüberwachung der Zufahrten wäre juristisch heikel und bedürfte einer Reform der Straßenverkehrsordnung. Eine solche fiele wiederum in den Zuständigkeitsbereich von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), die bereits angekündigt hat, das Wiener Vorhaben auch in puncto Datenschutz kritisch prüfen zu wollen.
Dass es noch Diskussionsbedarf geben dürfte, wissen auch die Studienautoren: Auf der Folie zum geplanten Zeitplan schätzen sie, dass die Rechtsgrundlage „frühestens Anfang 2023“ geschaffen werden könnte.
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