Geheime Steuererhöhung

Die kalte Progression als Einkommensbremse

Wirtschaft
02.07.2022 06:00

Die Inflation sorgt dafür, dass der Staat zusätzliche Einnahmen bei der Lohnsteuer kassiert. Das wird jetzt gestoppt.

Jeder hat schon davon gehört. Es ist etwas Böses und kostet uns Geld. Die wenigsten verstehen es ganz. Jetzt wird es abgeschafft und wird uns finanzielle Vorteile bringen: Die Rede ist von der kalten Progression.

Doch wie funktioniert sie? Dazu muss man zunächst einmal wissen, dass wir ein „progressives“ Steuersystem haben. 11.000 Euro im Jahr sind steuerfrei. Darüber zahlt man umso mehr Lohnsteuer, je mehr man verdient. Die Sätze steigen in Stufen an: Zunächst zahlt man bis 18.000 Euro (zu versteuerndes Einkommen) 20 Prozent, in der nächsten Stufe 32,5 Prozent und in der höchsten Stufe 55 Prozent.

(Bild: Krone KREATIV)

Bekommt man eine Lohnerhöhung, wird die „oben drauf“ gelegt, also mit der für den Arbeitnehmer höchsten Stufe versteuert. Dadurch steigt natürlich die durchschnittliche Steuerbelastung an. Dazu ein Beispiel (Grafik oben): Anna verdient heuer 30.000 Euro brutto. Angenommen, sie erhält in den nächsten drei Jahren eine Lohnerhöhung, die genau der Inflationsrate entspricht. Am Ende (2025) bekommt sie dann brutto 34.905 Euro, um 16,4 Prozent mehr. Sie zahlt aber statt 2212 Euro dafür 3280 Euro Lohnsteuer, um satte 48 Prozent mehr. Diesen Effekt nennt man „kalte Progression“.

(Bild: stock.adobe.com, krone.at-Grafik)

„Das ist eine geheime Steuererhöhung, die dem Staat nicht zusteht“, urteilt Franz Schellhorn von der Agenda Austria, der seit Jahren für die Abschaffung der kalten Progression kämpft. Den oben beschriebenen Effekt kann man verhindern, indem die Stufen bei der Lohnsteuer jedes Jahr angepasst werden.

Also müsste z. B. die Grenze, bis zu der einem nur 20 Prozent abgezogen werden - aktuell bei 18.000 Euro - um die Inflationsrate (heuer ca. 7,8 Prozent) erhöht werden, sodass man 2023 erst über 19.260 Euro in die nächste Steuerstufe rutscht. „So funktioniert es in der Schweiz, das ist das beste Modell“, so Schellhorn. In Österreich wird das jetzt etwas anders gelöst.

Franz Schellhorn (Agenda Austria) fordert eine Eigenkapitalstärkung der Betriebe. (Bild: Bartel Gerhard)
Franz Schellhorn (Agenda Austria) fordert eine Eigenkapitalstärkung der Betriebe.

Man nimmt die Inflation zwischen Juli 2021 und Juni 2022. Davon werden zwei Drittel auf die Steuerstufen für 2023 draufgeschlagen, sodass man im nächsten Jahr weniger Lohnsteuer zahlt und so laut Finanzminister im Schnitt „300 bis 500 Euro netto mehr erhält“. Das restliche Drittel wird von der Regierung für sozialpolitische Maßnahmen verwendet, Details sind noch offen.

(Bild: KREATIV)

Schellhorn: „Das ist besser als die alte Lösung, als man sich alle paar Jahre für eine Steuerreform feiern ließ, obwohl nur die kalte Progression zurückbezahlt wurde.“ Denn ohne Maßnahmen wachsen die Mehreinnahmen für den Fiskus automatisch. 2023 würde sich das wegen der heuer so hohen Inflation mit drei Milliarden auswirken, bis 2025 wären es ohne die Abschaffung in Summe 13 Milliarden Euro.

Porträt von Manfred Schumi
Manfred Schumi
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