Überfordert mit Krankheit: Obwohl es immer Hilfsangebote von außen gibt, entschieden in Österreich fünf betagte Männer selbst über Leben und Tod, griffen zur Waffe, erschossen erst ihre Frauen und dann sich selbst ...
Amour – das französische Wort für Liebe diente dem österreichischen Regisseur Michael Haneke als Titel für seinen preisgekrönten Film aus dem Jahr 2012: Darin erstickt der betagte Protagonist George seine geliebte Ehefrau Eva – aus Überforderung aufgrund von deren Pflegebedürftigkeit.
Ob es eine gemeinsame Entscheidung war zu sterben, ist oft unklar. Denn nicht jede bettlägerige Person will partout sterben.
Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner zur „Kronen Zeitung“
Leider nicht in der Fiktion, sondern in brutaler Realität spielten sich ähnliche Szenen in Österreich ab – fünfmal allein im Juni! Bei dem ersten „Pflegedrama“ am Beginn des Monats erschoss ein schwerkranker Steirer (87) in Schladming seine Frau (78) im Schlaf und richtete sich dann selbst. „Ob es eine gemeinsame Entscheidung war, aus dem Leben zu gehen, ist in solchen Fällen oft unklar“, berichtet die renommierte Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner im Gespräch mit der „Krone“.
Wenige Tage später dann ein ähnlicher Fall im 15. Wiener Gemeindebezirk: Eine Heimbetreuerin hatte Alarm geschlagen, weil sich die Wohnungstüre ihrer Klientin nicht mehr öffnen ließ. Als die Polizei den Eingang freimachte, stieß sie auf zwei blutüberströmte Leichen. Demnach soll der 80-Jährige seine Frau (79) und sich selbst erschossen haben.
„Geliebten Menschen pflegen ist Herkulesaufgabe“
„Einen geliebten Menschen pflegen ist eine Herkulesaufgabe“, weiß die Caritas-Pflege-Expertin Gabriela Hackl. Auch in Niederösterreich kam es im Weinviertel in Groß-Enzersdorf zu einem Mord-Selbstmord: Helmut H. (80) hatte seine geliebte Dora (83), die vor 30 Jahren schwer erkrankt war, aufopferungsvoll daheim gepflegt. Doch als er selbst die Diagnose Lungenkrebs erhielt, löschte er erst das Leben seiner Gattin und dann sein eigenes aus. Auch in Wien-Landstraße riss ein Pensionist (68) am 22. Juni seine Frau (76) und sich aus dem Leben.
Den vorerst traurigen Abschluss in der „Pflegedrama“-Serie setzte Karl S. dann am 25. Juni in Wien-Simmering: Der 84-Jährige tötete am Samstagmorgen seine kranke Frau (82), den Familienhund „Chico“ und sich selbst. Langjährige Nachbarn des Ehepaares waren beim „Krone“-Lokalaugenschein fassungslos und traurig zugleich – niemand hätte mit so einer Wahnsinnstat gerechnet.
Hackl appelliert indes an Betroffene mit pflegebedürftigen Angehörigen oder Partnern: „Es gibt für alle gute Möglichkeiten, sich helfen zu lassen!“
Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden oder von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 142. Weitere Krisentelefone und Notrufnummern finden SieHIER.
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