Nebenwirkungen

WHO-Studie zur “Pille für den Mann” ist gescheitert

Wissenschaft
01.08.2011 11:33
Mehr als 30 Jahre ist die Idee einer "Pille für den Mann" bereits alt, doch bis dato hat es kein einziges derartiges Präparat bis hin zur Marktreife geschafft. Auch eine Ende 2009 gestartete Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO in acht Ländern mit 400 Testpersonen brachte keinen Erfolg. Grund: unangenehme Nebenwirkungen und ein zu großer Anteil an Unverträglichkeit bei der Antibaby-Spritze.

"Die Studie ist bereits im März gestoppt worden, weil die Spritze in der jetzigen Zusammensetzung nicht funktioniert", sagt der Leiter der Studie, Michael Zitzmann, Androloge und Endokrinologe am Centrum für Reproduktionsmedizin der Universität Münster. "Bei 90 Prozent der Männer hat es funktioniert, aber zehn Prozent (Anm.: bei denen es nicht funktioniert hat), das ist einfach zu viel", erläutert der Mediziner mit Blick auf die Nebenwirkungen. Insbesondere bei älteren Familienvätern traten unangenehme Folgen auf, darunter Depressionen, Gewichtszunahme oder Akne. Dabei wurde die Verhütungsspritze vor Beginn der großen WHO-Studie in mehreren kleineren nationalen Studien getestet, ohne dass dabei derartige Nebenwirkungen auftraten.

Anteil der Unverträglichkeit zu hoch
Im deutschen Halle beteiligten sich 43 Männer. Generelle Bedingung war, dass alle Probanden im Alter zwischen 18 bis 45 Jahren in einer festen Partnerschaft leben und die Frauen mit dem Test einverstanden sind. Derzeit befinden sich die Teilnehmer in der Nachbetreuung. "Die Erwartungen sind nicht erfüllt worden", sagt der Leiter der Studie, Hermann Behre, der auch Direktor des Zentrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie des Universitätsklinikums Halle ist. "Zwar haben in Halle neun von zehn Männern die Spritze vertragen, aber insgesamt ist der Anteil der Unverträglichkeit zu hoch." Die komplette Auswertung der Studie werde im Oktober vorliegen. "Aber wir können schon jetzt davon ausgehen, dass es in dieser Form nicht funktioniert", bestätigt Behre.

Den Männern wurde die Antibaby-Spritze alle acht Wochen gegeben. Als Wirkstoffe kamen Substanzen zur Anwendung, die bereits zur Behandlung von anderen Beschwerden zugelassen sind. Ansonsten wären langwierige Zulassungsverfahren notwendig geworden. Die Testosteronzufuhr von außen bewirkte, dass die Hoden die Produktion des körpereigenen Testosterons einstellten und als Folge auch tatsächlich keine Samenzellen erzeugt wurden. "Wir müssen jetzt ganz neu anfangen, das Ergebnis ist offen", sagt Zitzmann. Allerdings rechnet er nicht mehr damit, dass eine Verhütungsspritze für den Mann innerhalb der nächsten fünf Jahre zur Marktreife gebracht werden kann.

Pharmaindustrie sieht derzeit keine Marktchancen
Skeptisch ist auch die Pharmaindustrie: Ein Forschungsprojekt auf Basis einer Hormonspritze und eines Implantates wurde nach der Übernahme der Schering AG durch die Bayer AG im Jahr 2007 eingestellt. "In den nächsten zehn bis 15 Jahren gibt es dafür keine Marktchancen", sagt Friederike Lorenzen von der heutigen Bayer HealthCare Pharmaceuticals der Bayer Pharma AG in Berlin. Auch die im Verband Forschender Arzneimittelhersteller organisierten 43 Pharmafirmen forschen den Angaben zufolge nicht an einem Verhütungsmittel für den Mann.

Dennoch: Behre sieht weiterhin große Chancen für eine Antibaby-Spritze für den Mann. "Wir sind an einem Erfolg näher dran, als manche glauben." Der Mediziner favorisiert die reine Testosteron-Spritze. "In China wurde eine derartige Testosteronspritze an über 1.000 Männern mit Erfolg getestet. Die Ergebnisse liegen seit 2009 vor", sagt der Wissenschaftler. "Die Antibaby-Spritze für den Mann soll die Pille für die Frau nicht verdrängen oder ablösen", betont Behre. Die Spritze biete aber Paaren die Möglichkeit, sich die Verantwortung bei der Verhütung zu teilen. Außerdem wäre sie eine gute Alternative, wenn die Frau die Pille aus gesundheitlichen Gründen nicht verträgt.

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