Ein massiver Gletscherbruch hat am Wochenende mindestens sechs Tote in den Dolomiten in Norditalien gefordert, 20 Menschen werden noch vermisst. Die Gletscherforscherin Andrea Fischer sieht die Gefahr für ein baldiges, derartiges Ereignis auch in den österreichischen Alpen. „Es ist nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich, dass solche Prozesse im heurigen Sommer in den österreichischen Alpen passieren“, betonte Fischer. Das sei ohne Zweifel eine Folge der globalen Erderhitzung.
Die extrem geringen Schneemengen in den Hochlagen zu diesem frühen Zeitpunkt „ist eine Ausnahmesituation, die historisch noch nie vorgekommen ist“, erklärte die renommierte Tiroler Glaziologin. Die Ostalpen seien noch nie so früh „bis oben schneefrei“ gewesen. Hinzu komme, „dass gleichzeitig die Eisdecke schon so dünn ist, dass diese Eisreste sich in Bewegung setzen können und die gesamte Masse sehr stark wassergesättigt ist“.
Die Dolomiten seien heuer ähnlich schneearm wie die heimischen Alpen, zog Fischer einen Vergleich. Die Ausaperung - das Abschmelzen der Schneedecke - sei schon sehr weit fortgeschritten. „Oben liegt kein Schnee mehr. Die Schmelze findet über die gesamte Gletscherfläche statt. Insbesondere die oberen und steilen Bereiche sind sehr dünn. Die Sonne wärmt den Untergrund auf“, so die Expertin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dies führe zu einer großflächigen Bildung von Hohlräumen.
„Ohne Vorwarnung platzt das dann ab“
„Das Eis verliert die Bindung mit dem Untergrund. Die Hohlräume können mit Wasser gefüllt werden“, schilderte die Wissenschafterin die fatalen Vorgänge und verdeutlicht die Folge: „Mehr oder weniger ohne Vorwarnung und richtige Anzeichen platzt das dann richtig ab“. Diese Ereignisse würden - wie gesehen - „sehr große Reichweiten“ erreichen, denn: „Dieses Gemisch von Eis, Wasser und Schutt, das großflächig auf und vor den Gletschern liegt, ist leicht mobilisierbar und hat eine große Zerstörungskraft.“
Das hat Konsequenzen für Bergsteiger: „Von Touren im vergletscherten Hochgebirge ist abzuraten“, betonte Fischer. Brücken und Wanderwege in der Nähe von Gletschern seien heuer besonders gefährdet. Man sollte sich nicht unterhalb von Gletschern befinden, wo man von Sturzereignissen betroffen sein kann. Generell sei anzuraten, sich nicht im Einflussbereich von Gletschern aufzuhalten - eben aufgrund der großen Reichweiten. Die Expertin empfiehlt Alpinisten, ihre Freizeitplanung zu ändern: Es gebe schließlich auch schöne Hochtouren im nicht vergletscherten Gebirge, bei denen derartige Gefahren nicht drohen.
Klarer Zusammenhang mit Klimawandel
Für Fischer hat die aktuelle Problematik unzweifelhaft mit dem Klimawandel zu tun. Zwei Faktoren würden heuer sehr ungünstig zusammentreffen: Die Eisflächen seien über mehrere Jahrzehnte schon so stark zurückgegangen, dass sich sehr dünnen Eisplatten bildeten, die unterhöhlt sind. Verschlimmert werde die Situation dadurch, dass der heurige Winter sehr schneearm war.
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